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Donnerstag, April 25, 2024
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    Nach massiven Protesten: Habeck stellt „Gasumlage“ in Frage – Ist die Alternative besser?

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    Eigentlich sollen ab dem 1. Oktober alle gasbeziehenden Verbraucher mit der „Gasumlage“ zur Finanzierung der Profite von Energiekonzernen beitragen. Dagegen gab es zuletzt in Medien, Politik und auf der Straße heftige Proteste. Nun scheint Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Projekt in Frage zu stellen. Was ist seine Alternative?

    Wirtschaftsminister Robert Habeck ist vergangene Woche offenbar in einer internen Sitzung der Grünen von der umstrittenen Gasumlage abgerückt. Das berichtet das ARD-Hauptstadtstudio am Montag Abend mit Bezug auf Grünen-Kreise.

    Damit reagiert er auch auf heftige öffentliche Proteste: In den letzten Wochen hatte sich die „Gasumlage“ zum Politikum entwickelt: Tausende Menschen gingen bei Montagsdemos dagegen auf die Straße, Kommentatoren verschiedenster Presseorgane kritisierten das Projekt heftig. Zuletzt begannen dann selbst führende Regierungspolitiker wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, öffentlich gegen ihre eigenen Beschlüsse zu schießen.

    Worum geht es bei der Gasumlage?

    Mit der „Gasumlage“ sollten nach Regierungslesart strauchelnde Energieunternehmen gestützt werden. Hintergrund dessen ist, dass einige Energie-Großlieferanten wie der Konzern Uniper aufgrund des faktischen Lieferstopps russischen Gases in starke finanzielle Engpässe geraten sind. Während sie selbst das billige Gas nicht mehr erhalten, müssen sie das Gas aber zu langfristig laufenden Verträgen günstig weiterreichen – beispielsweise an Stadtwerke.

    Bisher hatte die Regierung darauf verzichtet, den Konzernen zu erlauben, ihre Verträge zu brechen und die Preise direkt weiterzugeben. Dafür hätte die im Mai geschaffene „Preisanpassungsklausel“ aktiviert werden müssen – mit möglicherweise extremen und ungleichen Preissprüngen bei Endverbraucher:innen.

    Stattdessen sollten mit der Gasumlage alle Gasverbraucher:innen zur Kasse gebeten werden: 2,419 Cent pro Kilowattstunde sollten sie mehr zahlen. Bei einem 4-Personen-Haushalt könnten dadurch rund 400 Euro pro Jahr Mehrkosten anfallen – zusätzlich zu den steigenden Gaspreisen. Auch eine Mehrwertsteuersenkung auf Gas änderte daran nichts wesentliches.

    Erst Gasumlage, jetzt eine Mehrwertsteuersenkung – der Betrug bleibt

    Die Regierung rechnete mit Einnahmen von etwa 34 Milliarden Euro, die dann wiederum zur Stützung der Energiekonzerne eingesetzt werden sollten. Doch das konkrete Gesetz zur Gasumlage sah dann gar nicht vor, dass nur solche Konzerne Geld erhalten sollten, die kurz vor der Insolvenz standen.

    Auf Nachfrage des Journalisten Thilo Jung bestätigte eine Sprecherin von Habecks Wirtschaftsministerium Ende August ganz offen, dass auch Unternehmen, die derzeit Profit erwirtschafteten, von der Gasumlage profitieren würden: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, um sich breiter aufzustellen und sich auch letztlich unabhängiger zu machen von russischen Gaslieferungen“, so Pressesprecherin Susanne Ungrad.

    Damit erklärte das grünen-geführte Wirtschaftsministerium freimütig, Unternehmen für den geostrategischen Schwenk der deutschen Großmacht zu subventionieren. Offenbar hatten auch die Energiekonzerne dies so interpretiert: nur zwei der zwölf Unternehmen, die einen Antrag auf Gelder aus der Gasumlage stellten, waren von Insolvenz bedroht.

