Nur wenige Tage vor der Wiederholungswahl kündigte die CDU an, bei einem Wahlgewinn das Berliner Antidiskriminierungsgesetz abschaffen zu wollen. Von anderen Parteien kommt viel Kritik – aber wenig wirkliches Interesse für Betroffene. – Ein Kommentar von Elodie Fischer.
Auf den letzten Metern des Berliner Wahlkampfs wird die Debatte um das 2020 in Kraft getretene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) erneut angeheizt. Erfahren Personen Diskriminierung durch Berliner Landesbehörden, Regierungen und Verwaltungen können sie – wie überall in Deutschland – Beschwerde einlegen. Das Gesetz erleichtert dabei den Betroffenen die Beweislast: sie müssen den Diskriminierungsfall “glaubhaft” machen und dann obliegt es der jeweiligen Behörde zu widerlegen, dass der Vorfall stattgefunden hat.
Ein Anti-Polizei-Gesetz?
Eine Behörde, mit der dieses Gesetz in der öffentlichen Debatte immer wieder in Verbindung gebracht wird, ist die Berliner Polizei. Schon vor Gesetzeseintritt warf die CDU der Berliner Regierung bestehend aus SPD, Linkspartei und Grünen vor, dass es sich bei dem LADG um ein „Anti-Polizei-Gesetz“ handle. Auch In den Medienberichten der letzten Jahre zur Einführung des Gesetzes wird nicht etwa gefragt, wie wirksam es denn nun gegen Diskriminierung helfe – dabei wäre eine solche Frage ja naheliegend, da dies vorgeblich der eigentliche Zweck des Gesetzes sein sollte.
Stattdessen brüsten sich Befürworter:innen des LADG damit, dass die von Gegner:innen prophezeiten Klagewellen ausblieben, die Polizei weiter ungestört ihre Arbeit verrichten konnte und es sich eben um kein „Anti-Polizei-Gesetz“ handle.
Und genau das ist ironischerweise auch der Fall: Das LADG hindert die Polizei nicht an ihrer Arbeit: Das Maß an Gewalt und Repression, das Berliner Einwohner:innen, insbesondere Migrant:innen, durch die Polizei erfahren, ist mit einer Erleichterung der Beweislast für Betroffene, wie das Gesetz sie eingeführt hat, noch längst nicht behoben. Wie wirksam kann ein solches Antidiskriminierungsgesetz sein? Die Diskriminierten, die Gewalt von der Polizei des deutschen Staats erfahren, sollen sich letzendlich wieder genau an eben diesen Staat wenden.
Medienwirksame Inszenierung statt nachhaltiger Veränderung
Wie verhielt es sich eigentlich konkret mit der Polizeigewalt in Berlin seit Einführung des Gesetzes? Ein Beispiel ist der Fall von Hamid N. (Name geändert), dessen Gerichtsprozess Perspektive begleitet hat. Er erlitt 2021 auf einer Demonstration gegen die israelischen Luftangriffe auf Gaza lebensgefährliche Verletzungen.
Schädel-Bruch nach Polizeiangriff – doch verurteilt wird der Demonstrant
Doch anstatt, dass sein Fall zu Polizeigewalt vor Gericht verhandelt wurde, wurde Hamid N. selbst verklagt: Er soll eine Gemüsekiste in Richtung von Polizist:innen geworfen haben. Der noch immer körperlich und psychisch an den Folgen des Tages leidende Hamid N. wurde zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.
Während also – auch unter der jetzigen Regierung – Opfer zu Tätern gemacht werden und das Gericht die Polizei schützt, sorgt sich die CDU lieber um die Polizist:innen statt um die von Polizeigewalt Betroffenen. Die Grünen, Linken und SPD inszenieren sich währenddessen als Antidiskriminierungs-Held:innen und kritisieren medienwirksam, wenn die CDU für das Abschaffen des Gesetzes plädiert.
Die CDU begründet ihr Vorhaben bei Wahlsieg damit, dass das LADG “ein Misstrauensbeweis gegen alle Berliner Polizisten” sei. Dabei hat die rot-rot-grüne-Regierung trotz Antidiskriminierungsgesetz längst bewiesen: Sie steht auf der Seite der Polizei. Nur, dass während die CDU stolz den Ehering präsentiert, die sich links gebenden Parteien ihre Liebesaffäre zur Polizei dann doch nicht ganz so öffentlich kundtun wollen. Und so werden Betroffene staatlicher Diskriminierung und Polizeigewalt zum Spielball im Wahlkampf gemacht.