Am 11. April 2023 verstarb der 45-jährige Vitali N. nach einem Polizeieinsatz in Berlin-Neukölln. Aus den Aussagen und Berichten der Polizei zum Verlauf des Einsatzes und denen der Ärzt:innen ergeben sich unauflösbare Widersprüche. Die Familie fordert nun auf juristischem Wege eine Zweitobduktion des Leichnams.
Vor rund einem Monat wurde der 45-jährige Vitali N., der bulgarischer Abstammung ist, in Niederlehme (Landkreis Dahme-Spreewald, Brandenburg) festgenommen. Der Aussage der Polizei nach soll Vitali auf einem ihm fremden Grundstück randaliert haben. Nachdem er Aufforderungen missachtet habe, sei er „mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt“ worden, wodurch er in Ohnmacht gefallen sei.
Als er auf der ungefähr 30 Kilometer entfernten Intensivstation in Berlin-Neukölln ankam, wurde sein Tod festgestellt. Der Tagesspiegel berichtet, dass Vitali bereits nach dem Polizeieinsatz hirntot gewesen sein soll. Ärztliches Personal habe Erde und Matsch im Gesicht und in den Luftwegen des Opfers gefunden, weshalb für sie ein Ersticken des Mannes nahe liege.
Vitali soll – wie viele andere Opfer von Polizeigewalt – eine „psychisch auffällige Person“ gewesen sein. Erst im März wurde in Senftenberg eine Person mit psychischen Problemen von der Polizei durch Schüsse getötet.
Polizeigewalt in Brandenburg – Mann nach Einsatz für tot erklärt
Da sich aus den Aussagen der Ärzt:innen und der Beamt:innen nicht auflösbare Widersprüche ergeben, fordern die Angehörigen des Verstorbenen Aufklärung über seinen Tod. In ihrem Auftrag hat der Rechtsanwalt Falko Drescher Strafanzeige erstattet, da bekannt wurde, dass bisher kein Strafverfahren gegen die am Einsatz beteiligten Polizist:innen eingeleitet wurde.
Bisher deuten viele Indizien darauf hin, dass es sich im Fall von Vitali N. um einen weiteren Polizeimord durch unverhältnismäßige Gewaltanwendung handelt. Die Familie äußert großes Misstrauen gegenüber den Ermittlungsbehörden und möchte eine unabhängige Obduktion initiieren. Darüber hinaus fordern sie die zeitnahe Überführung des Leichnams, damit sie Vitali in Moldau beisetzen können.
„Zahlreiche Widersprüche stehen im Raum, und es scheint kein Interesse bei den Ermittlungsbehörden zu geben, diese auszuräumen. Für die Angehörigen stellt sich die Frage, inwiefern Rassismus auf Seiten der Polizei zur Gewalteskalation geführt hat. Zudem war es für sie eine enorme psychische Belastung, die Details zu dem Tod von Vitali N. nicht über offizielle Wege, sondern aus der Presse erfahren zu müssen“, so Julian Muckel, Berater des Vereins “Opferperspektive”.
Da die unabhängige Zweitobduktion sowie die anwaltliche Vertretung viel Geld kosten, benötigen die Angehörigen nun finanzielle Mittel. Die Potsdamer Initiative „Polizeikontrollstelle – Initiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei“ ruft daher mit der Spendenkampagne “Aufklärung für Vitali N.” zu Solidarität mit den Hinterbliebenen auf.