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Sonntag, April 28, 2024
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    Einschränkungen bei Twitter: Für Meinungsfreiheit muss man zahlen

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    Elon Musk hat am Wochenende die Anzahl der Tweets, die Nutzer:innen angezeigt werden können, eingeschränkt. In der Vergangenheit hat er oft davon gesprochen, dass er auf Twitter echte Meinungsfreiheit herstellen will. Doch grundlegende Rechte wie Meinungs- und Pressefreiheit gibt es sowieso nur für diejenigen, die auch die finanziellen Mittel haben. – Ein Kommentar von Gillian Norman

    Am Samstag twitterte der Eigentümer von Twitter Elon Musk, dass für angemeldete Nutzer:innen künftig pro Tag nur noch 600 Tweets angezeigt werden. Für neu angemeldete Konten soll es sogar nur die Hälfte sein, für Nutzer:innen, die für „Twitter Blue“ bezahlen jedoch das 10-fache. Eine Verifizierung des Profils durch ein Abonnement von „Twitter Blue“ für knapp 10 Euro pro Monat führte der Twitter-Boss Ende letzten Jahres ein.

    Der Grund für die Einschränkung ist laut Musk, dass dies notwendig sei um die hohe Datennutzung und Systemverarbeitung in Angriff zu nehmen. Ironischerweise berichteten viele Nutzer:innen, dass das Update zu großen Problemen führte und viele Funktionen der Plattform nicht nutzbar waren.

    https://twitter.com/sysop408/status/1675163602687496192?s=20

    Tatsächlich sollte die Änderung vor allem dazu beitragen, dass das Anschauen von Tweets ohne Anmeldung nicht mehr möglich ist. Vorher war dies zumindest eingeschränkt möglich und man konnte über die Google-Suchfunktion zu Tweets oder Profilen gelangen und diese anschauen.

    Einige Nutzer:innen beklagten außerdem, dass viele Menschen auf Twitter als wichtigen Ort des
    Informationsaustausch angewiesen sind und beispielsweise bei den aktuellen Aufständen in Frankreich eine wichtige Rolle spielt.

    Vollständige Meinungsfreiheit statt „Cancel Culture“?

    Bereits vor der Übernahme von Twitter durch Elon Musk sprach dieser regelmäßig davon, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden würde, die Presse gleichgeschaltet wäre und die „woke“ Kultur Menschen ungerechtfertigt „canceln“ würde. Nach der Übernahme war seine erste Amtshandlung daher, das gesperrte Profil des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wieder freizuschalten.

    Auch das Verbot von echter „Comedy“ prangerte der Milliardär regelmäßig an und versuchte die Existenz rassistischer und sexistischer „Witze“ zu rechtfertigen. Wie so oft sollte diese „Meinungsfreiheit“ aber nur für ihn und seine reichen Freunde gelten, sowie für die, die diese rückschrittliche Propaganda verteidigen.

    So wurde im Zuge der Einführung von „Twitter Blue“ die Verifizierung von Profilen abgeschafft und alle Abonnenten mit einem blauen Haken ausgestattet. Als jedoch Profile auftauchten, die Elon Musk parodierten, ging er hart dagegen vor und verteidigte seine Einschränkung, da dies nun nicht mehr zu seiner propagierten „Meinungsfreiheit“ dazu gehöre. Ein neuer Verifizierungsmechanismus wurde kurz darauf wieder eingeführt.

    Auch in der öffentlichen Debatte in Deutschland sieht man immer wieder, dass sich gerade Konzerne wie Springer mit seinen Zeitungen „Bild“ und „Welt“ am lautesten über die Einschränkung der „Meinungsfreiheit“ beklagen. Und das obwohl sie diejenigen sind die über die größten öffentlichen Sprachrohre verfügen und Millionen von Menschen mit ihrer spalterischen Hetze beeinflussen.

    Für echte Freiheiten reichen keine formalen Gesetze

    Dass es mit der Meinungsfreiheit aber nicht so gut steht stimmt zwar – allerdings nicht so wie Elon Musk oder der Springerkonzern es denken. So wurde hier in Deutschland beispielsweise der Volksverhetzungsparagraph verschärft und das Zeigen der Sowjetfahne rund um den 8. Mai verboten. In der Ukraine wurden mit Kriegsbeginn jegliche Oppositionsparteien verboten worden und sogar das Singen der Internationale steht unter Strafe. Abweichende Meinungen, die die Strategie der kapitalistischen Staaten bedrängen, werden also regelmäßig verboten.

    Mit härteren Strafen gegen abweichende Meinungen?!

    Die eigentlich ausschlaggebendere Frage ist jedoch die, ob man überhaupt die Mittel hat, um seine Meinung in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn allzu oft bekommen wir zu hören, dass Meinungsfreiheit im Kapitalismus sowieso für alle gleichermaßen gelten würde, da diese ja im Grundgesetz oder der Verfassung verankert sei.

    Doch eine echte Meinungs- und Pressefreiheit kann es niemals in einem System geben, in dem nur ein Bruchteil der Gesellschaft überhaupt genug Geld und ein entsprechendes Netzwerk hat, um zum Beispiel eine eigene Zeitung herauszugeben.

    Und auch wenn das Internet nochmals neue Möglichkeiten gebracht hat, sehen wir doch immer wieder, dass die Reichen ohne Mühen in der Lage sind, unsere „Freiheiten“ einzuschränken. Sobald ihnen Entwicklungen nicht passen oder sie ihre Herrschaft untergraben sehen, können sie das Internet als hauptsächliches Kommunikationsmittel einfach einschränken oder sogar ganz lahmlegen.

    • Schreibt seit 2022 für Perspektive und ist seit Ende 2023 Teil der Redaktion. Studiert Grundschullehramt in Baden-Württemberg und geht früh morgens gerne eine Runde laufen.

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