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Freitag, April 19, 2024
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    US-Senat stimmt für Xinjiang-Embargo – das wird den Uiguren nicht helfen

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    Am Mittwoch stimmte der US-Senat für ein Einfuhr-Verbot sämtlicher Waren aus dem autonomen Uigurengebiet Xinjiang. Damit verschärft die Supermacht einerseits ihre Offensive gegen den großen Rivalen China. Andererseits schadet sie damit der Bevölkerung Xinjiangs, besonders den Uiguren. – Ein Kommentar von Pa Shan.

    Vergangenen Mittwoch stimmte der US-Senat einstimmig für den Boykott sämtlicher Waren aus Xinjiang. Der Vorstoß stellt eine weitere Eskalation bestehender Einfuhrverbote chinesischer Waren (z.B. Tomaten und Baumwolle) dar. Das sogenannte “Gesetz zur Prävention von uigurischer Zwangsarbeit” war von Marco Rubio, einem Republikaner, und Jeff Merkley, einem Demokraten, im Januar gemeinsam eingebracht worden.

    Die verlogene Perspektive des US-Senats

    Merkley erklärte am Mittwoch: “Heute sendet der Senat die klare Botschaft aus, dass die Vereinigten Staaten sich nicht mitschuldig machen werden am Genozid der chinesischen Regierung gegen die uigurischen Muslime.”

    Weiterhin erklärte der demokratische Senator: “Uiguren und andere mehrheitlich muslimische ethnische Minderheiten in Xinjiang werden von der chinesischen Regierung zu Arbeit gezwungen, gefoltert, inhaftiert, zwangsweise sterilisiert und dazu gedrängt, ihre religiösen und kulturellen Praktiken aufzugeben. Kein amerikanisches Unternehmen sollte von diesen Missbräuchen profitieren. Kein amerikanischer Verbraucher sollte versehentlich Produkte aus Sklavenarbeit erwerben.”

    Bereits im November 2018 hatten Rubio und der demokratische Senator Bob Menendez das “Gesetz über die Menschenrechte von Uiguren” in den Senat eingebracht. Schon damals unterstellten sie, dass über eine Million Uiguren gleichzeitig inhaftiert seien, lieferten jedoch bis jetzt keine Beweise.

    Dass ein Großteil der US-Senatoren die Perspektive von Rubio, Merkley oder Menendez teilt, darf nicht verwundern. Allerdings ist bemerkenswert, dass auch der “linke” Senator Bernie Sanders den neuesten Vorstoß unterstützte, stellt er sich  doch im Allgemeinen als ein Gegner US-amerikanischer imperialistischer Machtpolitik dar.

    Wie sollten wir uns zur Uigurenfrage in China verhalten?

    Die Senatoren begründen ihren Gesetzesvorstoß mit ihrer Sorge um die Menschenrechtslage in Xinjiang. Der vorgesehene Warenboykott soll demzufolge die Menschenrechte verteidigen. Kann das stimmen? Natürlich dienen staatlich auferlegte Warenboykotte nur in den seltensten Fällen den Menschenrechten bzw. der boykottierten Bevölkerung. In den meisten Fällen verletzen sie sogar die Interessen und Rechte der boykottierten Bevölkerung auf eklatante Weise. Nehmen wir drei Beispiele: Kuba, Nordkorea und Iran.

    Kuba: Sechs Jahrzehnte lang Wirtschaftsblockade

    Das sechs Jahrzehnte andauernde US-Embargo gegen Kuba hat die Menschenrechtslage auf der kleinen Insel keineswegs verbessert. 1960 begann es mit einem Einfuhrverbot von kubanischem Zucker. 1962 wurde es auf sämtliche Waren aus Kuba ausgeweitet. Nur die Unterstützung aus dem sozialistischen Lager unter Führung der Sowjetunion verhinderte eine tiefere Krise auf der Insel.

    Aber mit dem Ende des Kalten Krieges änderte sich das: “Stromausfälle häufen sich, Fabriken schließen, Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung. Die kubanische Wirtschaft schrumpft zwischen 1989 und 1992 um die Hälfte.”  1992 verabschiedete der US-Kongress den sogenannten “Cuban Democracy Act”, um Kuba den Rest zu geben: Auch US-Firmen in Drittländern durften seither nicht mehr mit Kuba handeln, und Hilfsmittel an Drittstaaten konnten gestrichen werden, falls diese mit Kuba kooperierten. Außerdem wurden Flüge nach Kuba extrem begrenzt.

    Seit 1992 drängt Kuba jährlich auf UN-Vollversammlungen auf eine Beendigung des Embargos. Die USA drohten Verbündeten Kubas über verschiedene Kanäle mit Vergeltung, aber immer mehr Staaten stellten sich auf Kubas Seite. Mittlerweile stimmen 191 der 193 UN-Mitgliedsstaaten für Kubas Resolution. Nur die USA und Israel sind für ein weiter fortgeführtes Embargo.

    2015 strich US-Präsident Obama Kuba von der Terrorliste, aber Trump setzte den missliebigen Staat schnell wieder auf die Liste. Das Embargo diente den Kubanern keineswegs, sondern hat sie künstlich arm gehalten und ist eine Ursache für die aktuellen Proteste der Bevölkerung gegen die Regierung. Mittlerweile sind sogar Zigaretten eine Mangelware auf der Insel. “Einige Regierungsgegner schreiben im Netz von Genozid und Faschismus und sammeln Unterschriften für eine Militärinvasion der USA.” Damit ging die Embargo-Strategie der USA durchaus auf: Das Embargo schadete der Bevölkerung wie dem Staat über Jahrzehnte und gefährdet nun die soziale Stabilität.

