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Samstag, Oktober 5, 2024
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    Wahl in Großbritannien: Sieg für die Labour-Partei, historische Niederlage für die Tories

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    Nach 14 Jahren hat die Wahl in Großbritannien zu einem Regierungswechsel geführt. Dabei fährt die Sozialdemokratie enorme Gewinne ein, zu einer sozial gerechten Wende wird es dennoch nicht kommen.

    Am Donnerstag, den 4. Juli wurde in Großbritannien gewählt. Bei 60-prozentiger Wahlbeteiligung konnte sich die sozialdemokratische Labour-Partei eine absolute Mehrheit von 412 der 650 Sitze im Parlament sichern. Damit wird der Vorsitzende Keir Starmer Nachfolger von Premierminister Rishi Sunak.

    Die konservativen Tories verloren dabei ganze zwei Drittel ihrer Sitze und haben mit 121 Sitzen nun weniger als ein Drittel der Sitze im Vergleich zu den Sozialdemokraten. Dabei handelt es sich um ein historisch schlechtes Wahlergebnis für die Konservativen. Drittstärkste Kraft wird die Partei der Liberal Democrats. Hier löst sie die Unabhängigkeitspartei Schottlands ab, die auf neun Sitze zurückfällt. Dazu kommt, dass nach sieben erfolglosen Versuchen die rechtsradikale Partei Reform UK nun in das britische Parlament einzieht und dort erstmalig vier Sitze belegt.

    Marode Lebensverhältnisse in der Mitte des Wahlkampfes

    Zentrales Thema des Wahlkampfes waren die prekären Lebensverhältnisse auf dem Inselstaat. Studien zeigen, dass es den Menschen z.B. in Hinblick auf das Gesundheitssystem erheblich schlechter geht als vor dem Machtantritt der Tories vor 14 Jahren. Neben dem Gesundheitssystem benötigen Straßen, das Eisenbahnsystem und der Wohnungsbau erhebliche Investitionen.

    Überraschenderweise versprachen sowohl Sozialdemokraten als auch Konservative, dass sie Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode ausschließen. Deswegen blieb bisweilen offen, woher die Parteien das dringend benötige Geld nehmen wollen. Übrig bleiben hier nur erhöhte Einnahmen durch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Für einen solchen sind jedoch seit dem Brexit 2020 keine Anzeichen ersichtlich.

    In dieser Hinsicht ist die Wahl insbesondere als Abrechnung mit der bisherigen Regierung zu sehen und weniger als ein tatsächlicher Wahlerfolg der Sozialdemokraten. Dafür sprechen auch die niedrige Wahlbeteiligung und die – durch Studien belegte – politische Stimmung im Land: Enttäuschung von leeren Versprechungen, Misstrauen gegenüber Politiker:innen und die spürbare Verschlechterung der Lebensbedingungen. Von einem großen wirtschaftlichen Aufschwung in Großbritannien ist unter der neuen sozialdemokratischen Regierung jedoch auch nicht auszugehen.

    Reform UK als „Alternative für Großbritannien“

    Die Partei Reform UK wird den konservativen Tories von der rechten Seite des britischen Parteienspektrums langfristig Konkurrenz machen. Nach Aussagen des Parteivorsitzenden Richard Tice wolle man sicherstellen, dass die Tories keine Mehrheit mehr im Parlament erlangen. Zum ersten Mal gelang es Reform UK dabei auch, ins Parlament einzuziehen. Dies geschieht zu einer Zeit, in dem auch Teile des rechten Flügels der Tories unzufrieden mit der Parteiführung sind.

    Im Wahlkampf hat die rechtspopulistische Partei vor allem das Thema der Migration bedient. Trotz niedriger Einwanderungszahlen drängt Reform UK auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik: Jede „nicht notwendige“ Immigration solle gestoppt werden, außerdem solle Großbritannien mit Booten im Ärmelkanal patrouillieren, um illegale Einwanderer direkt wieder zurück nach Frankreich zu bringen. Ferner will die Partei den Nachzug von Familienmitgliedern unterbinden.

    In LGBTI+-feindlicher Weise strebt Reform UK auch ein Verbot der „Transgender-Ideologie“ an Schulen an. Laut dem Wahlprogramm würde dies bedeuten, dass das biologische – also das zu Geburt gegebene Geschlecht – nicht mehr in Frage gestellt werden könnte und Geschlechtsumwandlungen verboten würden. Dabei ist es nicht nur Zufall, dass sich große Teile des Programms so lesen, als hätte der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump dieses persönlich verfasst. Der Chef von Reform UK, Nigel Farage, bezeichnet Trump als großes Vorbild und engen Freund.

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