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Montag, Oktober 14, 2024
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    Strafverfolgung nach Corona-Soforthilfe: „Von jetzt auf gleich im Fokus der Justiz“

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    Nach einem Jahr Corona-Pandemie wurden den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums zufolge 31,3 Milliarden Euro Soforthilfen ausgezahlt. Viele Bürger:innen verließen sich bei ihrer Antragstellung auf die Modalitäten in den staatlichen Merkblättern – bis derzeit mehr als 20.000 Menschen strafrechtlich verfolgt wurden und werden: ihnen wird Subventionsbetrug vorgeworfen. – Ein Kommentar von Melissa Seeger über einen der zahlreichen Fälle.

    Nachdem sie Corona-Soforthilfen für ein neu gegründetes Gewerbe angemeldet hatte, droht Familie P. eine Vorstrafe. Der Vorwurf: Subventionsbetrug. Die Vorwürfe machen den Rest von Vertrauen der Betroffenen in den Staat zunichte, sie wähnen sich als Opfer einer staatlichen Verfolgungsjagd. “Warum gerät man in die Fänge der Justiz?”, das war die erste Frage, die aufkam. Es war eine anonyme Anzeige, die zur Verfolgung führte – Subventionsbetrug ist der Vorwurf. Ab diesem Moment war klar, dass die Betroffenen Opfer einer staatlichen Verfolgungsjagd wurden.

    Corona-Soforthilfe: Gehandelt nach bestem Wissen und Gewissen

    Nachdem durch den Corona-Lockdown ab dem 20. März 2020 keine Wohnmobil-Vermietungen für das im Januar 2020 neu gegründete Gewerbe möglich waren, geriet die Wirtschaftlichkeit des jungen Unternehmens ins Stocken. Im Vorfeld informierten sich die Betroffenen im Internet über die zahlreichen Richtlinien der Landes- und Bundesregierung zur Corona-Soforthilfe, berieten sich mit der Steuerkanzlei sowie mit anderen Betroffenen. Anfang April beantragten sie schließlich nach bestem Wissen und Gewissen die staatliche Unterstützung. So ging aus den Dokumenten des Bayerischen Ministerialblatts sowie den Kurzfakten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Stand März/April 2020) hervor, dass eine Corona-Soforthilfe von 9.000 Euro zulässig ist, wenn es sich um Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten handelt.

    Konstruktion aus dem Nichts

    Im September 2020 erging ein anonymes Schreiben an die Staatsanwaltschaft, dass die Beschuldigten nicht anspruchsberechtigt seien. Im Sommer des darauffolgenden Jahres 2021 wurden Geschäftspartner:innen bei der Polizei vorgeladen, um in dem vermeintlichen Subventionsbetrug Aussagen gegen die Beklagten zu tätigen. Dies war der Zeitpunkt, zu dem die Betroffenen erstmals Kenntnis über die Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs erhielten. Und wieder erst ein Dreivierteljahr später im April 2022 wurden die Beschuldigten mit einem Strafbefehl in Höhe von insgesamt 36.000 Euro zuzüglich 180 Tagessätzen – was einer doppelten Vorstrafe entspricht – konfrontiert. Damit gehören sie –  noch Stand Februar 2022 – zu den mehr als 28.000 Verdächtigten, gegen die ein Verfahren wegen Subventionsbetrug läuft.

    Die Staatsanwaltschaft führt zur Begründung an, dass kein Anspruch auf Corona-Soforthilfe bestehe, da die genannte Tätigkeit nicht im Haupt-, sondern nur im Nebenerwerb ausgeführt wurde. Laut der Richtlinien seien Solo-Selbstständige im Nebenerwerb nicht antragsberechtigt, kleine Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten hingegen schon. Als zweiter Vorwurf wird angeführt, dass die Betroffenen zu viel beantragt hätten, obwohl in sämtlichen Merkblättern formuliert war, eine Überkompensation sei nicht schädlich. Die Staatsanwaltschaft behauptet außerdem, dass das Unternehmen habe keinen Angestellten habe und unterstellt eine Solo-Selbstständigkeit. Umfassende Dokumente belegen jedoch, dass es sich bei dem Gewerbe um ein Kleinunternehmen mit einem Angestellten handelt.

    Unschuld beweisen, Recht herstellen

    Um sich Klarheit zu verschaffen, schalteten die Betroffenen Anwälte ein und durchforsteten das gesamte Internet nach Einspruchsargumenten und Beweisen ihrer Unschuld. Hierzu gehörte auch die beantragte und gestattete Einsicht in die Ermittlungsakte, die mittlerweile 187 Seiten umfasste. Im September 2022 fand dann der Gerichtstermin statt. Während der Verhandlung brachte die Richterin zum Ausdruck, dass die Angeklagten auf sie nicht den Eindruck von Betrüger:innen machten, wollte jedoch kein Urteil fällen, da sie nicht in der Lage sei, die vorliegenden Unterlagen – Sozialversicherungs- und Gehaltsnachweise, etc. – zu bewerten.

    Nach Sichtung der Dokumente räumte die Staatsanwaltschaft ein, dass es sich zwar tatsächlich um einen Angestellten, nicht jedoch um einen „ernsthaften“ Angestellten handele. Mit einem Strafbefehl belastet zu sein, der aus dem Nichts kommt, und dabei womöglich einen Reputationsverlust erdulden zu müssen, macht deutlich, mit welcher Zermürbungsstrategie die Betroffenen konfrontiert sind.

    Es reißt nicht ab: Im Dauervisier der Behörden

    Im April 2023 wird der zweite Prozess stattfinden. Nun heißt es: alles nochmal aufrollen, von vorne anfangen, gleicher Staatsanwalt, nur andere Richterin. Seit fast zwei Jahren ist die psychische Belastung für die Angeklagten immens. Als Betroffene:r dagegen anzukämpfen, ist mit extremer Sorge, viel Angst und Stress verbunden, weil zu befürchten ist, rechtlos zu sein. Es ist die Ohnmacht, der Willkür eines Rechtsstaats ausgesetzt zu sein.

    Das Ende ist offen. Im November 2022 erhielten alle Antragssteller:innen ein Schreiben von der Regierung, dass sie zur Überprüfung verpflichtet sei, ob der damals zu erwartende Liquiditätsengpass tatsächlich eingetreten ist. Die darin enthaltene Berechnungshilfe erstreckt sich auf den erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand, in dem jedoch plötzlich – anders als in den Merkblättern bei Antragstellung – keine Personalkosten angesetzt werden dürfen.

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