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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Corona-Diskussionen an Weihnachten – 4 linke Argumente gegen pro-kapitalistische Politik

Auch an diesem Weihnachten werden unter dem Tannenbaum die verschiedensten Corona-Positionen die Runde machen: für Onkel Walter ist das doch „nur eine Grippe“, während Papa Rudolf fordert, dass man „endlich die Impfpflicht einführt“ um Corona „wegzuboostern“. Für Tante Anneliese hilft „nur der Lockdown“. Doch was kann man als links orientierter Mensch in der Corona-Debatte beitragen? – Tim Losowski stellt vier Argumente vor.

Auch in diesem Jahr können wir uns alle auf Corona-Debatten unter dem Weihnachtsbaum gefasst machen. Verständlich, denn jeder unserer Lebensbereiche ist von der Pandemie betroffen. Leider scheint es in der öffentlichen Debatte (und damit auch beim Weihnachtsessen) im wesentlichen nur zwei Positionen zu geben:

  • zum einen diejenige der Regierung, die versucht, mit sich ständig ändernden und widersprüchlichen Maßnahmen das Virus irgendwie in Schach zu halten um eine arbeitsfähige Bevölkerung zu erhalten.
  • Und auf der anderen Seite die faschistische Linie, welche die Gefahr des Virus leugnet und damit sich offen gegen die Gesundheitsinteressen der Bevölkerung stellt.

Letztlich ist der Kern beider Positionen der Gleiche: es geht darum die kapitalistische Wirtschaft am laufen zu halten um die Profite weiter sprudeln zu lassen. Nur in der Strategie unterscheiden sie sich: schränken wir die Grundrechte und die Freizeitgestaltung der Arbeiter:innen (und damit auch einige gesamtwirtschaftlich wenig bedeutende Bereiche wie Gastro & Kulturbereich ein) oder eben gar nichts und nehmen dafür hunderttausende Tote in Kauf.

Beide Positionen sollten von Links nicht vertreten werden. Zu den aktuellen Fragen können wir andere Argumente ins Feld führen. Vier Vorschläge:

1. Omikron zeigt: Wer die Pandemie verlangsamen und beenden will muss die Impfstoff-Patente freigeben

Am Mittwoch erklärte Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO): „Kein Land kann sich den Weg raus aus der Pandemie Boostern“. Pauschale Auffrischungsprogramme würden „die Pandemie wahrscheinlich eher verlängern als beenden, da sie den Nachschub in Länder umleiten, die bereits eine hohe Durchimpfungsrate haben, was dem Virus mehr Gelegenheit gibt, sich auszubreiten und zu mutieren“, so der WHO-Direktor.

Nur etwas mehr als 7 Prozent der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen haben bisher eine Dosis des Impfstoffs erhalten, verglichen mit über 75 Prozent in Ländern mit hohem Einkommen.

Der Grund dafür ist klar: arme Staaten können sich die überteuerten Impfstoffe einfach nicht leisten. Die Patente auf den Bau des Serums sind Geschäftsgeheimnisse mit denen Unternehmen wie Biontech/Pfizer oder Morderna Riesenprofite machen. Auch die aktuelle Bundesregierung – darunter Gesundheitsminister Lauterbach – hat sich gegen eine Freigabe der Impfpatente ausgesprochen.

Große Pharma-Koalition stimmt gegen Aufhebung von Impfstoffpatenten – auch Lauterbach

Eine Freigabe würde nicht nur die Möglichkeit geben, diesen kostengünstig in verschiedenen Teilen der Welt zu produzieren. Es würde auch viel mehr Forschern ermöglichen, an einem sogenannten multivalenten Impfstoff zu arbeiten, der nicht nur gegen eine sondern auch gegen verschiedene Mutationen des Virus schützen würde. Ebenso könnte die Forschung an Impfstoffen, die auch eine Übertragung von Geimpften die sich infizieren verringern. Wer will dass die Pandemie zu Ende geht, muss deshalb die Beschlagnahme und Veröffentlichung der Impfpatente fordern.

2. Impfen ja, aber ohne Repression

In der öffentlichen Debatte wird von verschiedenen Seiten nun eine „allgemeine Impfpflicht“ als Weg raus aus der Pandemie angepriesen – in der aktuellen Lage sei man wegen der ganzen Ungeimpften. Gemeint sind dann eigentlich ausschließlich diejenigen in Deutschland.

Doch wie oben beschrieben, ist das hauptsächliche Problem die fehlende Impfmöglichkeit für einen Großteil der Weltbevölkerung! Die auch deshalb entstandene Omikron-Variante führt die Debatte um die allgemeine Impfpflicht ad Absurdum: nach Meinung des Corona-Expertenrats der Bundesregierung hilft selbst eine Dreifachimpfung nicht gegen Infektionen oder die Weitergabe der Omikron-Variante sondern vor allem gegen schwere Verläufe.

