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Sonntag, September 8, 2024
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    Verbot des IZH: Zeichen von Berlin an Teheran?

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    Seit Jahrzehnten wurden die Aktivitäten des Islamischen Zentrum Hamburg e.V. überwacht. Am Mittwochmorgen kam es nun zum Verbot und zur konsequenten Razzia gegen mehrere Einrichtungen des IZH in ganz Deutschland, darunter auch die „Blaue Moschee“. Wem will der deutsche Staat gerade jetzt damit was beweisen? – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

    Am Mittwochmorgen durchsuchten und schlossen Polizist:innen mehrere Einrichtungen des Islamischen Zentrum Hamburg e.V. in ganz Deutschland. Vorausgegangen war dieser koordinierten Aktion ein unmittelbares Verbot des Vereins durch das Innenministerium. Vor allem die Durchsuchung und Schließung der Imam-Ali-Moschee, oft aufgrund ihrer charakteristischen Farbe einfach nur „Blaue Moschee” genannt, hat im Zuge des Verbots des Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) und seiner Teilorganisationen für viel Aufmerksamkeit gesorgt.

    Das IZH, Trägerverein der Moschee an der Außenalster in Hamburg, wird schon seit 1993 vom Verfassungsschutz als „extremistisch“ eingestuft und überwacht. Der Verein fungiert als Tarnmantel zur ideologischen Einflussnahme der fundamentalistischen-schiitischen Staatsdoktrin des Irans und der Hisbollah in Deutschland und Europa. In der „Blauen Moschee” z.B. übt ein direkter Gesandter des Ayatollah Chamenei das geistliche Amt aus, der zugleich eine hohe Stellung innerhalb der schiitischen Gemeinde einnimmt. In den iranischen und persischen Exilgemeinden Hamburgs sowie in muslimischen Kreisen war die Moschee jedoch durchaus umstritten. Vor allem Regimegegner:innen mieden die Moschee und andere Einrichtungen des IZH.

    Warum ein Verbot und warum jetzt?

    Von Hamburger Behörden wurden in den letzten Jahren immer wieder Rufe nach einem Verbot des IZH laut. Die Verantwortung dafür lag aber schon länger beim Bund, da das IZH in ganz Deutschland Einrichtungen betrieben.

    Im November 2022 hatte der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, „ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann“. Im November letzten Jahres, kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel, wurden 57 Objekte im Zusammenhang mit dem Islamischen Zentrum Hamburg durchsucht. Für ein Vereinsverbot lagen damals nicht ausreichend belastende Informationen vor. Die Razzia sollte das ändern.

    Großrazzia gegen Islamisches Zentrum Hamburg: Durchsuchung von 54 Objekten

    Das Vereinsverbot erging nun mit einer Begründung, die so schon seit mehreren Jahren vom Verfassungsschutz Hamburg vorgetragen wird: Das IZH sei „extremistisch“ und verfolge „verfassungsfeindliche Ziele“. Konkrete Beweise können oder wollen das Bundesinnenministerium und der Verfassungsschutz dafür aber nicht vorlegen. In der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums heißt es lediglich, der „Extremismusverdacht“ wurde zuletzt „erhärtet“.

    Das Verbot des IZH steht in einer Reihe von Vereins- und Organisationsverboten, die Innenministerin Faeser in den letzten Monaten auf den Weg gebracht hat. Unter dem Vorwand, die „wehrhafte Demokratie“ aufrechtzuerhalten, verbot das Innenministerium sowohl fortschrittliche palästinasolidarische Gruppen wie Samidoun, die die Mittäterrolle des bürgerlichen deutschen Staats im Gazakrieg anprangerte, als auch die islamisch-reaktionäre Hamas.

    Auch das faschistische deutsche Compact-Magazin wurde kürzlich verboten. Die Vorstöße des Innenministeriums haben in diesem Zusammenhang vor allem zum Ziel, die liberal-bürgerliche Demokratie gegen Angriffe abzusichern. Gegner:innen der aktuellen Form bürgerlicher Herrschaft werden deswegen, unabhängig ob sie fortschrittlich oder reaktionär sind, als Extremist:innen bezeichnet und verfolgt.

