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Donnerstag, April 25, 2024
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    Keine Gleichberechtigung bis 2030?

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    2015 hatten sich die Mitgliedsstaaten der UN insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung gesetzt. Eins davon ist die Gleichstellung der Geschlechter. Wie und ob sie dieses Ziele einhalten können, wurde jetzt durch einen Bericht untersucht. – Ein Kommentar von Tabea Carlo

    Der Bericht, herausgegeben von der NGO (Nicht-Regierungsorganisation) Equal Measures 2030, stellte gestern im kanadischen Vancouver seine Ergebnisse vor. Nach der Untersuchung der Verhältnisse in 129 Ländern stellte sich nicht ganz überraschend heraus, was aus den meisten UN-Resolutionen wird: Es ist rein gar nichts passiert.

    Im Bericht machte die NGO eine Sache klar: Keines der Länder wird bis 2030 seine Ziele erreichen. Macht aber nichts, die sind ohnehin ein Witz. Keine/r kann mir verkaufen, dass ein Papier, in dem „unbezahlte Pflege- und Hausarbeit anerkennen, wertschätzen und gerechter verteilen“ als Forderung steht, tatsächliche Gleichberechtigung erkämpfen möchte.

    Um das noch ein wenig klarer zu gestalten: ein weiterer Unterpunkt ist, „den Unterschied in den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten bis 2030 auf maximal 10 Prozent zu reduzieren“. Bei so etwas frage ich mich dann tatsächlich, ob jemandem da Vokabelwissen fehlt. Kurz zur Aufklärung: “gleich” bedeutet laut Duden, dass etwas in jedem Merkmal und jeder Hinsicht übereinstimmt. Das eben Genannte ist also alles mögliche, aber mit Gleichstellung hat es nichts zu tun.

    Für Frauenrechte kämpfen, ist das noch in?

    Ich kann jetzt einen ganzen Artikel daran verschwenden zu erklären, was genau diese Ziele noch so waren und warum mehr als klar war, dass sie nicht erreicht werden. Doch ich sehe mich gezwungen, eine ganz andere Frage zu stellen: Was genau wäre denn das Beste, was dabei herum kommen könnte?

    Das Beste, was die UN auf offizieller Ebene fordern könnten, wäre eine Gleichstellung der Geschlechter im Kapitalismus. Das würde allerdings beim fortbestehenden Widerspruch zwischen ArbeiterInnen und KapitalistInnen nur eines bedeuten: Gleiche Unterdrückung für alle. Doch selbst, wenn wir uns dieses wirklich nicht sehr goldige Ziel ansehen, bleibt die Fragen offen, warum sollten sie das? Warum sollten die UN, die im Endeffekt nur der lose Zusammenschluss der meisten Staaten innerhalb eines kapitalistischen Weltsystems sind, auf ein Mal die Befreiung der Frau im Sinn haben?

    Der Kapitalismus profitiert enorm von der Unterdrückung von Frauen und statt sie abzuschaffen hat er dieses Unterdrückungsverhältnis bei seiner Entstehung einfach übernommen und für sich angepasst. Dass Frauen unterdrückt werden, kommt ja auch nicht von irgendwoher, sondern ist vor tausenden Jahren gemeinsam mit dem Privateigentum entstanden und seitdem geistert diese Art von Unterdrückung in jedem System umher. Denn bis jetzt konnte jedes System seinen Nutzen daraus ziehen sie zu erhalten. Darüber könnte man jetzt stundenlang diskutieren, doch ich werde versuchen, ein paar ganz knappe Beispiele zu finden, die etwas anschaulicher verdeutlichen, was mit dieser Aussage gemeint ist. Beispiele, die vor allem klar machen sollen, warum VertreterInnen des kapitalistischen System niemals einstehen werden für die völlige Gleichberechtigung der Geschlechter.

    Wer beispielsweise hat in deiner Kindheit gekocht, geputzt oder war einkaufen. In der Regel wird das deine Mutter gewesen sein. Da Arbeit im Kapitalismus eine Ware ist, wird man im Beruf bezahlt. Nicht so aber für die kostenlose Reproduktionsarbeit, die meistens von Frauen geleistet wird. Das bedeutet, sie werden zusätzlich zur Lohnarbeit noch weiter ausgebeutet. Daraus darf man nicht den Fehlschluss ziehen, das Problem wäre behoben, wenn man Frauen einfach für ihre Arbeit bezahlte oder –  wie es die UN vorschlagen –  „wertschätzt“. Das würde nur manifestieren, dass Frauen diese Arbeit alleine tun.

    Reproduktionsarbeit muss eben anerkannt werden als Arbeit, die der Gesellschaft dient, und dann muss man sich wie bei allen anderen Jobs die Frage stellen, warum es legitim ist, dass die Personen, die sie leisten, ausgebeutet werden. Die Reproduktionsarbeit ist eine gesellschaftlich notwendige Arbeit und muss deshalb auch von der gesamten Gesellschaft getragen werden und eben nicht nur von den Frauen.

    Der Kampf der Frauen muss weiter gehen – weg mit dem § 219a!

    Weiterhin profitieren Unternehmen im Kapitalismus extrem von Sexismus. Regelmäßig werden alle vorstellbaren Dinge mit übersexualisierten Frauenkörpern beworben und Frauen wird klar gemacht, dass sie sich einem weiblichen Stereotyp anpassen müssen, um in dieser Welt bestehen zu können. Kurz, es lässt sich eine Menge Geld daraus schlagen, und innerhalb dieses Systems gewinnen die Wenigen, die sowieso vom System profitieren, mehr von der Beibehaltung des Unterdrückungsverhältnisses, als sie es von seiner Abschaffung würden. Die Unterdrückung von Frauen kann also nur beseitigt werden in einem System, in dem niemand mehr Nutzen aus ihr zieht.

    Das klingt jetzt leider alles ganz schön negativ, aber ich war noch nie ein Fan davon, einfach aufzugeben. Was also sollen wir tun, wenn wir nicht davon ausgehen können, dass die UN und ihre Resolutionen uns helfen werden?

    Erste Schritte sind ja bereits getan, wenn wir erkennen, dass uns das Stellvertretertum nicht helfen wird. Daraus lässt sich nur eine logische Konsequenz ziehen: Wir müssen uns selber helfen und das können wir auch. Indem wir uns organisieren, um jede Art von Gewalt gegen Frauen, jede Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen zu bekämpfen und das Problem an der Wurzel zu packen.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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