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Sonntag, April 28, 2024
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    China, EU, USA: Handelskrieg geht in die nächste Runde

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    Schon vor Längerem haben die USA einen Handelskrieg gegen China begonnen. Nun schießt Beijing das erste Mal im großen Stil zurück.

    Die Volksrepublik China liefert eine erste größere Antwort auf den Wirtschaftskrieg des Westens gegen sie und kündigt ab August Exportkontrollen bei strategisch wichtigen Rohstoffen an. Für den Export der Metalle Gallium und Germanium und Produkte, die aus ihnen hergestellt werden, müssen Unternehmen dann eine Lizenz beantragen.

    Besonders hart werden davon die Europäische Union und die USA getroffen, denn die Metalle sind für praktisch alle Hochtechnologien wie Halbleiter, Glasfaser, die Elektrofahrzeugindustrie aber auch einige Militärtechnologien unersetzlich. So wird etwa Europas wertvollster Tech-Konzern “ASML” aus den Niederlanden –  weltweit führend in den wesentlichen Chip-Produktionsprozessen – dann für den größten Teil seiner Produkte, die in China hergestellt werden, eine Exporterlaubnis der Regierung benötigen.

    Entscheidung gilt als Vergeltungsmaßnahme gegen die USA und EU

    Begründet wurde die Entscheidung damit, dass China die „strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik“ wahren wolle. Wahrscheinlich handelt es sich aber auch um eine Reaktion auf das Verbot einiger Chip-Exporte durch die USA. Bereits der ehemalige Präsident Donald Trump hatte begonnen, chinesische Konzerne zu bekämpfen. Zunächst versuchten die USA, Huawei und einige weitere chinesische High-Tech-Konzerne zu ruinieren – dies auch, indem sie Drittstaaten nötigten, etwa beim Aufbau ihrer 5G-Netze auf chinesische Technologie zu verzichten.

    Deutschland und die EU folgen schrittweise, wenn auch bisher in sicherem Abstand: Berlin und Brüssel bestehen darauf, dass man eine Entkopplung von China ablehne und nur die eigene Unabhängigkeit ausbauen wolle. Dies mündet unter anderem in dem Versuch, Vorprodukte nicht mehr aus der Volksrepublik, sondern aus anderen Ländern zu beziehen, etwa aus Indien oder Vietnam.

    Berichten zufolge ist Deutschland auch gerade dabei, dem US-Druck in Sachen Huawei nachzugeben und nicht nur ein weitreichendes Verbot für die Nutzung von 5G-Technologie des chinesischen Konzerns zu verhängen, sondern auch die Entfernung längst verbauter Huawei-4G-Technologie aus den bestehenden deutschen Netzen zu verlangen.

    Darüber hinaus hat die EU-Kommission kürzlich eine neue Strategie zur Erreichung von „Wirtschaftssicherheit“ präsentiert, die schärfere Kontrollen bei Exporten und Investitionen vorsieht und in Wirtschaftsmedien völlig offen als „Anti-China“-Strategie charakterisiert wird: Sie sieht ein sogenanntes “Outbound Investment Screening” vor, das Firmen aus der EU verpflichtet, sich etwaige High-Tech-Investitionen in China ausdrücklich genehmigen zu lassen. Investitionen, mit denen ein nennenswerter Technologietransfer verbunden wäre, würden dann untersagt.

    EU versucht Aufholjagd – 43 Milliarden für die Chip-Industrie

    China sucht neue Verbündete

    Fast zur gleichen Zeit, als China seine Maßnahmen verkündete, wurde der Iran auf einem virtuellen Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) am 4. Juli als neuntes Land in das Bündnis aufgenommen. Die SCO wird sich weiter ausdehnen, denn auch Belarus bereitet derzeit seinen Beitritt vor.

    Der Beitritt des Iran zur SCO wurde vom indischen Premierminister Narendra Modi bereits offiziell angekündigt. Der Iran, gegen den der Westen Sanktionen verhängt hat, kommt allmählich aus seiner internationalen Isolation heraus und baut seine Beziehungen zu Russland und China aus. Der chinesische Präsident Xi Jinping betonte gleichzeitig die Notwendigkeit, den “regionalen Frieden” zu schützen.

    Viele seiner Äußerungen konzentrierten sich auf den globalen Handel und die Investitionen. Er erklärte, dass China gegen Protektionismus sei, und bekräftigte sein Engagement für die wirtschaftliche Globalisierung. Zu den Dokumenten, die auf dem Treffen verabschiedet wurden, gehörte auch das Strategie-Papier der SCO für die wirtschaftliche Entwicklung bis 2030.

    Auswirkungen des Handelskriegs

    China ist der weltgrößte Produzent der Mineralien Gallium und Germanium. Die EU bezieht 71 Prozent ihres Galliums und 45 Prozent ihres Germaniums aus diesem Land. Besonders für Halbleiter sind diese Materialien sehr wichtig. Wie schwer die Folgen sein können, wenn sie nicht verfügbar sind, konnte man während der Corona-Pandemie beobachten, als in deutschen Werken die Autoproduktion gestoppt werden musste.

    Die EU hat mit ihrem „Chips Act“ ein Programm aufgelegt, um die Ansiedlung von Halbleiter-Werken in Europa zu fördern. Dadurch soll der Weltmarktanteil der Chip-Produktion bis 2030 auf etwa 20 Prozent verdoppelt werden. Dieser Versuch einer Abkopplung der Lieferketten von China war bislang allerdings nicht erfolgreich. Es sieht aus, als habe China im Handelsstreit die Oberhand. Schließlich hat das Land auch seine Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft.

    Das sieht auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck so. Am Dienstag wies er darauf hin, dass die Volksrepublik ihre Politik auch zum Beispiel auf Lithium ausweiten könnte. Dann gäbe es in Europa laut Habeck „ein ganz anderes Problem“. Allerdings sprach er sich auch wiederholt dafür aus, weiterhin nach Unabhängigkeit von China zu streben. Es ist also wahrscheinlich, dass der Handelskrieg noch weiter gehen wird und noch lange nicht vorbei ist.

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