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Donnerstag, April 25, 2024
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    Proteste in Westfrankreich: Zwischen Leben und Tod in Sainte-Soline

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    Im westfranzösischen Dorf Sainte-Soline protestierten vergangenes Wochenende mehrere tausend Menschen gegen den geplanten Bau mehrerer großer Wasserbecken. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Die Bilanz: hunderte Leicht- und Schwerverletzte, darunter zwei sich in Lebensgefahr befindende Menschen.

    In Westfrankreich hat letztes Jahr der Bau von insgesamt 16 großen Wasserbecken begonnen, die als Speicher der besseren landwirtschaftlichen Nutzung in den oft trockenen Gebieten dienen sollen. Einheimische, Umweltaktivist:innen und kleinlandwirtschaftlich Beschäftigte erahnen jedoch, dass die sogenannten “méga-bassines” lediglich einer Minderheit nützen und zur Privatisierung von erheblichen Mengen an Grundwasser führen würden.

    Daraufhin riefen eine kämpferische Bäuer:innengewerkschaft und mehrere Umweltbewegungen und -bündnisse zu Protestaktionen auf, die von der Polizei jedoch verboten wurden. Insgesamt zählten die Organisator:innen rund 30.000 Demonstrierende und 3.000 Kräfte der Polizei und Gendarmerie – insgesamt vier mal so viele wie bei vorhergegangenen Demonstrationen im vergangenen Jahr.

    Während des Wochenendes kam es immer wieder zu gewaltsamen Angriffen der Polizei auf Demonstrierende, wobei auch Polizist:innen verletzt wurden. Den Umständen entsprechend wird in den Medien bereits von einem „Wasserkrieg“ gesprochen – zwar sprach der französische Innenminister Darmanin von wenigen 7 verletzten Aktivist:innen, mehrere Bündnisse empfinden diese Aussage jedoch als irreführend und stark untertrieben.

    So beklagte das linke Magazin lundimatin 200 verletzte Menschen, davon seien 40 schwerverletzt und einige in Intensiv-Behandlung oder gar Lebensgefahr. Darüber hinaus sollten auch die unzähligen nicht-sichtbaren Verletzungen beachtet werden, so seien Traumata durch das Miterleben und den Anblick polizeilicher Gewalt nicht selten.

    Bereits am Samstag machte eine Nachricht die Runde, dass ein 30-jähriger Aktivist mit schweren Kopfverletzungen, verursacht durch eine Granate der Polizei, ins Krankenhaus transportiert werden musste. In der entsprechenden Pressemitteilung von Bekannten des Betroffenen heißt es dazu, dass die Polizei bewusst das Einleiten medizinischer Rettungsversuche behindert habe. So vergingen zwischen dem ersten abgesetzten Notruf und dem Eintreffen des Krankenwagens nahezu zwei Stunden.

    Kurz darauf meldete die Umweltorganisation “Les Soulèvements de la Terre” („Die Aufstände der Erde“), dass eine zweite Person mit lebensbedrohlichen Verletzungen vom Ort des Geschehens abtranspotiert wurde. Auch sie wurde durch eine explodierende Granate schwer verletzt, mehrere Splitter trafen dabei ihre Luftröhre.

    https://twitter.com/lessoulevements/status/1640375777433714688?ref_src=twsrc%5Etfw

    Die Polizei warf insgesamt 4.000 Granaten auf die Demonstrierenden, darunter Modelle mit Tränengas und sogenannte “grenades de désencerclement” (Umzingelungsgranaten). Letztere stehen dabei immer wieder in der Kritik aufgrund ihrer brutalen Zerstörungskraft und werden europaweit nur in Frankreich eingesetzt. So waren es genau diese Geschosse, durch die 17 Menschen der Gelbwesten-Bewegung ein Auge verloren und etliche weitere nun mit verstümmelten Körperteilen leben müssen.

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    Die Beobachter:innen der “Französischen Liga für Menschenrechte” („Ligue des droits de l’homme“, kurz LDH) berichteten mit Blick auf die Protestaktionen über maßlose und willkürliche Anwendung von Gewalt seitens der Polizei auf alle Personen, die sich auf dem Gelände befanden. Darüber hinaus seien es auch immer wieder Polizist:innen, die das Eingreifen von Feuerwehr und Rettungssanitäter:innen verhinderten.

    Die Demonstrationen vor Ort haben sich mittlerweile beruhigt, ungeachtet der Einschüchterungen wird dennoch weiter dazu aufgerufen, sich an den nationalen Streiks gegen die neue Rentenreform der französischen Regierung zu beteiligen.

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