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Zeitung für Solidarität und Widerstand

„Es geht bei den Protesten schon lange nicht mehr um einzelne Reformen!“

Ein Interview mit der französischen Studentin Susanne M. über die Bewegung der „Gelbwesten und die Proteste der französischen SchülerInnen und Studierenden.

Seit Wochen halten die Proteste in Frankreich an. Und nicht nur die „Gelbwesten“ kämpfen auf der Straße um ihre Existenz. Auch die französischen SchülerInnen und Studierenden haben angefangen, gegen Macrons Bildungsreform und die kapitalistischen Verhältnisse in ihrem Land aufzustehen.

Seit über einer Woche gibt es ja nicht mehr nur die Proteste der Gelbwesten sondern auch der Studierenden und SchülerInnen. Wie kam es dazu?

Die Regierung kündigte an die Studiengebühren für nicht EU-Mitglieder zu erhöhen. Damit wollten sich viele Studierende nicht abfinden und so bildeten sich in den Universitäten und Schulen in fast ganz Frankreich Volksversammlungen. Es gab Absprachen unter den Schulen und man entschied sich zu Blockaden und Demonstrationen aufzurufen. Maßgeblich beteiligt ist daran die Gewerkschaft der SchülerInnen UNL.

Wie stehen die SchülerInnen und die Gelbwesten zueinander?

Einige Schulen solidarisieren sich mit den Gelbwesten, viele stehen ihnen jedoch auch kritisch gegenüber, da es unter ihnen je nach Region auch viele Faschisten gibt. Auf der Straße stehen sie jedoch in einigen Städten gemeinsam.

Tragen die SchülerInnen auch gelbe Westen oder haben ein anderes Erkennungszeichen?

Nein, die SchülerInnen tragen keine gelben Westen! Es gibt ein Zeichen der Solidarität unter den SchülerInnen, wo sich alle hinknien und die Faust heben. Als Zeichen der Solidarität mit misshandelten SchülerInnen und als Akt des Widerstands und des Kampfes gegen den französischen Staat.

Wie habt ihr den die Proteste am Samstag war genommen?

10.000de SchülerInnen versammelten sich am Platz Saint-Lazare und entschlossen sich zu einer spontanen Demonstration um die Gelbwesten zu unterstützen. Die Stimmung war gut und trotz großer Repression waren viele Menschen auf der Straße.

Was für Repressionen gab es und wie ist die Bilanz des Tages gewesen?

Die Polizei hat mehrfach versucht die Demonstration aufzulösen, war jedoch in der Unterzahl. Es gab bereits vor den Demonstrationen Festnahmen und gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es wurden Menschen mit Schutzgegenständen, grundlos festgenommen. Tränengas, Gummigeschosse, sowie Wasserwerfer kamen heute verstärkt zum Einsatz, gerade in den Regierungsvierteln. Insgesamt gab es über 1700 Festnahmen, 1200 Ingewahrsamnahmen und unzählige Verletzte und Schwerverletzte. All das geschah mit der Begründung damit es friedlich bleiben soll.

Wie bewertet ihr die Aktionen am vergangenen Samstag?

Es war ein großer Erfolg! Es waren mehr Menschen als zuvor auf den Straßen und auch die Zusammenarbeit zwischen den Schulen ist gestärkt worden. Nun wollen wir die verschiedenen Schulen besser Organisieren und die verschiedenen Proteste zusammen führen, dazu fordern wir auch die Gewerkschaften auf mitzumachen, die sich bis jetzt zurück gehalten haben.

Wie sieht die Perspektive aus und wie werden sich die Proteste deiner Meinung nach entwickeln?

Es geht bei den Protesten schon lange nicht mehr darum einzelne Reformen durchzusetzen! Gerade viele SchülerInnen und Studierende wollen eine Ende des Kapitalismus und versuchen für dieses Ziel die Proteste nun zu vereinigen und zu organisieren. Die Regierung allein zu Stürzen wird nichts ändern. Sie sind nur Marionetten!

Doch noch gibt es große Uneinigkeit über den Weg die Proteste zuführen und es fehlt an Einigkeit. Auch versuchen bürgerliche Kräfte die Proteste zudämpfen und Stimmung gegen diese zumachen. Auch aus dem Ausland wird versucht Druck auf die Proteste auszuüben.

Und jetzt in den Anfängen der Weihnachtszeit, fahren viele Franzosen in den Urlaub und oft nutzt die Regierung das um Reformen durchzudrücken und die Proteste damit zu ersticken.
Bereits jetzt hat Macron einige Forderungen erfüllt, wie die Senkung der Spritsteuer.
Doch viele wollen sich mit diesen Krümmeln nicht abfinden und sind entschlossen weiter zumachen. Daher ist es schwer zusagen ob die Proteste sich ausweiten oder aufhören. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Fest steht: Es wird keine Einigung mit Macron geben! Niemand will mit ihm Reden und die selbsternannten Führer der Proteste erkennt niemand an.

Die SchülerInnen werden bereits am Dienstag weiter machen und rufen zu erneuten Blockaden, Besetzungen und Demonstrationen auf. Auch die Gelbwesten wollen Samstag wieder auf die Straßen gehen.

Revolution oder Chaos? Links oder Rechts?

Was wäre nötig um die Proteste zum Erfolg, zum Sturz von Macron, zum Sturz des Systems zu führen?

Es sind zwar viele Menschen auf der Straße und fasst alle Unterstützen die Proteste, allerdings noch nicht genügen für einen Umsturz. Man bräuchte dafür die Mehrheit der Bevölkerung. Aber man muss betonen, dass die Mobilisierungen, vor allem wenn sie erfolgreich sind, ermöglichen, viele Leute zu politisieren, wie in den 70er Jahren, nach 1968. Viele radikalisieren sich auch, wenn sie Polizeigewalt und Repression erleben, weil sie die Rolle der Polizei als Repressionsapparat entdecken. Allerdings fehlt uns eine einheitliche Führung um dieses Potenzial zu nutzen.

Wie können wir euch aus Deutschland unterstützen?

Kommt nach Frankreich und geht mit uns auf die Straße! Informiert die Menschen in Deutschland über die Proteste und vor allem baut Druck auf eure Regierung aus.

Danke für das Interviewe! Hast du noch ein Schlusswort?

Es lebe die Freundschaft der Völker!

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