Die UN vermeldet, dass jüngste Gespräche über ein internationales Abkommen zum Schutz der Weltmeere erneut ergebnislos abgebrochen wurden. Einer der Gründe hierfür dürfte in der Tatsache liegen, dass nach wie vor keine Einigung zu einer neuartigen Bergbaumethode des Tiefsee-Bergbaus erzielt werden konnte. – Ein Kommentar von Ali Najjar.
Seit ungefähr zwei Jahren rücken die Weltmeere verstärkt in den Fokus von Umweltorganisationen – aber auch in den Blick von globalen Monopolkonzernen und den Regierungen imperialistischer Staaten: Der weiterhin unstillbare Hunger des weltweiten Kapitalismus nach Rohstoffen für die Produktion scheint unersättlich. Da auf absehbare Zeit die Vorkommen seltener Bodenschätze auf dem Festland zuneige gehen werden, nehmen die Konzerne nun die Ozeane ins Visier.
Viele offene Fragen
Raubbau an der Natur mit fatalen Folgen für die Umwelt ist im fortgeschrittenen Kapitalismus unserer Tage keine Neuheit. Auch der bisher nur in relativ bescheidenem Ausmaß kommerziell betriebene Tiefsee-Bergbau könnte unabsehbare Folgen für die empfindlichen und wenig erforschten Ökosysteme an den Meeresböden haben.
Am Grund der Weltmeere lagert ein bisher wenig erschlossener Schatz an wichtigen Mineralien und Metallen wie etwa Mangan, Lithium, Platin, Kobalt und Seltenen Erden. Auf bindende politische und ökologische Richtlinien für die Förderung dieser Bodenschätze hat sich die internationale Gemeinschaft bisher jedoch nicht einigen können.
Die Vorkommen, um die es sich handelt, befinden sich weitestgehend in internationalen Gewässern; der Umgang mit ihnen ist daher kaum reglementiert. Da nun ein weiteres Mal die Hoffnungen auf ein Abkommen über die Errichtung von Schutzzonen durch die UN enttäuscht wurden, befürchten Umweltexpert:innen einen besonders enthemmten Raubbau durch die imperialistischen Industriestaaten und ihre Weltmonopole.
Tiefsee-Bergbau ist offenbar schon beschlossene Sache
Dabei standen diese Hoffnungen ohnehin nicht auf einem sonderlich soliden Fundament. Denn der Vorschlag, der von einer Gruppe von Ländern zur Diskussion gestellt wurde, bestand lediglich darin, 30% der Weltmeere unter einen besonderen Schutz vor Fischerei, Schiffahrtsrouten und eben auch dem Tiefsee-Bergbau zu stellen. Dass aber mit Tiefsee-Bergbau begonnen wird, scheint bereits ausgemachte Sache zu sein. Es dreht sich offenbar vielmehr um die Frage, wann und an wie vielen Standorten zugleich damit begonnen wird.
Ebenfalls offen ist die Frage, ob dabei Umweltregulatorien irgendeiner Art beachtet werden müssen. Zu dieser Frage fanden nämlich unmittelbar vor den nun in New York gescheiterten Verhandlungen spezifischere Verhandlungen der Internationalen Meeresbehörde in Kingston, Jamaika statt. Auch diese Verhandlungen endeten ergebnislos. Dies führt jedoch nicht etwa dazu, dass der Tiefseebergbau zunächst ausgesetzt wird, sondern – wenn bis in einem Jahr keine Regelung getroffen sein wird – dazu, dass er ganz ohne Einschränkungen durch die UN-Behörde durchgeführt werden kann.
Der Raubbau an der Natur wird im Interesse der Imperialisten fortgesetzt
Fakt ist jedenfalls: der Bedarf nach den begehrten Rohstoffen steigt stetig an. Sie sind insbesondere für die High-Tech- und Energiebranche essentiell. Ironischerweise werden einige der Metalle aus den Tiefsee-Lagerstätten für die Energiewende benötigt, mit der Staaten wie Deutschland eine langfristige Abkehr von fossilen Brennstoffen anstreben – Lithium etwa wird für den Bau von leistungsstarken Akkus in Solaranlagen oder der Autoindustrie benötigt.
Zu beobachten ist auch, wie nach altbekanntem Muster kleinere Staaten von großen Konzernen unter Druck gesetzt werden, um ihnen ihren Anteil am Reichtum der Ozeane streitig zu machen.
Im Falle des Tiefsee-Bergbaus sind besonders kleine Inselstaaten im Pazifik wie Nauru, Tonga oder die Cook Inseln davon bedroht, in ein neokoloniales Abhängigkeitsverhältnis zu den Industrieländern und ihren Konzernen zu geraten. Greenpeace hat z.B. berichtet, wie den Regierungen dieser Länder mit strategischem Meereszugang hohe Gewinne versprochen wurden, wenn sie mit Bergbaukonzernen kooperierten.
Es liegt jedoch in der Natur des globalen Kapitalismus mit seinem imperialistischen Charakter, dass sich solche Deals für den „Juniorpartner“ niemals auszahlen werden, sondern in die neokoloniale Unterjochung führen. Es gilt mittlerweile als Binsenweiseheit, dass etwa viele Staaten Afrikas nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Rohstoffreichtums verarmen.
Das wahre Gesicht der „grünen Energiewende“
An der Problematik des Tiefseeberg-Baus zeigt sich beispielhaft, dass der Kapitalismus mit seiner Logik der Profitmaximierung nicht in der Lage ist, das Problem der Umweltzerstörung zu lösen. Viele kapitalistische Staaten des imperialen Zentrums sind nur darum bemüht, sich und ihrer Wirtschaftspolitik einen „grünen Anstrich“ zu verpassen.
Dabei zeigt sich, dass Projekte wie eine vermeintlich grüne Energiewende weiterhin mit zerstörerischem Raubbau ermöglicht werden sollen. Aber wie eine Wissenschaftlerin am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel es ausdrückte: „Die Begriffe Nachhaltigkeit und Tiefseebergbau passen einfach nicht zusammen.“