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Freitag, April 26, 2024
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    Die (Bankrott-)Erklärung des DGB zum Antikriegstag

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    Anlässlich des 1. Septembers hat der DGB eine Erklärung mit dem Titel “Für den Frieden!” veröffentlicht. Wer sich davon jedoch eine klare Abgrenzung von der momentanen deutschen Außenpolitik erhofft, die auf eine weitere Eskalation des Ukraine-Kriegs hinausläuft, wird enttäuscht. – Ein Kommentar von Philipp Nazarenko

    Der sog. „Deutsche Gewerkschaftsbund“, der vom deutschen Staat anerkannte Dachverband einiger der größten Gewerkschaften in der BRD, z.B. Ver.di oder IG Metall, war lange Zeit ein einflussreicher Akteur in der bundesdeutschen Friedensbewegung.

    So steht der Aufruf zum internationalen Antikriegstag in einer langen Tradition, wenngleich die aktive Beteiligung an diesen Aktionen seit Jahren rückläufig ist. Zu konkreten Aktionen am 1. September ruft der DGB  dieses Jahr gleich gar nicht erst auf.

    Der DGB und seine Gewerkschaften stehen vielerorts in der Kritik, sich eher als Partner der Konzerne und der Chefs zu verstehen , denn als Kampforganisationen der Arbeiter:innen. Auch grundlegende Kritik am bürgerlichen Staat liegt dem DGB fern, man sehe sich auch hier eher in einer Partnerschaft.

    Genau in diesem Stil ist auch die zentrale Erklärung zum 1. September gehalten: Der Gewerkschaftsverbund versucht sich als fortschrittliche Kraft zu inszenieren, die „vor einer weiteren Militarisierung der Debatte“ warnen will.

    An einem klaren Verständnis dafür, warum es in diesem System immer wieder zu Kriegen kommt, fehlt es aber ebenso, wie sich echte Kritik an den massiven Aufrüstungsdynamiken vermissen lässt.
    Am stärksten klafft aber wohl die Lücke an der Stelle, wo der DGB eigentlich darauf eingehen müsste, wie sich der (Wirtschafts-)Krieg mit Russland auf den Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse in diesem Land auswirkt und was er dagegen zu tun gedenkt.

    Konsequente Kritik an den Aufrüstungsbemühungen? Fehlanzeige!

    In seinem Aufruf spricht der DGB von „Nie wieder Krieg!“, und der Kampf für den Frieden sei schon seit jeher die Grundüberzeugung des Verbunds. Doch wenige Sätze später scheint dies schon wieder vergessen, wenn die Bundesregierung praktisch dafür gelobt wird, „die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit unseres Landes im Rahmen der NATO und der EU zu stärken “.

    Der DGB spricht sich „gegen einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf “ aus, doch warum fehlt es dann an kritischen Worten zum milliardenschweren „Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr“?

    Der DGB verneint dann auch selbst den Irrglauben, „Friede ließe sich mit Waffen schaffen“, doch was sollen die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sonst sein? Was sollen die schweren Waffen für die Ukraine – ob nun direkt geliefert oder über den „Ringtausch“ – sonst sein?

    Der DGB versucht hier sein pazifistisches Antlitz zu wahren, denn der Unwille gegen den Krieg sitzt vielen Arbeiter:innen in Deutschland tief in Gliedern. Doch gleichzeitig sieht man sich in seinen Chefetagen offenbar gezwungen, die deutsche Aufrüstungs- und Eskalationspolitik mitzutragen.

    Kampf gegen die massenhafte Verarmung in Folge von Krieg und Krise? Fehlanzeige!

    Gegen Ende des Aufrufs kommt dann noch eine zahme Warnung vor der sich verschärfenden sozialen Ungleichheit und ein kleine Erinnerung an den Klimawandel. Ganz nach dem Motto: Der ist ja auch noch da.

    Dass die sogenannte „sozial-ökologische Transformation“ wohl noch lange auf sich warten lässt, dürfte spätestens klar geworden sein, seit die Wiederaufnahme von Atomkraftwerken wieder im Gespräch ist und Erdgas als „grüne Brückentechnologie“ gilt.

    Nichts steht in diesem Aufruf zu den Zusammenhängen von Krieg, Teuerungen und der wirtschaftlichen Lage. Nicht mal ein kleines Wort zur Inflation, den steigenden Mieten oder den explodierenden Energiepreisen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte schon Recht, als er dies als „sozialen Sprengstoff“ bezeichnete. Wo bleibt die Antwort des DGB hierauf?

    Europas mächtigster Gewerkschafsverbund duckt sich vor dieser Frage einfach weg und hofft wohl, dass seine Mitglieder diesen sogenannten „Aufruf“ lesen und damit zufrieden sind, dass „ihr Gewerkschaftsverbund“ die Lage der Arbeiter:innenklasse komplett unerwähnt lässt.

    Die Rolle des DGBs im Krieg ist klar

    Unterm Strich gibt die Erklärung des DGB einen guten Vorgeschmack, was wir von den durch die Sozialdemokratie dominierten Gewerkschaften bei einer weiteren Zuspitzung der Lage zu erwarten haben: nicht viel.

    Die Kritik ist bestenfalls halbgar, man gefällt sich in blumigen Worten darüber, dass die “Waffen weltweit schweigen müssen” – nur, an einer klaren Orientierung, was zum Erreichen dieses Ziels getan werden muss und mit welchen Aktionen man es wohl durchsetzen könnte, fehlt es vollständig.

    An konkreten Anlässen, auf die Straße zu gehen, mangelt es dabei am 1. September und auch sonst sicherlich nicht. Bündnisse wie die “Offensive gegen Aufrüstung” rufen zu Aktionen auf der Straße auf, und auch die Aktivist:innen von “Rheinmetall entwaffnen!” planen vom 30.8. – 4.9. mehrtägige Aktionstage in Kassel, bei denen unter anderem konkret die Rüstungsproduktion gestört werden soll.

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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