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Samstag, April 20, 2024
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    Verfolgungsjagd in Hagen: Schon wieder Polizeigewalt?!

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    Vor wenigen Tagen tauchte ein kontroverses Video im Netz auf. Zu sehen ist das gewaltvolle Ende einer Verfolgungsjagd in Hagen. Nun steht erneut der Vorwurf von Polizeigewalt durch Beamt:innen im Raum.

    Auf einem Video, das Anfang der Woche im Internet kursierte, ist das Ende einer Verfolgungsjagd in Hagen (Nordrhein-Westfalen) zu sehen.

    https://www.tiktok.com/@xkuebrapatron/video/7217749765616848134

    Die Verfolgungsjagd ereignete sich am vergangenen Wochenende, nach Angaben der Polizei soll der Fahrer während einer Kontrolle durch eine Zivilstreife aufs Gaspedal getreten haben. Im Anschluss soll er mit zu hohem Tempo mehrere rote Ampeln überfahren und ein Polizeiauto gestreift haben.

    Zwischenzeitlich warfen laut einem Post in der Facebook-Gruppe “Blaulicht Hagen”, in dem auf Polizeiinformationen Bezug genommen wird, mehrere Personen Stühle auf die Fahrbahn und auch in Richtung des verfolgenden Einsatzfahrzeugs der Polizei.

    Gegen Ende der Verfolgungsjagd stoppt das Auto relativ abrupt und wird darauhin vom verfolgenden Polizeifahrzeug gerammt. Der Fahrer versucht zu flüchten, wird daraufhin aber relativ schnell von den ihn inzwischen ebenfalls zu Fuß verfolgenden Polizeibeamten eingeholt. Diese ringen ihn zu Boden und legen ihm Handschellen an.

    Im Anschluss ist im Video zusehen, wie zwei der Beamte:innen weiterhin auf den bereits am Boden liegenden 28-jährigen Geflüchteten einschlagen. Den Beamt:innen wird nun von Kritiker:innen, wie z.B. dem Kriminologe Thomas Feltes, so wie von mehreren Bekannten des Opfers Polizeigewalt vorgeworfen.

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich bereits zu den Fällen: sie könne kein Fehlverhalten der Einsatzkräfte erkennen. Polizei und Staatsanwaltschaft Hagen möchten sich momentan nicht zu den Vorfällen äußern. Die Staatsanwaltschaft Hagen gab dabei an, erst nach Auswertung der Videos und Zeugenaussagen öffentliche Aussagen zu tätigen. Dies kann mehrere Wochen dauern.

    Unverhältnismäßige Verfolgungsjagd gefährdet Zivilist:innen

    In einem Interview mit der WDR Lokalzeit äußert sich Francesco, ein Freund des Fahrers, dass die Polizei zu brutal gehandelt habe: „Wie kann das sein? Er kann sich eh nicht mehr wehren, mehrere Leute sind auf ihm!

    Mit dieser Kritik ist Francesco nicht allein, der Kriminologe Thomas Feltes äußerte sich ebenfalls in einem Online-Interview zu dem Fall: „Wo die Person am Boden liegt und von einem Beamten fixiert ist, darf in keinem Fall mehr auf sie eingeschlagen werden.“ , in dem Video sehe man jedoch ein „relativ blindes Einschlagen“ auf die Person.

    Seine Bedenken reichen noch weiter, denn er kritisiert nicht nur die Polizeigewalt, sondern stellt im Laufe des Interviews auch die Notwendigkeit der Verfolgungsjagd infrage. Er halte Verfolgungsjagden in solchen Bereichen, wo dritte und unbeteiligte Personen gefährdet werden, nur dann für gerechtfertigt, wenn im Vorhinein eine schwere Straftat begangen worden sei. Ansonsten fehle ihm die Verhältnismäßigkeit.

    Unkritische Übernahme des Polizeiberichts durch die Medien

    Bei Vorfällen von Polizeigewalt kommt es immer wieder zu einer unkritischen Übernahme der Polizeiberichte und offensichtlicher Parteinahme im Sinne des Staates durch die Medien. Das lässt sich auch in diesem Hagener Fall beobachten:

    Unter anderem die WDR-Lokalzeit veröffentlichte das Video, das von der Verfolgungsjagd aufgenommen wurde. Sie interviewt darüber hinaus Freunde des Fahrers. Bevor diese zu sprechen beginnen, wird der Zuschauer darüber informiert, dass die Freunde vorbestraft seien und anonym bleiben möchten. Was die mutmaßlichen Vorstrafen der vermutlich jungen Erwachsenen mit dem konkreten Fall und den Vorwürfen zu tun haben oder mit der Tatsache, dass sie anonym bleiben möchten, bleibt unklar. Es wirkt auf den ersten Blick eher wie ein Versuch, sie zu diffamieren und ihre Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.

    Im dazugehörigen Artikel des Autors Jürgen Kleinschnitger, den der WDR auf seiner Website veröffentlichte, wird außerdem unhinterfragt geschrieben, dass die Polizei Hagen vermutet, dass ein anderes Auto mehrmals versucht habe, die Beamten an der Verfolgung zu hindern. Für diese Vermutung werden jedoch keinerlei Belege oder weitere Anhaltspunkte genannt.

    In der Vergangenheit ist es immer wieder vorgekommen, dass nach Fällen von Polizeigewalt Fehlinformationen von der Polizei herausgegeben wurden, die den Blick der Öffentlichkeit von den Vorfällen ablenkten. So unter anderem im Falle Giorgos Zantiotis, bei dem die Wuppertaler Polizei zunächst verbreitete, dieser sei an einem Herzinfarkt in Folge eines hohen Drogenkonsums gestorben. Die Ergebnisse einer toxikologischen Untersuchung der Universität Düsseldorf ließen jedoch lediglich einen Alkoholwert von 0,1 Promille im Blut von Zantiotis feststellen.

    Warum starb Giorgos Zantiotis in Polizeigewahrsam? – Drogen durch Gutachten ausgeschlossen

    Studie zu Polizeigewalt legt häufiges Fehlverhalten nahe

    Eine Studie, die noch unter dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Deutschen Hochschule der Polizei in Auftrag gegeben wurde, nachdem sich angeblich Verdachtsfälle von „Rechtsextremismus“ in Sicherheitsbehörden gehäuft hätten, weist auf rassistische Tendenzen und Pflichtverletzungen in den Polizeibehörden hin.

    So berichtet jede:r fünfte Studienteilnehmer:in davon, im zurückliegenden Jahr mindestens einmal erlebt zu haben, dass ein Kollege oder eine Kollegin die Erfüllung dienstlicher Pflichten verweigerte. 29% der Befragten berichteten gar, dass sie Verletzungen von Dienstpflichten beobachten konnten.

    In einer Zusammenfassung der Studie heißt es dann, dass sich innerhalb der Polizei auch „menschenfeindliche Positionen“ feststellen ließen, bei 30% der Befragten seien Tendenzen sichtbar geworden, Asylsuchende abzuwerten. 10% der Befragten ließen in ihren Antworten antimuslimischen Rassismus erkennen und fast jede:r Fünfte unterstütze „chauvinistische Einstellungen“ oder äußere sich nicht eindeutig ablehnend.

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