    Nordkorea: Hungertod als geopolitische Strafe

    Auch die Demokratische Volksrepublik Korea im Norden der koreanischen Halbinsel wurde aufgrund von Strafmaßnahmen durch das Ausland mehrfach ausgeblutet. 1988-2008 wurde der Staat von den USA als Terrorstaat aufgeführt. 2017 setzte Präsident Trump ihn wieder auf die Liste.

    Die Isolierung des Landes durch die USA war der ausschlaggebende Faktor für die Hungersnot 1995-1998. Damals war die Bestrafungsstrategie der USA und Südkoreas der Hauptgrund für den massenhaften Hungertod. Das Argument war einfach: “Je mehr das Volk an Hunger leiden wird, desto schneller werden Unruhen ausbrechen, eine Revolution ausbrechen, das Regime zerfallen und Korea unter dem Banner des Südens vereint werden.” Entsprechend blieben die lebenswichtigen Hilfen aus, und es sollen bis zu 3 Millionen Menschen verhungert sein.

    Seit Nordkorea sich 2003 von dem Atomwaffensperrvertrag gelöst hat, kommt es immer wieder zu Sanktionen gegen Nordkorea, die letztlich die Bevölkerung treffen und weniger die Eliten. Im Fall Nordkoreas haben sich die meisten UN-Mitglieder jedoch nie auf die Seite Nordkoreas geschlagen. Vielmehr wird die Liste der Sanktionen gegen den Staat immer länger. So wurde der Import nordkoreanischer Textilien ebenso verboten wie der Mineralölexport an den Staat.

    Die aktuell drohende Hungersnot kann auf drei Ursachen zurückgeführt werden: Erstens auf die Isolation und Bestrafung des Staates durch die UN, zweitens auf die Schließung der Grenzen während der Pandemie und drittens auf die schlechte Ernte dieses Jahres. Wie in den 90ern ist auch dieses Mal die Isolierung durch das Ausland entscheidend.

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    Iran: Vier Jahrzehnte lang Sanktionen

    Seit der “Islamischen Revolution” im Iran 1979 sanktionierten die USA das Land immer wieder. 1984 wurde es auf die US-Terrorliste gesetzt und offiziell von Waffenlieferungen und Hilfen ausgeschlossen. Seit 2006 schlossen sich die Vereinten Nationen den amerikanischen Maßnahmen an. Diese trafen auch im Falle des Irans die Bevölkerung weitaus härter als die Eliten des Landes.

    Zwar wurden bis Ende 2013 ganze 100 Milliarden US-Dollar von den iranischen Superreichen eingefroren, aber von ihnen dürfte niemand an Hunger oder fehlender medizinischer Versorgung verstorben sein. Ganz im Gegensatz zur einfachen Bevölkerung: „Die iranische Bevölkerung trägt die ganze Last des amerikanischen Sanktionsregimes. Und sie wird diejenigen, die für das Leid verantwortlich sind, nicht vergesssen“, erklärte zuletzt Sarah Whitson von der Menschenrechtsorganisation “Human Rights Watch”.

    Weiterhin erklärt die Organisation: “Die Wirtschaftssanktionen verursachen trotz der humanitären Ausnahmen unnötiges Leid bei Iranern, die unter unterschiedlichen Krankheiten und Beeinträchtigungen leiden. Am stärksten betroffen sind Iraner mit seltenen Krankheiten, die besonderer Behandlung bedürfen und ihre bisherigen Medikamente und Versorgung nun nicht mehr erhalten.”

    Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist von 8.000 US-Dollar im Jahr 2012 auf weniger als 5.500 US-Dollar im Jahr 2018 gefallen. Die Preissteigerung des Rial zwischen 2006 und 2020 beträgt über 1.000 Prozent. Die Preissteigerung für Konsumgüter zwischen 2018 und 2019 betrug 40 Prozent. Die Preise, die Verbraucher:innen für Nahrungsmittel und Getränke zahlen mussten, stiegen sogar um 61 Prozent.

    Das Land befindet sich in einer schweren Krise. “Nach Ansicht der Teilnehmer, die die deutschen Auslandshandelskammern für den aktuellen ‘World Business Outlook’ befragt haben, sind die Perspektiven in keinem anderen Land so mies wie im Iran”, erklärt Gerd Mischler in der Produktion, einer führenden Zeitung für die deutsche Industrie.

    Dieser Wirkung der Sanktionen ist sich auch die herrschende Klasse in den USA bewusst. So erklärte US-Außenminister Mike Pompeo im Jahr 2019 gegenüber CBS News: „Die Lage der Menschen im Iran hat sich [angesichts der US-Sanktionen] deutlich verschlechtert. Wir sind überzeugt, dass die Menschen aufstehen und das Verhalten des Regimes ändern werden.“

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    Das Xinjiang-Embargo dient nicht den Menschenrechten

    Es sollte nun verständlich geworden sein, dass ein Embargo gegen Waren aus Xinjiang nicht den Menschenrechten von Uiguren, Kasachen und anderen Ethnien in China dient. Die geplanten Einfuhrverbote dienen der Destabilisierung Chinas und die Aufstachelung der betroffenen Bevölkerung gegen die chinesische Regierung – ganz genau so, wie es bei den Wirtschaftsblockaden und Sanktionen gegen Kuba, Nordkorea und den Iran war und ist.

    Und die USA sind – wie immer – bereit, dafür über Leichen zu gehen. Der Unterschied ist jedoch, dass Kuba, Nordkorea und Iran vergleichsweise kleine Mächte sind. China ist selbst eine Supermacht. Ein aggressives Sanktionsregime der USA gegen China kann in einen heißen Konflikt münden, dessen Ausmaße sich niemand vorstellen will.

    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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