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Donnerstag, März 28, 2024
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    Iran: Aufstände dauern an, Revolutionsgarden drohen Demonstrant:innen

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    Der landesweite Aufstand zum Sturz des Chamenei-Regimes dauert inzwischen seit über 40 Tagen an. Jetzt hat auch der Kommandeur der mächtigen „Revolutionsgarden“ eine Niederschlagung der Proteste angedroht. Die Militärorganisation kontrolliert etwa 30% der iranischen Wirtschaft und untersteht direkt dem Kopf der islamisch-fundamentalistischen Diktatur, Ajatollah Chamenei.

    Im Iran sind in dieser Woche wieder landesweit große Menschenmassen zu Demonstrationen auf die Straßen gegangen. Anlass war das Ende der 40-tägigen Trauerzeit nach dem Polizeimord an der Kurdin Jîna Mahsa Amini. Die Protestbewegung von Frauen, Arbeiter:innen, Student:innen und den im Iran unterdrückten Kurd:innen hat sich inzwischen zu einem Aufstand für den Sturz der islamisch-fundamentalistischen Chamenei-Diktatur entwickelt.

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    Der iranische Staat versucht weiterhin, die Proteste mit brutaler Gewalt niederzuschlagen. Laut Presseberichten schossen die staatlichen Kräfte im kurdischen Sine (Sanandatsch) auf Student:innen der Medizinischen Hochschule und töteten dabei mindestens einen Studenten. Erst kürzlich hatte der iranische Staat die Stadt, die als eine Hochburg des Aufstands gilt, mit Panzern, Flugzeugen und Spezialeinheiten angegriffen. In Teheran demonstrierten Ärzt:innen am Mittwoch gegen die Präsenz von staatlichen Ordnungskräften in Kliniken und wurden dabei vom Staat mit Tränengas angegriffen.

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    Revolutionsgarden drohen der Bewegung

    Inzwischen hat sich auch der Kommandeur der iranischen „Revolutionsgarden“ in das Geschehen eingemischt und den Demonstrant:innen offen gedroht. Nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna äußerte Hussein Salami, die Demonstrant:innen sollten „die Geduld des Systems nicht überstrapazieren“: „Wir sagen es unseren Jugendlichen noch einmal: Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.“ Salami bezeichnete den Aufstand zudem als „Verschwörung der USA, Großbritanniens, Saudi-Arabiens und des zionistischen Regimes“.

    Dass die Revolutionsgarden diese Drohungen ausstoßen, ist für den jetzigen Aufstand eine Neuheit. Zwar hatte die paramilitärische Organisation frühere Protestbewegungen wie im Jahr 2009 mit niedergeschlagen. Bisher hatte sie sich jedoch noch nicht direkt an den Repressalien gegen die Bewegung beteiligt. An der Basis der nach Schätzungen 100.000 bis 200.000 Mann zählenden Truppe kämpfen einfache Soldaten, die bei einem Einsatz gegen die Proteste im Zweifel auf ihre eigenen Familienangehörigen oder Nachbar:innen schießen müssten. Das macht ihren Einsatz für das Regime riskant.

    Führendes kapitalistisches Unternehmen des Landes

    Die Führungsebene der Revolutionsgarden gehört wiederum zu den größten Profiteuren der Chamenei-Diktatur. Die Militärorganisation ist faktisch zugleich das größte kapitalistische Unternehmen des Landes und kontrolliert etwa 30% der iranischen Wirtschaft, darunter Teile der Öl- und Gasindustrie, der Baubranche, des Bankensektors und der Telekommunikation. Die Organisation ist direkt dem „Obersten Führer“ der Diktatur, Ajatollah Ali Chamenei unterstellt, unterliegt daher keinen Kontrollen und ist von der Steuer- und Zollpflicht befreit. Innerhalb des iranischen Regimes kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Machtkämpfen zwischen den Revolutionsgarden und anderen Teilen der Bourgeoisie, die das Land stärker für ausländisches Kapital öffnen wollen.

    Nach Einschätzung verschiedener Westasien-Beobachter könnten die Revolutionsgarden als Antwort auf den Aufstand versuchen, eine Militärdiktatur zu errichten und dabei die klerikalen Teile des Regimes an den Rand zu drängen. Dies würde es ihnen ermöglichen, die politische Lage durch Zugeständnisse an die Bewegung bei den religiösen Vorschriften zu stabilisieren und dabei das Regime insgesamt aufrechtzuerhalten. Eine Nachfolge-Regelung für den 83-jährigen Ali Chamenei stünde für die iranische Staatsführung ohnehin früher oder später auf der Tagesordnung.

    Aufstandsbewegung umfasst alle Bevölkerungsschichten

    Eine andere Möglichkeit wäre es, dass sich die Aufstandsbewegung die Machtkämpfe innerhalb der iranischen Bourgeoisie zunutze macht, um das Regime zu Fall zu bringen. Denn auf Seiten der Bewegung scheint die Einheit gerade so groß zu sein wie lange nicht. Die kurdische Nachrichtenagentur Firatnews (kurd. ANF) schätzt es als „Besonderheit des derzeitigen revolutionären Aufbruchs“ im Iran ein, dass „der Aufstand alle Ethnien, Geschlechter, Klassen und gesellschaftlichen Schichten vereint“. Deren gemeinsames Ziel wiederum sei eines: „die Zerschlagung des Regimes und den Systemwechsel“.

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