    Habeck-Sprecherin bestätigt: Gasumlage soll Konzernprofite absichern

    Was ist Habecks Alternativplan?

    Auch wenn die direkte Subvention von Konzernen keine Seltenheit ist – die Gasumlage ist nun offenbar selbst ihrem „Erfinder“ Robert Habeck zu heiß geworden. Das liegt auch daran, dass der Energie-Großhändler Uniper offenbar noch viel mehr Geld benötigt, als durch die aktuelle Gasumlage reinkommen könnte, sodass schon bald eine weitere Erhöhung notwendig werden würde.

    Für die Rettung Unipers hatte der Staat ursprünglich 15 Milliarden Euro veranschlagt. Dabei ging man jedoch noch davon aus, dass russisches Gas über die Pipeline Nord-Stream 1 auf dem niedrigem Niveau von 20 Prozent weiterlaufen würde. Anfang September hatte Russland jedoch erklärt, die Lieferung von Gas nicht wieder aufzunehmen. Für Uniper bedeutet das noch mehr rote Zahlen.

    In den letzten Tagen wurde deshalb öffentlich über eine vollständige Verstaatlichung des Konzerns spekuliert. Nach Presse-Informationen vom Juli 2022 gehört Uniper zu 78 Prozent dem finnischen Konzern Fortum, an dem wiederum der Staat Finnland mit knapp 51 Prozent beteiligt ist. Bei einer Verstaatlichung fordert der finnische Staat bereits hohe Geldsummen.

    Dass dieser Weg nun jedoch realistischer wird, ist offenbar auch der Hintergrund von Habecks Distanzierung von der Gasumlage. Sollte es zu einer Verstaatlichung kommen, soll laut Habeck die Gasumlage durch eine direkte Staatshilfe ersetzt werden. Das hatte bereits zuvor die CDU/CSU gefordert.

    Der Bundeswirtschaftsminister habe das Abrücken von der Gasumlage auch mit “finanzverfassungsrechtlichen Zweifeln” begründet, heißt es aus den grünen Kreisen. Damit bereitet der Minister bereits eine „gesichtswahrende“ Lösung vor, wie auch Tagesschau.de berichtet: „Man könnte die unpopuläre Umlage noch vor ihrem Inkrafttreten wieder einkassieren – mit der Begründung, es gehe rechtlich halt nicht anders, wenn man Uniper wirklich retten wolle“, so der öffentlich-rechtliche Sender.

    Was würde sich für Verbraucher:innen und Steuerzahler:innen ändern?

    Direkte Staatshilfen statt Gasumlage hätten zumindest unmittelbar gewisse Auswirkungen:

    • Die Gas-Verbraucher:innen würden die mehreren hundert Euro Gasumlage sparen und hätten sie stattdessen weiterhin in der Tasche. Dafür würden nun nicht die Gas-Endkund:innen für die Energiekonzerne in die Bresche springen, sondern alle Steuerzahler:innen.
    • Vermutlich würde die Bundesregierung aufgrund der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit vorerst von der Finanzierung von Konzernen, die nicht in Zahlungsschwierigkeiten sind, absehen.

    Auch wenn dies kurzfristig eine gewisse Abwehr des massiven finanziellen Angriffs „Gasumlage“ ist – längerfristig werden die Staatsausgaben über andere Wege wieder herein geholt. Dazu gehören insbesondere Kürzungen in anderen Bereichen wie Sozialleistungen, Bildung, Renten usw.

    Die einzige Option, welche die Gaskrise nicht auf den Rücken der Bevölkerung abwälzen würde, bestünde darin, die Konzerne und deren Eigentümer zur Kasse zu bitten und ihre Profite für die Zahlung der „Rettungspakete“ abzuschöpfen. Doch diese Option steht innerhalb der Bundesregierung nicht wirklich zur Debatte.

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