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Samstag, April 27, 2024
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    EU in Brüssel: Weitere Verstümmelung des Asylrechts geplant

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    Die EU will das Asylrecht massiv aushöhlen. Geplant sind zentrale Datenbanken mit biometrischen Daten, mehr „sichere“ Drittstaaten und Schnellverfahren an den Außengrenzen – all das, um die Zahl der Geflüchteten in Europa zu begrenzen. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Wenn sich die Innenminister:innen der 27 EU-Mitgliedsstaaten heute in Brüssel treffen, um über die Veränderung des europäischen Asylrechts zu diskutieren, ist eingeschlagene Richtung schon im Vorfeld klar: Eine erhebliche Verschärfung soll durchgesetzt werden.

    Übergreifendes Ziel ist dabei, dass weniger Geflüchtete in der EU bleiben können. Hierzu sollen unter anderem schnelle Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden, bei denen innerhalb von 14 Tagen ermittelt werden soll, dass die asylsuchende Person keinen Anspruch darauf habe. Hierfür wird rechtlich so getan, als sei die Person noch nicht auf EU-Territorium, um ihren Anspruch auf ein normales Asylverfahren auszuhebeln.

    Weiterhin soll die zentrale europäische Datenbank aufgerüstet werden und nun auch die Möglichkeit bieten, biometrische Daten von Geflüchteten zu speichern, um diese in ganz Europa leichter identifizieren zu können. Ankommende Geflüchtete sollen sofort einem „Screening-Verfahren“ unterzogen werden, bei dem ihre Fingerabdrücke genommen werden und eine „Sicherheitsüberprüfung“ stattfindet.

    Zusätzlich soll die Liste der sicheren Drittstaaten erweitert werden, sodass die europäischen Behörden bei mehr Herkunftsländern davon ausgehen, dass diese als „sicher“ zu werten sind und somit das Recht auf Asyl verweigert werden kann.

    Bei der Aushöhlung des Asylrechts sind sich offenbar alle Akteure im wesentlichen einig, größeren Streit könnte es nur noch um Umverteilungsmechanismen geben, die Länder wie Italien fordern. EU-Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen, sollen als Ausgleich pro nicht aufgenommene Person 22.000 Euro zahlen.

    Geflüchtete in der EU sind ein Ergebnis des Neokolonialismus

    Kein Thema ist unterdessen, dass die Geflüchteten, die in die EU kommen, in nahezu allen Fällen vor Zuständen fliehen, die die europäischen Kapitalist:innen und ihre Staaten direkt oder indirekt mitverursacht haben.

    Das gilt ebenso für die Balkanregion und viele andere Länder Osteuropas, die von deutschen Unternehmen zunehmend als Operationsbasis mit kostengünstiger Arbeitskraft verwendet werden wie für Länder wie Afghanistan oder dem Irak, in dem Deutschland oder seine NATO-Verbündeten jahrzehntelange Kriege mitgeführt haben.

    Da ist es ganz logisch, dass einzig ukrainische Flüchtlinge anders behandelt werden, für sie gilt nach wie vor eine Ausnahmeregelung, nach der ukrainische Staatsbürger:innen ohne Asylverfahren Asylrecht in Europa genießen.

    Das Motto ist hier offensichtlich, dass man nicht im eigenen Land mit den Ergebnissen der eigenen Politik und der eigenen Kriege konfrontiert werden will.

    Ampelkoalition ringt um Schönheitskorrekturen

    Die angeblich progressive Ampelregierung hat das Schlamassel um die massive Gesetzesverschärfung dementsprechend intelligent gelöst. Statt sich den massiven Verschärfungen des Asylrechts entgegenzustemmen, kann man sich als menschenfreundliche Kraft im Herzen Europas inszenieren, indem man zum Beispiel öffentlich dafür eintritt, dass Familien mit Minderjährigen grundsätzlich von den Abschiebe-Schnellverfahren an der EU-Außengrenze ausgenommen werden.

    Daran, dass heute in Brüssel nur Verhandlungen darüber geführt werden, wie genau die Festung Europa ausgebaut wird und nicht darüber, ob das geschieht, ändern solche Manöver aber reichlich wenig.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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