Eigentlich wollten verschiedene Fußballverbände bei den Spielen während der Weltmeisterschaft in Katar eine Armbinde mit der Aufschrift „One Love“ zu tragen. Nach angedrohten Strafen wurde die Idee nun verworfen. Was können wir daraus lernen? – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.
Bei der am Sonntag gestarteten Fußballweltmeisterschaft der Männer in Katar hatten mehrere Nationalmannschaften vor, mit speziellen Kapitänsbinden Zeichen für Diversität und Toleranz zu setzen. Auf der Binde, die unter anderem auch der französische und der niederländische Kapitän tragen wollten, hätte groß der Slogan „One Love“ stehen sollen.
Die Kampagne „One Love“ wurde 2020 in den Niederlanden ins Leben gerufen, nachdem der Spieler Ahmad Mendes Moreira während eines Spiels rassistisch beleidigt worden war. In der Vergangenheit hatte es bereits ähnliche Aktionen gegeben, so lief Manuel Neuer zum Beispiel bereits mit regenbogenfarbener Binde auf, oder die englischen Spieler symbolisierten mit einem Kniefall ihren Antirassismus.
Die „One Love“-Kampagne
„One Love“ sollte, so viele Spieler und Funktionäre einhellig, diese Zeichen für Offenheit und Vielfalt verbinden. Die Binde wurde immer wieder auch ein wichtiges Symbol und als versteckte Kritik vieler nationaler Fußball-Verbände an den Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland Katar inszeniert.
Sie wurde jedoch auch als halbgarer Vorstoß kritisiert, da man sich beispielsweise nicht dazu durchringen konnte, etwa eine Regenbogenfahne als Kapitänsbinde zu verwenden.
Nun hat der Weltfußballverband FIFA – in seiner Funktion als Ausrichter der Weltmeisterschaft – nochmals betont, dass nur von der FIFA selbst genehmigte und einheitliche Kapitänsbinden erlaubt seien. Auch wurden den Spielern und Verbänden finanzielle und sportliche Strafen angedroht, wenn sie trotzdem mit der „One Love“-Binde auflaufen würden.
Diesem Druck hat nun der deutsche Fußballverband nachgegeben und erklärt, dass Manuel Neuer auf die besondere Binde verzichten werde. Auch zahlreiche andere Verbände erklärten umgehend, sich der FIFA zu beugen. Vielerorts regt sich nun Wut auf die FIFA.
Nicht zum ersten Mal, stand der Verband doch sowohl in der Vergangenheit als auch momentan rund um die Weltmeisterschaft in Katar stark in der Kritik für seine korrupten Entscheidungen und seine rein auf Profit orientierte Organisierung des Fußballsports.
Was können wir daraus lernen?
Dieses Spiel wiederholt sich immer wieder: Zeichen für Diversität, Kritik an LGBTI+ -Feindlichkeit, Antirassismus und sogar politische Statements gegen ganze Staaten sind immer so lange erwünscht und erlaubt, wie sie den Interessen derjenigen dienen, die mit ihnen Profit machen können. Die FIFA macht eigene Antirassismus-Kampagnen und setzt vermeintlich eigene Zeichen für Vielfalt und Freundschaft der Nationen, um daran zu verdienen.
Das bringt dem ansonsten kalten und abgezockten Fußball-Business ein wenig von seinem Flair zurück und lässt die FIFA modern und aktivistisch erscheinen. Doch sobald es Symbole, Zeichen oder Protest gibt, die sich indirekt auch gegen die FIFA selbst und ihre Ignoranz gegenüber der katarischen Menschenrechtsverletzungen richten, unterbindet der Weltfußballverband derartige Aussagen.
Wir müssen klar erkennen, dass die FIFA als profit-orieniertes Unternehmen niemals zulassen würde, dass ihre Geschäfte gefährdet werden. Selbst eine Kapitänsbinde wird dann als Affront aufgefasst und unter dem Vorwand angeblich oder tatsächlich existierender Regeln verboten.
Wenn wir uns umschauen, dann ist das keine Politik, die nur die FIFA fährt. Nein, unser ganzes Zusammenleben in den kapitalistischen Staaten ist durch die gleiche Logik bestimmt: Antirassismus, Feminismus und Regenbogenfahnen sind erwünscht und werden sogar von Konzernen und Politker:innen selbst zur Schau gestellt, solange sie dem großen Ganzen dienen – also dem Profitmachen und Geldverdienen.
Grundsätzliche Kritik am System und Protest, der den Kapitalismus in Frage stellt, wird aber unterbunden und sogar strafrechtlich verfolgt.
Gas und Wasserstoff aus Katar und den VAE – Die Doppelstandards des deutschen Imperialismus
Ganz aktuell sehen wir, wie sich die BRD – und allen voran die grüne Außenministern Annalena Baerbock – mit der Kampfparole der Frauenrevolution „Jin, Jiyan ,Azadi“ schmückt. Aber wenn in Deutschland diejenigen auf die Straße gehen, die diese Parole schon seit Jahren rufen, nämlich für ihre Freiheit kämpfende kurdische Organisationen, dann werden sie mit Verboten belegt und als Terroristen bezeichnet.
Ein weiteres Beispiel? Streiks, die von den DGB-Gewerkschaften unter Berücksichtigung der vom kapitalistischen Staat erlassenen Gesetzen lange im Voraus angekündigt werden, sind erlaubt, weil sich die bestreikten Konzerne dann darauf einstellen können. Aber wilde Streiks, die die Konzerne wirklich empfindlich treffen können, sind verboten und werden sogar unter Strafe gestellt.
Das heißt, wenn Arbeiter:innen für ihre Rechte kämpfen, müssen sie sich den Gesetzen der Kapitalist:innen beugen. Das Problem ist also nicht allein die korrupte FIFA, sondern sind die gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt.
Wir alle müssen das erkennen und uns unserer Rolle in diesem System bewusst werden. Wenn wir gehorsam sind und uns beugen, dürfen wir bei den Kapitalist:innen mitspielen und unsere Knochen für ihren Profit hinhalten. Aber wenn wir wirklich kämpferische Zeichen setzen wollen, dann haben wir nur eine Wahl: Wir müssen unsere eigenen Regeln aufstellen und den Kapitalist:innen die rote Karte zeigen!