Klar macht es  trotzdem noch immer Sinn macht, sich impfen zu lassen. Doch ein Blick nach Großbritannien, wo es derzeit über 100.000 Neuinfektionen pro Tag gibt, zeigt wie Absurd eine allgemeine Impfpflicht ist, ohne Impfstoff der multivalent ist – von anderen politischen Fragen mal ganz abgesehen. Impfkampagne und Aufklärung ja, aber ohne Repression!

3. Wenn Lockdown, dann für die Monopole und nicht für die Grundrechte

Ab dem 28.12 gibt es einen Teil-Lockdown – doch es ist recht wahrscheinlich, dass im Januar noch härtere Maßnahmen kommen. Dafür reicht ein Blick auf andere Länder um die Infektionsentwicklung auch für Deutschland abzuschätzen.

Doch auch der kommende Lockdown wird wahrscheinlich völlig an den eigentlich notwendigen Gesundheitsschutzmaßnahmen vorbeigehen und stattdessen an falschen Stellen ansetzen. Free picture (Bild für Profilbild. Weihnachtsbaum.) from

So gab es bis heute noch nie von oben angeordnete Betriebsschließungen von Großbetrieben oder Großraumbüros während dieser Pandemie. Dabei findet ein Großteil der Kontakte vieler Menschen (die ja täglich 8 Stunden arbeiten gehen) eben dort statt. Eigentlich sollte kein Mensch sterben, weil VW unbedingt weiter Autos produzieren will! Doch mit einem Lockdown für alle nicht-lebensnotwendigen Betriebe bei voller (!) Lohnfortzahlung ist weiterhin nicht zu rechnen.

Hinzukommt, dass auch eine Einschränkung unserer Grundrechte wieder wahrscheinlich wird. In Sachsen wurden beispielsweise in der aktuellen Corona-Situation öffentliche Demonstrationen auf 30 oder auch 10 Personen beschränkt. Dabei ist bekannt, dass im freien die Ansteckungsgefahr viel geringer ist als in Innenräumen, das dürfte sich auch mit Omikron so bleiben.

Statt eines Grund- und Freizeitlockdowns sollte unsere Forderung sein, dass es einen Lockdown für die großen Monopole gibt.

Kurs auf den nächsten Freizeitlockdown

4. Der Kapitalismus ist nicht in der Lage die Pandemie zu bekämpfen, wir brauchen deshalb den Sozialismus

Auch unterm Weihnachtsbaum werden wir keine konsequente Pandemiepolitik unter kapitalistischen Verhältnissen entwickeln können – und wir sollten es auch gar nicht versuchen, da es nicht möglich ist. Natürlich müssen wir klare Forderungen auch für aktuelle Diskussionen entwickeln, doch eigentlich muss die Perspektive klar gemacht werden: nur ein Systemwechsel wird uns helfen diese und vor allem zukünftige Pandemien in den Griff zu bekommen!

Nur in einer sozialistischen Gesellschaft werden Impfstoffpatente nicht dem Profit weniger Aktionäre dienen, sondern können frei unter Wissenschaftler:innen diskutiert und verbessert werden.

Nur ein rätedemokratischer sozialistischer Staat wäre seinem ganzen Wesen nach nicht wie der kapitalistischer Staat ein Fremdkörper. Gerade weil er sich aus den in Räten organisierten Arbeiter:innen zusammensetzt, könnte er auf das Vertrauen der Bevölkerung zählen und so auf ganz andere Art Mythen Informationskampagnen entgegen zustellen um für eine Impfung zu überzeugen.

Eine sozialistische Gesellschaft, die nach den Bedürfnissen der Gesellschaften produziert hat ganz andere Voraussetzung für die effiziente Bekämpfung der Pandemie: nicht nur könnte Impfstoff oder Masken massenhaft produziert werden, sondern auch ein umfassendes Gesundheitssystem geschaffen werden, in welchen die Pflegenden und Ärzte nicht ausgepresst werden. Zudem gäbe es dort ganz andere Möglichkeiten die Wirtschaft des Landes auf ein absolutes Minimum herunterzufahren, um die Verbreitung einer Seuche im Keim zu ersticken.

Das sollte also unsere Perspektive für die Überwindung der Pandemie und der weiteren Grausamkeiten des Kapitalismus sein.

In diesem Sinne wünsche ich allen Leser:innen von Perspektive diskussionsfreudige Tage und freue mich auf Rückmeldungen zu den Weihnachtsdiskussionen mit einer Mail an tim-losowski@perspektive-online.net.

Tim Losowsky
Tim Losowsky
Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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