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Montag, September 9, 2024
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    Revolutionäre Massenkämpfe in Kenia – Wer ist die „Kommunistische Partei Kenias”?

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    Große Teile von Kenias Bevölkerung sind seit Juni auf den Straßen und kämpfen um ihre Zukunft und gegen den Ausverkauf ihres Landes. Der kenianische Staat antwortet mit mörderischer Gewalt. In den Protesten spielt auch die „Communist Party of Kenya“ (CPK) eine Rolle. Gewinnt hier gerade wirklich eine revolutionäre kommunistische Kraft an Einfluss? – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko.

    Seit ungefähr Juni 2024 halten im ostafrikanischen Kenia Massendemonstrationen und teilweise Streiks die Politik in Atem. Allen voran die Jugend des Landes, die dort die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung ausmacht, nimmt dabei eine führende Stellung ein.

    Kenias Jugend auf den Straßen

    In all der Unübersichtlichkeit großer Massenerhebungen ist es nicht immer leicht, die politische Führung ausfindig zu machen. Die Erhebungen haben sich in diesem Fall zwar an der Frage eines konkreten Steuervorhabens entzündet, richten sich aber zunehmend gegen das politische System Kenias als Ganzes – mitsamt kapitalistischem Staat und Regierung.

    Alle politischen Kräfte im Land versuchen, auf ihre Art und Weise auf die Proteste einzuwirken und verbreiten unterschiedliche Positionierungen zu den Geschehnissen. Jede Bewegung hat spontane Elemente, die nicht von Vornherein geplant werden können. Organisierte Kräfte wie z.B. Oppositionsparteien haben dabei nur einen begrenzten Einfluss und müssen sehen, wie sie die spontan freigesetzten Kräfte einer solchen Massenbewegung für ihre Ziele nutzbar machen können.

    Eine im Rahmen der Massenproteste auch im Ausland bekannt gewordenen Kraft ist die „Communist Party of Kenya” (CPK), also eine sich als kommunistisch bzw. marxistisch-leninistisch verstehende Partei. Schon in der Vergangenheit haben kommunistische Parteien weitreichende Revolutionen in verschiedensten Ländern wie Russland, China oder Vietnam angeführt. Auch die meisten antikolonialen Revolutionen wie in Mosambik oder Angola wurden vor wenigen Jahrzehnten von Parteien und Organisationen durchgeführt, die sich – wenn auch teilweise diffus – am Marxismus orientierten.

    Die größten, heute stattfindenden revolutionären Guerillakriege wie in den Philippinen, Indien oder Kolumbien werden ebenfalls von sich als kommunistisch verstehenden Organisationen angeführt. Insoweit lohnt es sich einzuschätzen, welche Rolle die CPK in der womöglich revolutionären Situation in Kenia spielt und um was für eine Organisation es sich hierbei handelt.

    Wofür steht die CPK?

    Die sich offiziell als kommunistisch verstehende Partei CPK hat einen interessanten ideologischen und organisatorischen Wandel seit ihrer Gründung 1992 durchgemacht: Ursprünglich als „Social Democratic Party“ (sozialdemokratische Partei) gegründet, leitete die Jugendorganisation 2013 eine Transformation und ideologische Neuorientierung ein, bei dem die bisherige Parteispitze durch die Führer der Jugendorganisation ersetzt wurde.

    Gemäß der neuen Orientierung am Marxismus-Leninismus ließ sie sich schließlich 2019 in „kommunistisch“ umbenennen. Doch kann sich eine sozialdemokratische Partei, die sich soziale und ökonomische Verbesserungen für die Arbeiter:innenklasse durch Reformen des Kapitalismus vorstellt, in eine revolutionäre Organisation verwandeln?

    Ursprünglich entstanden die ersten kommunistischen Parteien als Abspaltungen der alten sozialdemokratischen Parteien um den Ersten Weltkrieg herum, in Anlehnung an die erfolgreichen Bolschewiki in Russland 1917. Hingegen ist von einer kompletten Transformation einer reformistischen zu einer revolutionären Partei bisher nichts bekannt.

    So scheint auch die CPK nicht mit der reformistischen Idee einer friedlichen Machtübernahme über die gesetzeskonforme Teilnahme an den bürgerlichen Wahlen brechen zu wollen. Zumindest lässt die Partei in ihrer Orientierung an der kenianischen Verfassung und ihrem Bezug auf „partizipative Demokratie“ viel Interpretationsspielraum für reformistische Illusionen. In ihren Zielen orientiert sie nicht auf eine Revolution hin. Zudem tritt die Partei scheinbar vollkommen offen und ungeschützt auf, was die Fähigkeit der Organisation, einen wirklichen Umsturz zu organisieren, massiv einschränkt, da sie dadurch für die Repressionskräfte einfacher angreifbar ist.

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    Welche Relevanz hat die CPK aktuell?

    Aus Gründen der Unübersichtlichkeit lässt sich diese Frage nicht leicht beantworten: Einerseits tritt die CPK medienwirksam während der Proteste auf und bekommt von verschiedenen fortschrittlich orientierten Medien Aufmerksamkeit, worin aber die Gefahr einer Überschätzung liegt. In jedem Fall kann man davon ausgehen, dass der kenianische Staat die Partei als einen relevanten Feind sieht, da er zunehmend Gebrauch von polizeilicher Gewalt gegen CPK-Aktivist:innen macht. Das kann auf jeden Fall darauf schließen lassen, dass die CPK eine ernstzunehmende, wenn auch nicht unbedingt führende Rolle in der Protestbewegung einnimmt.

    Ein gewichtiger Faktor, der die Einschätzung der Partei erschwert, ist ihre 2022 stattgefundene Spaltung. Diese ist von außen nur schwer nachvollziehbar. Daher ist also nicht immer ersichtlich, welche Fraktion der CPK wo auftritt und welchen Einfluss auf die Bewegung genießt. So soll die Fraktion um Booker Omole einen pro-chinesischen Kurs verfolgen, während die Fraktion von Benedict Wachira auf einen von China unabhängigen Kurs hin orientieren soll.

    Klar ist: sollte eine revolutionäre kommunistische Partei, die diesen Namen verdient – unabhängig davon, ob die gegenwärtige CPK das nun ist oder nicht – die Führung einer solchen Massenbewegung in Kenia übernehmen, würde für die Arbeiter:innenklasse und die werktätigen Massen Kenias eine reale Revolution in greifbare Nähe rücken. Ein solches Beispiel hätte auch das Potential, weit über die Region hinaus zu wirken.

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    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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