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Freitag, März 29, 2024
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    Das Geschäft mit den Mieten

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    Teil 2: Wer am Geschäft mit Wohnraum verdient – Ein Kommentar von Thomas Stark

    Wer am anderen Ende des Klassengegensatzes steht

    Unternehmer und Grundeigentümer halten die ArbeiterInnenklasse gemeinsam im Würgegriff. Schauen wir uns an, in wessen Taschen der Arbeitslohn der Beschäftigten zwecks Wohnen fließt, finden wir zwar, dass noch gut acht von insgesamt 24 Millionen Mietwohnungen in Deutschland Privatpersonen gehören (Stand 2015, Link), von denen drei Viertel „bis zu 15 Wohnungen“ besitzen. Die Tendenz geht mit dem anhaltenden Immobilienboom aber zur Konzentration von Wohnraum bei Großanbietern und insbesondere börsennotierten Unternehmen. Die beiden größten sind heute Vonovia (vormals: „Deutsche Annington“), die seit der Fusion mit Gagfah im Jahr 2015 über 392.000 Wohnungen herrscht, und die „Deutsche Wohnen“ mit 154.000 Wohnungen. Beide haben ihre Wurzeln in der Privatisierung des gemeinnützigen Wohnungsbaus: Während Vonovia mit Eisenbahnerwohnungen des Bundes begann, übernahm „Deutsche Wohnen“ die ehemals städtische Berliner Gesellschaft GSW und die aus der gewerkschaftlichen Gruppe Neue Heimat hervorgegangene Baubecon (Link).

    Weil es nach Einschätzung des Manager-Magazins auf dem Wohnungsmarkt heute „nicht mehr viel zu privatisieren“ gibt, ist die Immobilienbranche heute der Schauplatz von Übernahmeschlachten: Ein erster Versuch von Vonovia, die „Deutsche Wohnen“ mit einer „feindlichen Übernahme“ zu schlucken, scheiterte Anfang 2016 an den eigenen Aktionären – eine Fortsetzung könnte jedoch folgen. Zurzeit übernimmt Vonovia die BUWOG AG mit 49.000 Wohnungen in Deutschland und Österreich.

    Zu den größten Anteilseignern von Vonovia und Deutsche Wohnen zählen unter anderem der amerikanische Vermögensverwaltungs-Gigant Blackrock und die Zentralbank von Norwegen. Diese legen ihr Geld nicht auf dem deutschen Immobilienmarkt an, weil sie um die schöne Wohnung von Lieschen Müller besorgt sind, sondern um in Zeiten niedriger Zinsen trotzdem möglichst hohe Gewinne zu erzielen.

    Um diese Gewinne zu steigern, arbeiten die Großvermieter mit harten Bandagen. Anfang 2017 kam der „Stern“ zu der Einschätzung, dass es bei Vonovia vor allem „dank satter Mieterhöhungen und unzufriedener Mitarbeiter“ gut laufe – mit üppigen Mieteinnahmen von 1,5 Milliarden Euro (Link).

    Aus der Sicht der MieterInnen stellt es sich so dar, dass Häuser z.B. entweder verfallen, weil die Eigentümer kein Geld hineinstecken. Oder sie werden gerade mit dem Ziel modernisiert, die Mieten in die Höhe zu treiben. Das gesellschaftliche Bedürfnis wird durch das kapitalistische Geschäft mit dem Wohnen so ins Absurde umgekehrt. Weitere Extrembeispiele sind Leerstände und Brachflächen in Städten mit hohem Wohnungsbedarf wie Leipzig, weil die Grundbesitzer auf weiter steigende Immobilienpreise spekulieren (Link). Oder aber das lukrative Anbieten leerstehenden Wohnraums als Ferienwohnungen z.B. auf Internetportalen wie Airbnb – wodurch sie dem Markt entzogen werden (Link). Beides treibt die Mieten für die ArbeiterInnenklasse weiter nach oben.

