Monatliche Callcenter-Kolumne zum Überleben im Mobilfunkdschungel von Markus Schneider
Ich schätze, der Kapitalismus hieße nicht Kapitalismus, wenn mein neuer Arbeitgeber nicht auch die schmutzigsten Methoden anwenden würde, um noch ein paar Euro mehr aus seinen Kunden zu pressen. Eine besondere Rolle spielt dabei der Verkauf von Zusatzprodukten, über den ich heute schreiben möchte.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich es sehr lebhaft vor mir: Ein gestriegelter Nachwuchsmanager sitzt in einem Treffen auf der Chefetage und reibt sich die Nase. Auf einmal schnipst er begeistert und ruft: Ich hab‘s! Warum sollten wir eigentlich nur Handyverträge verkaufen?
So oder so ähnlich muss es gewesen sein. Auf jeden Fall machen besagte Zusatzoptionen heute offenbar einen beachtlichen Teil des Gesamtumsatzes aus. Da gibt es allerhand zu entdecken: Virenscanner von verschiedenen Firmen, Online-Videotheken wie Maxdome, Spotify-Verschnitte, Fitness-Apps, ja besonders heiß begehrt: ein Passwort-Manager für nur 2,99€ im Monat (Spaß beiseite!).
All das wird in meinem Unternehmen vor allem auf einem Weg vertrieben: mithilfe der Outbound-Abteilung. Das heißt, hier werden KundInnen aktiv angerufen, um ihnen derlei „Angebote“ zu unterbreiten. Der Job ist denkbar undankbar, wie sich jede/r, der/die schon mal einen solchen Anruf erlebt hat, vorstellen kann. Viele KundInnen sind sicher aus Selbstschutz dazu übergegangen, gleich kommentarlos aufzulegen.
Miese Masche für miese Produkte
Wie solche Gespräche ablaufen, kriege ich in meiner Abteilung nur ausschnittsweise mit, wenn ich im Zuge von Beschwerden, die ich zu bearbeiten habe, Tonaufnahmen anhöre. Diese sollen als Beweis dafür dienen, dass die KundInnen tatsächlich zugestimmt haben und werden auch nur gespeichert, wenn das aus Sicht des Anrufers gegeben ist.
Krass ist nur, mit welchen Methoden diese Zustimmung oftmals erwirkt wird. Ich habe mehrmals erlebt, dass ein Gespräch nach folgendem Schema ab lief: „Wir bieten Ihnen jetzt zu Ostern ganz exklusiv unsere neue E-Book-Flatrate an. Das bedeutet Lesevergnügen rund um die Uhr für Sie. Das Ganze ist natürlich im ersten Monat vollständig kostenlos für Sie und danach entscheiden natürlich Sie, ob Sie es weiter verwenden wollen.“
Der Kunde antwortet: „Nein danke, kein Interesse.“ Vielleicht wird dann ein anderes Produkt angeboten, das auch abgelehnt wird. Am Ende habe ich dann, sozusagen als letzter Versuch, schon mehrmals eine etwas andere Fragestellung erlebt: „Vielen Dank, dass sie mir das so offen und ehrlich sagen. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen das Ganze einfach einmal zuschicke und sie können dann selbst entscheiden?“. Teilweise sind KundInnen dann durch die veränderte Fragestellung irritiert und stimmen zu.
Die Option wird eingebucht, die Kunden erhalten eine SMS, die sie aber oft gar nicht anrühren und gehen davon aus, dass sie ja nichts gebucht haben können, wenn sie den in der SMS enthaltenen Link nicht öffnen. Tatsächlich aber gilt das Produkt als gebucht, ob es genutzt wird oder nicht und die böse Überraschung auf der Rechnung lässt nicht lange auf sich warten.
KundInnen verarscht und verärgert – Konzernkonto gefüllt
Theoretisch kann jeder Kundenbetreuer diese Zusatzoptionen anbieten und einbuchen, Theoretisch sollen wir das auch machen. Theoretisch würden wir dann sogar noch 1€ zusätzlich pro Zusatzprodukt verdienen. Praktisch macht das niemand, zumindest nicht in meiner Abteilung.
Diese Zusatzprodukte sind höchstwahrscheinlich für alle KundInnen, die schon mal damit zu tun hatten, ein enormes Reizthema – kann man verstehen. Es liegt nahe, dass jede/r, der/die den KundInnen noch einen Vertrag andrehen will, schon aus Eigeninteresse einen großen Bogen darum macht.
Wahrscheinlich machen es deswegen alle KollegInnen, die ich kenne, so wie ich: Sie verkaufen Zusatzprodukte nur, wenn explizit danach gefragt wird und das ist im letzten Jahr, zumindest bei mir, genau kein Mal passiert.
Andersherum habe ich aber auch erst ein oder zwei Mal erlebt, dass ein Kunde die Zusatzprodukte behalten will, wenn ich aktiv (natürlich auch gegen die explizite Arbeitsanweisung) anbiete, sie aus dem Vertrag zu löschen, um die monatlichen Kosten zu senken. Auch das sagt eigentlich nochmal alles, was man als KundIn zu diesem Kram wissen muss.
Eine enorme Zahl von KundInnen erklärt mir vollkommen enttäuscht und verärgert, ihren Vertrag zu kündigen, weil sie auf diese Weise ausgenommen wurden. Deswegen ist es für mich immer wieder verblüffend, dass an dieser offensichtlich betrügerischen Masche nichts geändert wird. Aber ich schätze, der Kapitalismus hieße nicht Kapitalismus, wenn man genau so was nicht auch ausrechnen würde. Es scheint sich zu lohnen – das ist das Traurige an der Sache.
Ein praktischer Tipp am Ende: Offenbar muss jeder Mobilfunkanbieter eine Werbeerlaubnis vom KundInnen erhalten haben, um die hier geschilderten Maschen anzuwenden. Selbst, wenn sie bei Vertragsabschluss erteilt wurde, kann man eine solche Werbeerlaubnis jederzeit entziehen und durch ein vollständiges Werbeverbot ersetzen.