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Dienstag, April 16, 2024
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    Ampel-“Einigung”: Ein Koalitionspapier für die Monopole

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    Am Dienstagabend kamen die drei Tage langen Koalitionsverhandlungen der Ampelregierung zu einem Abschluss. Seitdem hagelt es von allen Seiten scharfe Kritik am veröffentlichten Koalitionspapier. Von der LKW-Maut bis zur Kindergrundsicherung, wir nehmen das Papier genauer unter die Lupe. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

    „Diese Koalition ist angetreten, um Deutschland zu modernisieren“, mit diesen hochtrabenden Worten beginnt das neue Beschlusspapier des Koalitionsauschusses der Ampelregierung. Die drei Mitverhandelnden: Ricarda Lang, eine der beiden Grünen-Vorsitzenden; Lars Klingbeil, einer der beiden SPD-Vorsitzenden und Christian Lindner, alleiniger FDP-Vorsitzender, versuchen bei der Veröffentlichung des Papiers siegessicher zu wirken. Doch der Schein trügt: Über 16 Seiten beweisen sich SPD, Grüne und FDP in diesem Koalitionspapier in der höchsten Disziplin deutscher Politiker:innen: viel reden, so wenige wie möglich konkret festhalten – und nebenbei Konzernprofite sichern.

    Die meisten Formulierungen im Papier sind denkbar schwammig und unkonkret, einige Aufgaben wurden schlichtweg auf irgendwann verschoben und an den Stellen, an denen „Tacheles“ geredet wird, werden bereits beschlossene Klimaschutzziele noch weiter aufgeweicht.

    Kein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück in der Umweltpolitik

    Im Koalitionspapier kündigt die Ampelregierung z.B. an, dass alle Wirtschaftsbereiche einen “Beitrag zum Klimaschutz” leisten sollen. Mit dieser Argumentation wird dann eine sogenannte “sektorenübergeifende Gesamtrechnung” eingeführt.

    Statt den von den Grünen ursprünglich angekündigten verbindlichen Einsparzielen von CO2-Emissionen für den Verkehrssektor über die Gebäudesanierung bis hin zur Industrieproduktion soll es nun eine Gesamtrechnung für alle Sektoren geben. Letztlich führt das dazu, dass man – wenn man die Emissionen in einem Bereich zurückschraubt – dafür andere Bereiche ignorieren kann. Dem weiterem Ausbau der Autobahnen steht damit beispielsweise erst einmal nichts mehr im Wege.

    Das zeigt sich dann auch in weiteren Punkten des Koalitionspapiers: So sollen neben Bahn- und Brückenbauten 144 neue Autobahn- und Bundesstraßenprojekte auf den Weg gebracht werden. Diese bekommen eine Art Express-Behandlung. Sie werden als Bauprojekte mit überragendem öffentlichen Interesse festgeschrieben. Das Ganze passiert im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Bundesland. Begründet wird das Ganze mit der Beseitigung von Engpässen und Stau-Schwerpunkten.

    Zeitgleich sorgt die Einführung dieser Sonderbehandlung allerdings dafür, dass die Möglichkeiten, dagegen Einspruch zu erheben – sei es wegen des Naturschutzes oder der Zwangsenteignung landwirtschaftlich genutzter Flächen – weiter beschnitten werden.

    Momentan gilt außerdem, dass beim Bundesnaturschutzgesetz Eingriffe in die Natur kompensiert werden müssen. Das kann über das Prinzip der „Realkompensation“ geschehen, also dass Ersatzflächen organisiert werden oder Ersatzgeldzahlungen geleistet werden müssen. Im Papier kritisiert die Koalition nun, dass die Ersatzflächen, die bereitgestellt werden, häufig zu kleinteilig und unzusammenhängend seien, also wenig Wert für den Erhalt der Biodiversität hätten. Auch die Ersatzgeldzahlungen würden häufig  erst spät und unsystematisch verausgabt.

    Daran wird mit dem Papier allerdings kaum etwas verändert. Im Gegenteil: Nach einem undifferenzierten Satz über die notwendige Sicherung von Flächen für den Umwelt- und Artenschutz wird noch einmal ausdrücklich die Möglichkeit der Kompensation durch Zahlung eingeräumt. Dass stattdessen jetzt ersatzweise ein paar Solaranlagen an die Auto- und Bahnstrecken gebaut werden sollen, ist dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

    LKW-Maut fließt in den Ausbau der Bahn

    Dass die Lkw-Mautpflichtgrenze ab dem 1. Januar 2024 abgesenkt werden soll, sodass grundsätzlich alle Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse in die Gebührenerhebung einbezogen werden, bezeichnen selbst einige der Kritiker:innen als einen positiven Punkt des Koalitionspapiers. Denn Teile des CO2-Zuschlags der Lkw-Maut sollen nun statt in den Straßenausbau zukünftig in den Ausbau der Bahn fließen. Ricarda Lang bezifferte dabei den Investitionsbedarf für die Bahn bis 2027 auf 45 Milliarden Euro.

    Die Kritik an der Deutschen Bahn – beispielsweise an dem maroden Schienennetz, den ausbleibenden Wartungen der Regionalverkehrszüge oder Pünktlichkeitsdefiziten –  sind durchaus berechtigt. Jedoch sollte man vorsichtig damit sein, die Lösung dieser Probleme allein darin zu sehen, das einfach nur “größere Investitionen” in die DB getätigt werden müssen.

    Denn langfristig dürften diese Zuschüsse nicht nur aus der LKW-Maut kommen, sondern vor allem immer mehr aus unseren Steuergeldern, einen Teil der Subventionen an die DB zahlen wir also ganz direkt als Klasse. Doch anstatt dafür einen günstigen, staatlich gut organisierten Nahverkehr zu bekommen, werden die Kosten immer höher. Zugleich werden natürlich auch die Logistik-Konzerne über kurz oder lang versuchen, die Kosten für die Maut auf uns alle umzulegen.

    Begründet wird die Maßnahme damit, dass die Bundesregierung die Umsetzung des Deutschlandtaktes voran bringen wolle. An einen Zufall zu glauben, fällt schwer, wenn man bedenkt, dass die Deutsche Bahn nur wenige Wochen vor den Koalitionsgesprächen ankündigte, diese Verbesserung 40 Jahre (!) nach hinten verschieben zu müssen.

    Die Lösung der Klima- und Umweltkrise im Sozialismus

    Wurde da nicht was vergessen?

    Abgesehen von den wenigen oben genannten Punkten wimmelt es im Koalitionspapier nur so von unkonkretem Geschwafel, einige der wesentlichen Fragen wurden aber auch einfach raus gelassen. So wurde zu Beispiel die Vorlage des Haushaltsentwurfs von Christian Lindner auf unbestimmte Zeit vertagt.

    In diesem Entwurf sollte unter anderem die Kindergrundsicherung behandelt werden. Natürlich müsste er auf der anderen Seite auch Aufschluss darüber geben, wo das ganze Geld, dass die Regierung in nächster Zeit – unter anderem für die Aufrüstung – ausgeben möchte, eigentlich herkommen soll. So wäre es nicht verwunderlich, wenn wir hier demnächst dann wieder eine besondere Streichung im Sozialen, wahrscheinlich vor allem im Bildungssektor, erleben werden.

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