    Folgenreiche Verbote

    Reaktionen zwischen Rechtsstaat und Rassismus

    In den Reaktionen auf das Verbot des IZH zeigen sich dementsprechend vor allem dem deutschen Staat gegenüber loyale Kräfte erfreut. Die Auflösung des Vereins sei ein wichtiger Schritt gegen die iranische Einflussnahme in Deutschland, sagt zum Beispiel der Autor Eren Güvercin, Gründungsmitglied eines liberalen und deutschen staatstreuen Islamvereins. Güvercin nimmt das Verbot des IZH weiterhin zum Anlass, ein noch schärferes Vorgehen des deutschen Staates gegen andere islamisch-fundamentalistische Kräfte zu fordern.

    Ein härteres Vorgehen des Staates (ohne tatsächliche strafrechtliche Grundlage gegen bestimmte Gruppen) könnte sich währenddessen zunehmend auch auf fortschrittliche, linke Gruppierungen auswirken.

    Aus anderen muslimischen Kreisen und zum Teil auch von linken Gruppen beschränkt sich die Kritik am Vorgehen des Staates wiederum vor allem auf einen institutionellen Rassismus im Innenministerium. Faeser handele, so die Argumentation, rassistisch, weil sie sich mit ihrem Verbot gegen Muslim:innen wende und die Religionsfreiheit einschränke. Alle Muslim:innen müssten aber, so die an eine derartige Rassismuskritik anschließende Forderung, das Recht haben, ihre Religion so auszuleben, wie sie es möchten.

    Deutsch-Iranische Freundschaft gekündigt

    Tatsächlich ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es dem Innenministerium mit dem Verbot um die Religiosität der Muslim:innen in der „Blauen Moschee” ging – unabhängig davon wie rückwärtsgewandt diese auch ausgelebt worden sein mag. Das Verbot des IZH ist eine politische Entscheidung, die sich vor allem auch direkt gegen die iranische Regierung richtet.

    Dass zwischen dem IZH mit seinem Herzstück der „Blauen Moschee” und der iranischen Regierung enge Verbindungen bestehen, ist belegt. So wurde zum Beispiel der ehemalige Leiter der „Blauen Moschee” Mohammad Chatami später iranischer Präsident – und überwarf sich dabei aufgrund seiner gemäßigten Positionen mit den iranischen Religionsführern um den Ajatollah Chamenei.

    Dem Verfassungsschutz liegt außerdem offenbar seit längerem eine Briefkorrespondenz vor, aus der hervorgeht, dass die Religionswächter im Iran die Leitung des IZH in Deutschland als weisungsgebundene Statthalter ansprechen. Das gilt jedoch in ähnlichem Maße auch für den größten deutschen Moscheeverband DITIB, die direkt dem türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten untersteht.

    Der Unterschied zwischen IZH und DITIB ist vor allem die außenpolitische Haltung der BRD zur Türkei und zum Iran. Während der NATO-Mitgliedstaat Türkei als Partner erachtet wird, verschärft sich momentan die deutsch-iranische Beziehung vor allem aufgrund der offenen und massiven Unterstützung des Irans für militante Kräfte in Westasien, die Israel angreifen.

    Iran vs. Israel: Keine gerechte Seite

    Deutschland steht erklärtermaßen fest an der Seite Israels und strebt offiziell weiterhin eine diplomatische Lösung der Palästinafrage an. Mit den Angriffen der Hamas, der Hisbollah und der Huthis auf Israel, die alle vom Iran abhängen, könnte deswegen auch die lang gehegte diplomatisch-nachsehende Haltung Deutschlands zum Iran kippen.

    Die lang bestehende Freundschaft von Deutschland und dem Iran, die nicht zuletzt auch den politischen Überbau für massive Kapitalinvestitionen deutscher Konzerne wie BASF oder Lufthansa im Iran darstellten, könnte nun vor allem von denjenigen in Frage gestellt werden, die den Weg des deutschen Imperialismus weiterhin eng verknüpft mit den USA sehen. Die USA fährt seit Jahrzehnten einen deutlich härteren Kurs gegen den Iran. Das Verbot des IZH könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich auch in Deutschland diejenigen durchsetzen, die eine klarere Positionierung zum Regime in Iran fordern, anstatt sich – wie zuvor zum Beispiel auch in Bezug auf Russland geschehen – länger zwischen den Stühlen zu bewegen.

    Der Kampf gegen Krieg und Militarismus muss sich gegen jeglichen Imperialismus richten!

    • Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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