Mehrfach wurden Personen durch Polizeiautos überfahren
Der Alltag in den französischen Vorstädten („Banlieues“) scheint nach wie vor von regelmäßigen Auseinandersetzungen zwischen BewohnerInnen und Polizei geprägt zu sein. Wer französische Nachrichtenseiten und Blogs verfolgt, findet wöchentlich neue Berichte über einen andauernden gesellschaftlichen Konflikt, der zuletzt im Februar 2017 in tagelangen militanten Protesten rund um Paris eskalierte.
Die immer wiederkehrenden Motive in den Berichten: Aussagen über rassistische Polizeikontrollen und Hetzjagden auf Jugendliche, die polizeiliche Belagerung von Stadtvierteln – und als Reaktion darauf Proteste, Angriffe auf die Staatsmacht, brennende Mülltonnen.
Und immer wieder sterben vor allem Jugendliche in diesem Konflikt: Am 15.12. wurden der 20-jährige Selom Donato und der 18-jährige Mathis Bengabsia in Lille getötet, als sie zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen von einem Zug erfasst wurden. Wie einer der Überlebenden berichtet, der selbst schwer verletzt wurde, seien sie zuvor von der Polizei gejagt worden. In den folgenden Nächten brannte es im Stadtviertel von Lille, aus dem die Jugendlichen kamen.
In der vergangenen Woche belagerte die Polizei tagelang ein Viertel in der Stadt Viry Chatillon, etwa 20 Kilometer südlich von Paris. Zuvor hatte ein Polizeiauto einen Bewohner überfahren und schwer verletzt – mit voller Absicht und weil der Jugendliche sich einer Kontrolle entziehen wollte: So sagten Zeugen aus, deren Version von einem Video des Vorfalls gestützt wird.
Bereits Ende November hatte ein vergleichbarer Vorfall zu tagelangen Protesten in Asnières-sur-Seine, nördlich der Hauptstadt, geführt. Hier war ein 19-jähriger von einem Polizeiauto angefahren worden. Videos aus den folgenden Nächten zeigen brennende Haufen aus Müll und protestierende AnwohnerInnen auf den Straßen.
Immer wieder bemühen sich rechte Medien, den gesellschaftlichen Konflikt in Frankreichs Vorstädten dem militanten Islamismus zuzuschreiben – wie im Februar die deutschsprachige Internetpublikation „Epoch Times“ unter der Überschrift „Der Aufstand des radikalen Islam hat begonnen“. Dagegen sieht z.B. die „Bundeszentrale für politische Bildung“ Faktoren wie Arbeitslosigkeit und „städtische Verwahrlosung“ als Ursachen des Problems an und zitiert Expertenwarnungen vor einer „sozialen Segregation“. Die Auseinandersetzungen zwischen Vorstadtjugendlichen und Polizei erscheinen vor diesem Hintergrund als ein Klassenkonflikt.
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