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Mittwoch, April 24, 2024
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    Muss Abfallvermeidung denn erst Gewinn bringen?

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    Leere Adventskalender, eine Menge Geschenkverpackungen, der benutzte Weihnachtsbaum – in Weihnachtszeiten häuft sich besonders viel Müll an. Auch der Einzelhandel spielt eine große Rolle. Ein Kommentar von Konstantin Jung

    Jedes Jahr landen in Deutschland etwa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Die Hälfte dieser Abfälle ist dabei laut Hochrechnungen des Thünen-Institutes vermeidbar. Der Großteil des Mülls entstammt zwar den privaten Haushalten, doch auch die Produktion und der Vertrieb der Lebensmittel tragen fleißig dazu bei – vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass im Handel sogar 84% des Abfalls klar verschwendet werden.

    Grund für die Entsorgung ist dabei oft das überschrittene Mindesthaltbarkeitsdatum, viel häufiger werden Lebensmittel jedoch wegen scheinbarer Mängel aussortiert – wenn Tomaten also nicht leuchtend rot sind, Karotten nicht kerzengerade stehen und Blattsalate nicht unmittelbar unter dem Blattansatz glatt abgeschnittene Wurzeln aufweisen können.

    Vor dem Hintergrund globaler Hungersnöte und wachsender Armut erscheinen die perversen Qualitätsanforderungen des Handels immer fragwürdiger, gehören jedoch zum Alltag der kapitalistischen Nahrungsversorgung.

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    Zusätzlich dazu kommt es immer wieder zu Aktionen, die im Nachhinein oft als Einzelfälle oder bedauerliche Missverständnisse abgeklärt werden. So zerstörten zuletzt Angestellte des Schweizer Schokoladenherstellers Lindt in nordhessischen Edeka-Filialen Schoko-Nikoläuse und Pralinen, vermutlich um Rabattaktionen zu verhindern und die Ware stattdessen zum Vollpreis zu verkaufen.

    Die zerstörten Lebensmittel, die mit Kugelschreiber und Kartonmesser regelrecht zerfetzt wurden, waren jedoch teilweise noch mehr als eine Woche vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Wie Vereine und Verbraucherzentralen schon seit längerem darauf hinweisen, ist dieses ohnehin keine Deadline, nach der die Nahrung plötzlich anfängt zu schimmeln und ist nicht mit dem Verbrauchsdatum gleichzusetzen.

    Bestrebungen, den Einzelhandel nachhaltiger zu gestalten, laufen leider oft ins Leere. Solange Konzerne keinen Gewinn aus der Rettung von Lebensmitteln ziehen, werden sie aller Voraussicht nach auch keine langfristigen Maßnahmen dafür einleiten. Während sich „grüne“ Start-Ups also die Zähne daran ausbeißen, wie sie am meisten Profit aus ihren „nachhaltigen Hightech-Verpackungen“ mit integrierten Sensoren schlagen können, sind in Deutschland zwei Millionen Menschen mehr auf Lebensmittelspenden angewiesen.

    Die Situation an den deutschen Tafeln ist dabei mehr als nur alarmierend – während staatliche Unterstützungen unzureichend sind und die Zahl der Hilfsbedürftigen wächst, stehen auch weniger Lebensmittel zur Verfügung. Doch für den Einzelhandel existiert weder eine Pflicht zur Abgabe von abgelaufenen Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen wie die Tafel, noch eine Pflicht zur Dokumentation von Lebensmittelverlusten.

    Bei aller Kritik an Lebensmittelproduktion und -handel sollten sich die Haushalte natürlich trotzdem im Meiden von unnötigen Abfällen üben. Jedoch werden „Solidarische Landwirtschaft“ und Gemüsekisten ein gesamtgesellschaftliches Problem wie die massenhafte Verschwendung von Lebensmitteln nicht lösen.

    Vielmehr sollte doch die Frage gestellt werden, welche systemischen Veränderungen zu einer tatsächlich gerechten und abfallarmen Lebensmittelversorgung führen können. Denn in einer kapitalistischen Wirtschaft, in der relativ planlos und für den größten Profit vor sich hinproduziert wird und eine faire Verteilung von Essen und Trinken allerhöchstens eine nebensächliche Rolle spielt, wird dies nicht möglich sein.

    • Seit 2022 politisch aktiv in Sachsen. Schreibt am liebsten über Antifa und Kultur im Kapitalismus. "Es gibt kein anderes Mittel, den Schwankenden zu helfen, als daß man aufhört, selbst zu schwanken."

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