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Montag, April 29, 2024
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    Warum ein AfD-Verbot keine Lösung ist

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    Die AfD gewinnt laut Umfragen an Stimmen. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, diese faschistische Partei zu verbieten? Wieso Faschismus nicht „verboten“ werden kann und welche Probleme diese Forderung mit sich bringt – ein Kommentar von Fridolin Tschernig

    Die Alternative für Deutschland (AfD) würde aktuellen Umfragen zufolge von 19% der Wähler:innen gewählt werden, wenn die nächste Bundestagswahl diesen Sonntag wäre. Das würde die Partei zur drittstärksten Kraft im Parlament machen. Dies ergiebt eine Umfrage, welche die BILD am Sonntag in Auftrag gegeben hat. So oder so hat sich die Partei in den 10 Jahren ihres Bestehens als politische Kraft im deutschen Bundestag etabliert.

    Die AfD läuft dem Grundgesetz „diametral entgegen“

    Laut einer neuen Studie des “Deutschen Instituts für Menschenrechte” (DIMR) steht die gesamte AfD nicht mehr auf dem Boden der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ – und eben nicht nur derjenige Teil unter der Führung von Björn Höcke. Das solle dem staatlich finanzierten Institut zufolge eine Fortentwicklung seit ihrer Gründung sein. Die gesamte Partei könne somit, rein theoretisch, einem Verbotsverfahren unterworfen werden. Diese Studie wird nun zum Aufhänger für eine größere öffentliche Debatte.

    Die Grünen stehen schon seit längerem hinter einem Verbotsverfahren. Alle anderen im Parlament vertretenen Parteien lehnen solch ein Verfahren ab, da es die Opfer-Rhetorik der AfD bestärke. Es würde ein „falsches Signal“ senden und bekämpfe nicht die gesellschaftlichen Ursachen für die Unzufriedenheit der Bevölkerung.

    Ein Verbot des Faschismus?

    Die Diskussion um ein mögliches Parteiverbot wird von den bürgerlichen Parteien und den großen Medien ausgehend von einer völlig falschen Grundannahme geführt: Als ob sich der Faschismus verbieten lasse.

    Bei dem möglichen Verfahren geht es letztlich um nichts anderes. Denn die Führung innerhalb der AfD hat zwar tatsächlich gewechselt, aber sie war bereits seit ihrer Gründung 2013 eine faschistische Partei. Die Studie legt damit nahe, dass dies erst jetzt, nach dem offensichtlichen Kurswechsel auf eine völkisch-nationale Richtung der AfD, festzustellen sei. Letztlich handelt es sich bei dem Auslöser der Diskussion um das Verbot aber nur um einen rhetorischen Kurswechsel, der sich in dem offener zur Schau gestellten national-sozialistischem Vokabular führender Politiker:innen äußert.

    Faschismus lässt sich nicht verbieten

    Die Grundannahme, dass der Faschismus verboten werden könne, wird nur ernsthaft von Menschen zugrunde gelegt werden, die sich kein einziges Mal mit der faschistischen Geschichte der BRD beschäftigt haben: Die Sozialistische Reichspartei (SRP), die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) oder Combat 18 sind allesamt Beispiele für faschistische Organisationen unterschiedlichen Charakters, die seit 1950 verboten wurden.

    Diese Verbote haben aber dem Blühen und Gedeihen der faschistischen Bewegung in Deutschland nie nachhaltig geschadet. Die organisierten Faschist:innen haben trotzdem weiter gemacht oder sich zum Teil einfach woanders organisiert. Jetzt ist ihre Partei, die AfD, die drittstärkste Kraft im Bundestag. Dass solche Verbote nachhaltig nichts bewirken, hat vor allem den einen Grund: Der deutsche Staat hat gar kein Interesse daran, faschistische Organisationen zu zerschlagen. – Woran zeigt sich das?

    Der Staat und die AfD

    Zum Einen schützt der deutsche Staat die Faschist:innen mit milden Urteilen wie in Fretterode oder mit verhinderter Aufklärungsarbeit wie beim NSU. Dabei muss klar sein, dass der Staat sehr gut darüber Bescheid weiß, was Faschist:innen alles machen und wie sie sich organisieren. Denn zum Zweiten schützt der Staat die Faschist:innen nicht nur, sondern motiviert sie geradezu, Terroranschläge zu begehen oderbaut direkt faschistische Organisationen auf.

    Hinlänglich wurde das mit dem Aufbau des NSU bewiesen, bei dem unzählige V-Leute die notwendigen Ressourcen und Ratschläge bereit stellten. Oder bei Die Heimat (früher NPD), deren erstes Verbotsverfahren wegen „fehlender Staatsferne“ – also sich tummelnder V-Leute – eingestellt wurde.

    Und auch bei der AfD hatte der Staat seine Finger im Spiel: Hier sammelten sich seit 2011 Faschist:innen aller Strömungen und Organisationen, unter denen auch wieder Geheimdienstler zu finden waren. Und nebenbei traf sich der damalige Kopf des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, mit führenden Faschist:innen aus der AfD. Er gab ihnen gar Rat, wie es mit der Partei weitergehen könne.

    Keine Forderung nach einem Verbot

    Die Forderungen nach einem Verbot für faschistische Organisationen verschleiern eben genau, dass überhaupt keine Chance besteht, den Faschismus zu verbieten. Und oben drauf kommt noch, dass man die Forderung nach einem Verbot genau an den Akteur stellt, der maßgeblich für die Stärke und Stabilität der faschistischen Bewegung verantwortlich ist: an den deutschen Staat.

    Solche Forderungen nehmen also den deutschen Staat total aus der Schusslinie und schaffen es sogar, ihn als möglichen antifaschistische Bündnispartner darzustellen. Mehr noch:

    Für ein Verbot zu kämpfen, verschafft vordergründig die Illusion, dass ein Verbot des Faschismus möglich wäre und dass wir uns selber aus einer aktiven Rolle im Kampf gegen den Faschismus herausnehmen könnten.

    Wir müssen selber aktiv werden!

    Die bürgerlichen Parteien liegen mit ihrer Grundannahme, dass man Faschismus verbieten könne, falsch. Auch ihre Schlussfolgerungen zischen am Ziel vorbei: Wir können nicht einfach die enttäuschten Wähler:innen, die jetzt die AfD wählen, wieder dazu überreden, doch einfach andere Parteien zu wählen.

    Diesen Leuten müssen wir andere Antworten aufzeigen, als es die AfD und alle anderen Parteien tun: Wenn wir den Faschismus bekämpfen wollen, dann müssen wir selber aktiv werden und die faschistisch beeinflussten Teile der Bevölkerung mit anderen Antworten überzeugen, eine Alternative zur Alternative für Deutschland und dem bürgerlichen Parlament aufzeigen.

    • Seit 2022 Autor bei Perspektive. Schreibt als Studierender aus Sachsen insbesondere internationalistisch über die Jugend, Antimilitarismus und das tagespolitische Geschehen. Vorliebe für Gesellschaftsspiele aller Art.

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