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Samstag, April 27, 2024
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    Woher kommt die Wirtschaftskrise?

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    Die Wirtschaftskrise entwickelt sich und hat längst auf Deutschland übergegriffen. Aber liegt sie wirklich an Donald Trumps aggressiver Handelspolitik und am Brexit, wie viele meinen – oder steckt nicht doch ein viel grundlegenderes Problem dahinter? – Ein Kommentar von Thomas Stark

    Die wirtschaftliche Lage ist nicht gut. Immer mehr deutsche Unternehmen geben Gewinnwarnungen ab oder kündigen einen massiven Stellenabbau an. Viele Betriebe, gerade aus der Autozulieferindustrie, mussten schon Insolvenz anmelden. Die Vorhersagen für die wirtschaftliche Entwicklung werden derweil laufend nach unten korrigiert. Und in der vergangenen Woche krachten wieder einmal die Aktienmärkte.

    Ist Trump an allem schuld?

    Es ist eine Wirtschaftskrise, die sich hier entwickelt. Fragt sich also, woher diese kommt. Eine gängige Erzählung in der Tagespresse sieht US-Präsident Trump und seine Handelspolitik als das Problem an: Die aggressive Zollpolitik der USA gegenüber China bremse dessen Wachstum und ziehe damit die gesamt Weltwirtschaft nach unten. Die Ausweitung des USA-China-Konflikts auf einen Währungskrieg könnte zudem die Finanzmärkte zusammenbrechen lassen und damit eine Weltwirtschaftskrise auslösen. Speziell für Deutschland wird außerdem der drohende „harte Brexit“ (der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ohne neues Abkommen) als Krisenrisiko genannt.

    In jeder dieser Aussagen steckt eine Teilwahrheit. Falsch werden sie jedoch alle, wenn die Entstehung der Wirtschaftskrise nur auf einen oder mehrere dieser „zufälligen“ Faktoren (Trump, Finanzmärkte, Brexit) zurückgeführt wird. Denn Wirtschaftskrisen sind in der Geschichte des Kapitalismus immer regelmäßig aufgetreten (zuletzt alle vier bis fünf Jahre) – und das bisher auch ganz ohne Trump.

    Überproduktionskrisen

    Wirtschaftskrisen entstehen im Kapitalismus regelmäßig als Überproduktionskrisen: Der Gewinn von Unternehmen basiert – grob gesprochen – darauf, dass ArbeiterInnen an jedem Arbeitstag mehr Wert produzieren, als sie an Lohn erhalten. Das Ziel von Unternehmen ist es, möglichst viel von diesem Mehrwert produzieren zu lassen und einzustreichen, und zwar mehr als ihre Konkurrenten.

    Alle Unternehmen streben deshalb im Grundsatz danach, ihre Produktion von Waren möglichst auszudehnen. Das führt dazu, dass die Produktion im Kapitalismus immer schneller wächst als die zahlungsfähige Nachfrage – denn wie sollen die ArbeiterInnen auch all die Waren kaufen, die sie produzieren, wenn diese einen viel größeren Wert darstellen als ihr Arbeitslohn? Die Krise ist der Moment, in dem dieser Widerspruch alle paar Jahre hervorbricht. Es werden massenhaft Waren und Kapital vernichtet. Die schwächeren Unternehmen gehen pleite.

    Die ArbeiterInnen zahlen die Krise mit Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, höheren Verbrauchersteuern und vielem mehr. Und mit jeder Krise geht der Zyklus von vorne los. Die Dauer des Krisenzyklus hängt wiederum vom Niveau der technischen Entwicklung ab und hat sich seit dem Beginn des Kapitalismus deutlich verkürzt.

    Wie stark wird der deutsche Staat der Wirtschaft unter die Arme greifen?

    Finanzmärkte und Regierungen

    Wichtig ist: Das Kreditwesen und die Finanzmärkte führen dazu, dass das Problem der Überproduktion hinausgezögert und letztlich verschärft wird. Vereinfacht gesagt: Die Unternehmen können ihre Waren weiter auf Pump verkaufen, wenn die Märkte eigentlich schon längst heiß gelaufen sind. Das geht so lange gut, bis die Überproduktion so offensichtlich geworden ist, dass die Kreditvergabe zusammenbricht. Die Krise wird deshalb in aller Regel zuerst auf den Finanzmärkten sichtbar. Das bedeutet aber nicht, dass die Banken oder die Börsen die Krise in der Realwirtschaft auslösen – es ist genau umgekehrt.

    Ähnlich verhält es sich mit der Wirtschaftspolitik von Staaten. Die USA versuchen vor dem Hintergrund der aktuellen Überproduktionskrise, ihren wichtigsten Konkurrenten China wirtschaftlich anzugreifen und damit langfristig zu schwächen. Sie nehmen dabei in Kauf, dass sie hierdurch die Wirkungen der Überproduktionskrise verschärfen, und setzen darauf, dass sie diese besser verkraften können als die Konkurrenz. Sie lösen die Krise aber nicht aus.

    Die Story, dass es Zufälligkeiten wie die gierigen Banker oder ein vermeintlich verrückter US-Präsident sind, die Wirtschaftskrisen auslösen, lenkt den Blick also vom wesentlichen ab: Das Problem der regelmäßigen Krisen ist tief in der kapitalistischen Produktionsweise verwurzelt – und im Kapitalismus nicht zu lösen.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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