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Montag, April 29, 2024
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    Weltfinanzsystem: Sind die USA bald zahlungsunfähig?

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    Seit Wochen verhandeln die demokratische Regierung und die republikanische Opposition der USA über eine Anhebung der US-Schuldenobergrenze. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte das Ende des US-Dollars als Weltreservewährung ankündigen — mit unabsehbaren Folgen für die kapitalistische Finanzwelt.

    Joe Biden zeigte sich zuletzt zuversichtlich: Eine Einigung im Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze sei „sehr nah“, so der US-Präsident am Freitag: „Es läuft eine Verhandlung. Ich bin hoffnungsvoll, dass wir heute Abend wissen werden, ob wir in der Lage sein werden, eine Vereinbarung zu schließen.“ 

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    Die Verhandlungen zwischen der von Bidens Demokraten gestellten US-Regierung und der republikanischen Opposition, die die Mehrheit im US-Kongress kontrolliert, laufen schon seit Wochen. Der Hintergrund: Bislang liegt die rechtliche Schuldenobergrenze der USA bei etwa 31,4 Billionen Dollar, was knapp 130% der US-Wirtschaftsleistung entspricht. Einigen sich Demokraten und Republikaner vor dem Erreichen dieser Verschuldungsgrenze nicht auf eine Anhebung, könnten die USA keine neuen Schulden mehr aufnehmen und die Regierung damit ihre laufenden Kosten nicht mehr bezahlen. Dazu zählen etwa Gehälter für Staatsbedienstete und Militärs, Sozial- und Gesundheitsleistungen und die Zinsen auf laufende Staatsanleihen. Laut US-Finanzministerin Yellen könnte dieser Fall bereits am 5. Juni eintreten.

    Was nach einer — wenn auch großen — Unannehmlichkeit für die US-Regierung klingt, hat noch eine weitaus größere Dimension und könnte dramatische Folgen für den Weltkapitalismus nach sich ziehen: US-Staatsanleihen — sozusagen die Schuldscheine der USA — bilden noch immer eine der wichtigsten Säulen des weltweiten Banken- und Finanzsystems. Finanzinstitute, Notenbanken und Staaten halten diese Staatsanleihen als vermeintlich sicherste Anlageklasse vor, weil der Markt für diese Anleihen so groß ist, dass sie zu jeder Zeit zügig verkauft werden können. US-Staatsanleihen sind damit so etwas wie das „Bargeld“ des globalen kapitalistischen Finanzsystems: Jede:r kann sie zu jeder Zeit eintauschen. 

    Die Stellung der US-Staatsanleihen ist darauf gegründet, dass der größte Teil des grenzüberschreitenden Handels — wie etwa für Öl und andere Rohstoffe — heute in Dollar abgewickelt wird, dass die Nachfrage nach US-Dollar daher vermeintlich nie versiegen wird, und die USA deshalb vermeintlich niemals zahlungsunfähig werden können.

    Einige Zahlen unterlegen das: Nach Angaben der “Bank für Internationalen Zahlungsverkehr” (BIZ) ist der US-Dollar heute an fast 90% der globalen Devisen-Transaktionen beteiligt. Etwa die Hälfte der weltweiten grenzüberschreitenden Schulden lautet auf Dollar. Und der Anteil des Dollars an den globalen Währungsreserven lag nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ende 2022 bei 58%  – auch wenn die Tendenz rückläufig ist.

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    Die Annahme von der Fähigkeit der USA, sich unbegrenzt zu verschulden, ist damit eine kollektive Grundannahme weitgehend aller kapitalistischen Akteure des Weltfinanzsystems. Dabei ist sie von den Tatsachen nicht wirklich gedeckt — was momentan die Existenz einer Schuldenobergrenze in den USA zeigt. Seit 1960 ist diese bereits 78 Mal angehoben worden, was bei unklaren politischen Machtverhältnissen in den USA ein sehr unsicherer Akt sein kann. Und genau vor diesem Problem steht die Biden-Regierung gerade im Moment.

    Scheitern die Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern in diesem Frühjahr  – und sei es nur für einige Zeit -, könnte dies die Rolle des US-Dollars als Weltreservewährung langfristig in Frage stellen, und damit eben eine wesentliche Grundlage des heutigen Weltfinanzsystems.  Bestrebungen, das dollarbasierte Weltfinanzsystem durch eine neue Weltfinanzordung zu ersetzen, gibt es schon länger, und zwar vor allem von Seiten Chinas, des wichtigsten imperialistischen Konkurrenten der USA Dies stellte aufgrund massiver wechselseitiger Abhängigkeiten jedoch alles andere als ein einfaches Unterfangen dar. 

    An einer ungeordneten Zahlungsunfähigkeit der USA dürften weder Demokraten noch Republikaner ein Interesse haben. Beide Seiten suchen daher fieberhaft nach einem Kompromiss. Dieser könnte wohl darauf hinauslaufen, dass die Demokraten den Republikanern die erneute Anhebung der Schuldenobergrenze mit Haushaltskürzungen im Jahr 2024 abkaufen. Am Donnerstag sagte der republikanische Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus Kevin McCarthy, „jede Stunde“ in den Gesprächen mit dem Team von Präsident Joe Biden zähle.

    Wie auch immer die Verhandlungen ausgehen: Der bloße Umstand, dass sie stattfinden und eine vorübergehende Zahlungsunfähigkeit der USA nicht ausgeschlossen ist, zeigt die fragile Basis des heutigen kapitalistischen Weltfinanzsystems auf, das eben auf nichts anderem als auf Schuldscheinen basiert. 

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