Die Kriegsgefahr in Europa bleibt und spitzt sich weiter zu: US-Präsident Joe Biden hat alle US-Amerikaner aufgefordert, die Ukraine zu verlassen, während Russland weitere Truppen zusammenzieht und mit Militärmanövern beginnt. Deutschland und Frankreich versuchen ausgehend von ihren eigenen Interessen zu vermitteln, während sich China offen auf die russische Seite schlägt.
„Jetzt“ – das ist der Zeitpunkt, an dem nach Auffassung von US-Präsident Joe Biden alle Amerikaner:innen die Ukraine verlassen sollen. Das erklärte der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in einem Fernsehinterview. Zudem bekräftigte er, keine amerikanische Soldat:innen in die Ukraine zu schicken, um festsitzende Amerikaner:innen zu evakuieren oder gar gegen Russland zu kämpfen. Dies würde „einen Weltkrieg“ auslösen.
Zugleich ließ Biden erneut offen, worin genau nun die „rote Linie“ für die USA bestünden. So hoffe er, dass, wenn Wladimir Putin „so töricht“ sei, in die Ukraine „einzumarschieren“, der russische Präsident „klug genug ist, nichts zu tun, was sich negativ auf amerikanische Bürger auswirkt.“ Bereits vor etwa drei Wochen hatte Biden angedeutet, dass es einen Unterschied mache, ob Russland nur „geringfügig“ in die Ukraine eindringen würde oder weiter geht.
Militärübungen an allen Fronten
Derweil hat die russische Armee am Donnerstag den aktiven Teil ihrer Militärübung zur Abwehr einer „äußeren Aggression“ mit den belarussischen Streitkräften begonnen, an dem nach russischen Angaben rund 13.000 Soldaten teilnehmen. Sie soll bis zum 20. Februar dauern. Zeitgleich findet eine Übung von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer statt.
Hinzu kommen rund 125.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze – hier waren in den vergangenen Wochen weitere Kräfte hinzugekommen. Damit laufen militärische Aktionen in allen Einflusssphären der russischen Großmacht, die an die Ukraine angrenzen.
Unterstützung erhielt Russland derweil von China. Zum Beginn der olympischen Spiele in Peking verabredeten die beiden Länder ein Bündnis „ohne Grenzen“.
Frankreich offen für „finnisches Modell“
Während die zentralen Mächte USA und Russland sich derzeit frontal gegenüberstehen, versucht die EU, ihre eigenen Interessen auf diplomatischem Wege durchzusetzen. Nach einem Gespräch mit Wladimir Putin erklärte der französische Präsident Macron: „Wir befinden uns in einer extrem angespannten Situation, einem Grad der Weißglut, den Europa in den letzten Jahrzehnten selten erlebt hat“.
Um diese Situation zu entschärfen, brachte der französische Präsident für die Ukraine das „finnische Modell“ ins Spiel. Dies würde bedeuten, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten würde und zugleich eine „neutrale“ Pufferzone darstellen würde – um die dann faktisch mit anderen Mitteln gekämpft würde.
Deutschland bleibt beim Doppelspiel
Die deutsche Großmacht hält derweil an ihrer Linie, den Krieg mit Russland derzeit zu verhindern und zugleich die NATO-Partner nicht zu brüskieren, fest. So wich der deutsche Bundeskanzler bei einem Besuch beim US-Präsidenten der Frage nach einem Ende der Gaspipeline „Nord Stream 2“ im Fall einer russischen Invasion erneut aus.
Hintergrund ist die Interessenlage des deutschen Großkapitals: dieses sieht Russland und die anderen osteuropäischen Staaten als ökonomische Einflusszonen, die es mit wirtschaftlicher Durchdringung unter Kontrolle halten will. Zugleich ist Russland wichtiger Rohstofflieferant, vor allem von Erdgas. Da außerdem das deutsche Militär noch verhältnismäßig schwach aufgestellt ist, drängt die deutsche Wirtschaft auf eine diplomatische Lösung.
Der „Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft“ wirbt in einer Erklärung seines Vorstandsvorsitzenden Oliver Hermes für „Helsinki 2.0 statt Kriegsgeschrei“. Der Titel bezieht sich auf die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“, die zwischen 1973 und 1975 in der finnischen Hauptstadt stattgefunden hat. Auch das deutsche Kapital sieht also Potenzial in einer „finnischen Lösung“.
Ukraine-Krise: Deutsches Kapital sorgt sich um Russland-Geschäft