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Donnerstag, April 25, 2024
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    Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst: Verarmungs-Kompromiss vorgelegt

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    In der aktuellen Tarifrunde für den öffentlichen Dienst hat die Schlichtungskommission ihre Empfehlung für eine Einigung von Gewerkschaften und Bund wie Kommunen vorgelegt. Die Kommission bezeichnet ihren Vorschlag als „fairen Interessenausgleich“. Für Arbeiter:innen würde er Reallohnsenkungen bedeuten.

    Wie die Gewerkschaft ver.di mitteilte, legte die Schlichtungskommission von Bund und Kommunen heute ihre Einigungsempfehlung vor: Die Schlichter empfehlen einen steuerfreien Inflationsausgleich über 3.000 Euro in Raten bis zum Februar 2024 sowie die Erhöhung der Löhne um einen Sockelbetrag von 200 Euro plus 5,5%. So sollen mindestens 340 Euro Erhöhung garantiert werden. Auszubildende würden eine Einmalzahlung von insgesamt 1.390 Euro sowie eine Erhöhung der Entgelte um 150 Euro ab März 2024 erhalten.

    Die Schlichtungskommission wurde vor knapp zwei Wochen einberufen, nachdem die Gewerkschaften die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt hatten. Die Aufgabe der Kommission gemäß arbeitsrechtlicher Vereinbarungen ist es, der Kapitalseite und den Gewerkschaften einen Vorschlag zur Einigung zu unterbreiten. Sowohl der Bund und die Kommunen als auch ver.di und der Deutsche Beamtenbund (DBB) können diesen Vorschlag nun weiterverhandeln.

    Sollte weiterhin keine Einigung erzielt werden, können die Gewerkschaften ihre Mitglieder in einer sogenannten Urabstimmung über unbefristete Streiks abstimmen lassen. Ver.di und der Deutsche Beamtenbund vertreten in den Verhandlungen rund 2,5 Millionen Arbeiter:innen im Öffentlichen Dienst. Darunter sind Erzieher:innen, Arbeiter:innen der Müllabfuhren und den Nahverkehrsbetrieben, Flughafenarbeiter:innen und viele andere. Anlässlich der Verhandlungsrunden hatten die Gewerkschaften im Februar und März zu je eintägigen Warnstreiks aufgerufen. Einen größeren, gar bundesweiten Streik hatten die Gewerkschaften jedoch nicht organisiert.

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    Der Schlichtungsvorschlag ist nicht im Interesse der Arbeiter:innen

    Bereits die ursprüngliche Forderung von verdi nach 10,5% mehr Lohn entspräche de facto einer Reahlohnsenkung. Wirtschaftsexpert:innen schätzen, dass die Kaufkraft der Arbeiter:innen Ende 2023 um insgesamt 14% gegenüber derjenigen von vor zwei Jahren absinken wird. Selbst eine Lohnerhöhung von 10,5% kann das nicht ausgleichen. Der vorgeschlagene Kompromiss bleibt nun sogar unter dieser Forderung und würde die Verarmung bei einer vorgeschlagenen Laufzeit bis 2025 sogar noch verstärken.

    Bereits während der letzten Wochen und Monate wurde seitens Bund und Kommunen außerdem immer wieder versucht, den Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst zu diskreditieren und die Forderungen als unrealistisch hinzustellen. So wurde zum Beispiel immer wieder argumentiert, dass die Kommunen pleite seien und sich die Erhöhung der Löhne für ihre Angestellten schlicht nicht leisten könnten, bzw. wegen der Erhöhung auf wichtige andere Projekte und Förderungen verzichten müssten.

    Beispielsweise wurde behauptet, dass der Arbeitskampf zukünftig zu hohen Preisen in Schwimmbädern und dem Nahverkehr für alle führen werde. Verschwiegen wird in diesem Zusammenhang aber, dass die finanzielle Notlage der Kommunen vielmehr auf ein Verteilungsungleichgewicht zwischen Bund, Ländern und Kommunen und nicht auf angebliche zu hohe Forderungen der Arbeiter:innen zurückzuführen sind.

    Von Seiten der Kommunen wurde außerdem versucht, Stimmung gegen die Streikenden zu machen und sie für eine Lahmlegung des öffentlichen Lebens verantwortlich zu machen. Mit der Behauptung, die Streikenden würden einem Großteil der Bevölkerung durch ihr Verhalten schaden, versuchen Arbeitgeberverbände, einen Keil zwischen die Arbeiter:innen verschiedener Berufszweige und Branchen zu treiben.

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    Es bleibt nun nach dem Schlichtungsvorschlag abzuwarten, ob die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und alle anderen solidarischen Arbeiter:innen den Druck auf ihre Gewerkschaften hochhalten und eine Ablehnung des Kompromisses erreichen können. Das Handeln der Gewerkschaften lässt bislang wie schon so oft leider nur wenig Hoffnung darauf zu, tatsächlich mit allen Mitteln bis zum Ende für die Forderungen der Arbeiter:innen zu kämpfen.

    Den letzten großen, unbefristeten Streik im Öffentlichen Dienst gab es vor langen 31 Jahren, nämlich im Jahr 1992. Damals dauerte ein flächendeckender bundesweiter Streik zwölf Tage lang an, endete aber ebenfalls mit einem ‘kompromisslerischen’ Abschluss zwischen ver.di und den Arbeitgeber:innen. Im Öffentlichen Dienst sind mittlerweile flächendeckende Streik durch die zahlreichen Dezentralisierungen, institutionellen Rahmenbedingungen und die Absprachen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sogar nahezu unmöglich geworden.

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