    Und die Politik?

    Ob durch Privatisierungen von Wohnraum, Subventionen oder Mietrechtsverschärfungen: Der Staat hilft Grundeigentümern auf vielfältige Art, sich den Arbeitslohn derjenigen anzueignen, die ohnehin nichts besitzen. Am Ende ist er es, der im Auftrag der Eigentümer mit Gerichten und Polizei zwangsvollstreckt, wenn ArbeiterInnen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können.

    Es wird erwartet, dass die 2015 von der Bundesregierung eingeführte Mietpreisbremse vor allem dazu führen wird, dass aufgrund bürokratischer Hürden langfristig zahlreiche Kleineigentümer vom Wohnungsmarkt gefegt werden – sodass Vonovia und Co. die Beute unter sich aufteilen können. (Link). Der Staat beschleunigt hier also die Tendenz zur Bildung großer Monopole auf dem Markt. Dass die Gesetzesänderung die Teuerung bei den Mieten zudem gar nicht aufgehalten hat, mussten Union und SPD unlängst einräumen.

    In Gestalt der „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ (BImA) tritt der Staat auch selbst als Vermieter von 37.000 Wohnungen in Erscheinung, der ebenso gewinnorientiert mit denselben Methoden handelt wie private Investoren – so deckte es kürzlich das ARD-Magazin Panorama auf (Link).

    Welche Macht hat die ArbeiterInnenklasse?

    Der Einzelne, der keinen Wohnraum besitzt, sieht sich im Kapitalismus der Macht der Eigentümer gegenüber. Drückt er seine Miete nicht ab, bekommt er die Kündigung. Zieht er nicht aus, folgt früher oder später die Zwangsräumung. Er ist machtlos.

    Gesellschaftlich betrachtet stellt sich die Lage jedoch anders dar: Immerhin sind es Millionen ArbeiterInnen und ihre Familien, welche in den Häusern und Wohnungen leben und sie damit „besetzt halten“. Es sind ihre Wohnungen, ihre Nachbarschaften, ihre Stadtviertel, in denen sie zu Hause sind, soziale Kontakte haben, Straßen und Plätze kennen usw. Die Grundeigentümer hingegen sind in aller Regel Fremde, die nur über Eigentumstitel verfügen. Sie verweisen auf diese Eigentumstitel, um sich den Lohn von Millionen ArbeiterInnen anzueignen. Ihre Macht über den Wohnraum können sie letztlich jedoch nur über die Gewalt des Staates gegen die BewohnerInnen durchsetzen.

    Brechen die ArbeiterInnen aus ihrer Vereinzelung aus und begreifen sie ihre Macht als BewohnerInnen, können sie dieser Gewalt jedoch etwas entgegensetzen und ihre Wohnungen und Viertel verteidigen. In den letzten Jahren hat es in Berlin und anderen deutschen Städten einen breiten und lauten Widerstand gegen Verdrängung und Zwangsräumungen (Link) gegeben. Auch aus anderen Ländern erreichen uns Berichte über Kämpfe von StadtbewohnerInnen, z.B. in einer aktuellen Labournet-TV-Dokumentation über Warschauer MieterInnen, die sich gegen hohe Heizkosten organisiert haben (Link). Es bilden sich Initiativen, die den Klassenkampf an den Arbeitsplätzen, in den Jobcentern, Universitäten, Schulen und Mietshäusern bewusst miteinander verknüpfen wollen (Link).

    Wohnen ist ein gesellschaftliches Bedürfnis, der Zugang zu Wohnraum eine Machtfrage. Anstatt sich von Unternehmern und Grundeigentümern durch niedrige Löhne und hohe Mieten die Luft abschnüren zu lassen, hat die Arbeiterklasse die Option, selbst Macht auszuüben und sich ihr Recht auf Wohnen zu nehmen. Die Ansätze von Kämpfen in verschiedenen Städten und Ländern gehen in diese Richtung.

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    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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