Die Gefangenen Gewerkschaft / Bundesweite Organisation GG/BO setzt sich für die (Arbeits-)Rechte von Gefangenen in deutschen Gefängnissen ein. Das scheint den Anstalten nicht zu passen – immer wieder sind aktive GewerkschafterInnen Schikanen ausgesetzt. In der JVA Rosdorf soll laut GG/BO nun ein schwer verletzter Gefangenengewerkschafter zur Arbeit gezwungen werden – ohne Rücksicht auf seine körperliche Verfassung oder Folgeschäden.
Die Solidaritätsgruppe der Gefangenengewerkschaft Nürnberg berichtet in einer Pressemitteilung von einer „schockierenden Nachricht“ aus der JVA Rosdorf.
Demnach habe sich im November 2018 ein gewerkschaftlich aktiver Gefangener schwer am Knie verletzt. Trotz eines externen fachärztlichen Gutachtens wurde er bis heute nicht behandelt. Dennoch soll der Gefangene trotz der anhaltenden Verletzung und Schmerzen wieder arbeiten gehen. Das habe der Anstaltsarzt der JVA Rosdorf verfügt.
Operation wird seit Monaten verwehrt
Seit über sieben Monaten leidet der Gefangene unter extremen Schmerzen. Er kann nur auf Krücken gehen und nimmt das verscheibungspflichtige Schmerzmittel Tilidin. Grund dafür ist die schwere Verletzung des Knies: Er hat einen umfänglichen Knorpelschaden, Mikrofrakturen (kleine Brüche) sowie Knochenabsplitterungen im Kniegelenk.
Eine Behandlung, die wohl auf eine Operation hinauslaufen würde, werde ihm laut GG/BO bis heute verwehrt, trotz der medizinischen Notwendigkeit. Dies sei auch von zwei Anstaltsärzten bestätigt und eine nachfolgende Reha-Maßnahme empfohlen worden. Entsprechende ärztlichen Atteste lägen vor.
Schikane von Gewerkschaftern?
Nun hat ein weiterer Anstaltsarzt verfügt, dass der Gefangene nur noch von ihm behandelt werden dürfe. Als sich der Inhaftierte in der Sprechstunde einfand, habe der Arzt fünf Zeugen hinzugezogen. Laut dem Kontakt der GG/BO begutachtete er weder das Knie noch sichtete er die Akte. Er habe anschließend im Beisein der Zeugen – unter Missachtung der ärztlichen Schweigepflicht – erklärt, dass der Gefangene nicht mehr krank geschrieben werde und zur Arbeit gehen müsse.
Nach § 38 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes unterliegen Gefangene der Arbeitspflicht. Eine Verweigerung der Arbeit wird mit Entzug von „Privilegien“ bestraft und kann in manchen Fällen bis zur Isolationshaft führen.
Besonders brisant: Der Mann ist nicht nur aktiver Gewerkschafter der GG/BO, sondern hat auch Ermittlungsverfahren gegen die JVA angestrengt. Erfahrungsgemäß dauern derartige Verfahren viel zu lange, als dass die Gefangenen ihre Rechte so durchsetzen könnten.
GG/BO protestiert gegen Repression
Die bundesweit organisierte Gefangenengewerkschaft sieht in dem Vorfall eine massive Verletzung der Gefangenenrechte. „Sollte sich der Gefangene tatsächlich zur Arbeit einfinden müssen, werden sich das Anti-Folter-Komitee wie auch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter mit dem Fall beschäftigen müssen“, so die Gefangenengewerkschaft.
Die Gefangenengewerkschaft spricht zudem davon, dass engagierte Gefangene in letzter Zeit überall in Deutschland besonderer Beobachtung und psychischem Druck durch die Anstalten und ihr Personal stehen.
So sei es in ganz Deutschland zu vermehrten Zellen-Razzien gegen Mitglieder der Gewerkschaft gekommen. In den letzten Monaten seien insbesondere die Gefangenen Andreas Bach (JVA Bützow), Hauke Burmeister (JVA Tegel), Sandra W. (JVA Chemnitz) und Manuel Matzke (JVA Zeithain) von Überwachung, häufigen Razzien, Disziplinarmaßnahmen, psychologischen Machtdemonstrationen bis hin zu Isolationshaft betroffen gewesen.
Als Strafe ins „Horrorhaus“
Gleichzeitig soll in verschiedenen Anstalten gezielt versucht werden, den Zusammenschluss von Gefangenen zu verhindern. Ein beliebtes Mittel dazu ist die Zwangsverlegung in eine andere Abteilung innerhalb einer Anstalt.
So berichtet die Gefangenengewerkschaft etwa von der Verlegung ihres Mitglieds Hauke Burmeister aus der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) in die Teilanstalt II (TA II) der JVA Tegel. Die Verlegung dient scheinbar als Bestrafung für den engagierten Gefangenen, gilt doch die TA II unter den Tegeler Gefangenen als das „Horror- und Abrisshaus“. „Wenn du im Knast Scheiße baust oder dich hier nicht so verhältst, wie es sich die Bediensteten wünschen, kommst du, als Bestrafung, in die TA II. Das ist einschlägig bekannt“, so ein Gefangener gegenüber der Gewerkschaft.
Ziele der Gefangenen-Gewerkschaft
Die Gefangenengewerkschaft setzt sich seit dem Jahr 2014 für die Rechte von Gefangenen ein. Im Mittelpunkt der Arbeit steht das Recht der Gefangenen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Dabei sind die Gewerkschaft und ihre Mitglieder massiven Versuchen des „Union Busting“ (Gewerkschaftsbehinderung) ausgesetzt.
Neben dem grundsätzlichen Recht auf gewerkschaftliche Organisierung kämpft die Gewerkschaft für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auch im Gefängnis. Damit sollen die „Sonderwirtschaftszone Knast“ aufgebrochen und aktuelle Tageslöhne von oftmals unter 10 € verboten werden. Außerdem setzt sich die Gewerkschaft für die volle Sozialversicherung der arbeitenden Gefangenen ein.