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Samstag, April 27, 2024
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    Diese Kürzungen will die Regierung 2024 durchdrücken

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    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 15. November ist ein Finanzierungsloch für den Klima- und Transformationsfonds sowie für den Kernhaushalt 2024 in Höhe von zusammengenommen 30 Milliarden Euro durch die Bundesregierung auszugleichen, um die Schuldenbremse verfassungskonform einzuhalten. Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) sowie Christian Lindner (FDP) beschlossen am Mittwoch, den 20.12.2023 einen planmäßigen Kürzungskatalog.

    Das Bundesverfassungsgericht hatte auf Antrag der CDU am 15. November rückwirkend entschieden, dass der Ampel-Regierung die Steuergelder für den Kampf gegen Corona nicht für Investitionen zum Umbau der deutschen Wirtschaft zur Verfügung stehen. Daraufhin fehlten für den Haushaltsplan 2024 etwa 30 Milliarden Euro: 17 Milliarden im Kernhaushalt sowie 13 Milliarden im Klima- und Transformationsfonds (KFT).

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben am Mittwoch, den 20. Dezember, ihre Kürzungspläne vorgestellt. Das Finanzministerium sei nun derzeit dabei, „die nötigen Formulierungshilfen für den Deutschen Bundestag zügig zu erarbeiten”, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.

    Die Kürzungsliste

    Laut den Zahlen, die der Zeit und der Tagesschau vorliegen, ergibt sich die folgende Auflistung.

    920 Millionen Steuervergünstigungen für Landwirte entfallen: Für Fahrzeuge in der Land- und Forstwirtschaft soll künftig Kfz-Steuer fällig werden. Das soll Mehreinnahmen von 480 Millionen Euro bringen. Weitere 440 Millionen Euro soll die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bringen. Dies sorgte jüngst für eine Protestkolonne der Bauernvereinigung nach Berlin.

    1,38 Milliarden bei Ministerien eingespart:  800 Millionen Euro für internationales Engagement aus den Etats des Auswärtigen Amts, des Wirtschaftsministeriums und des Entwicklungsministeriums  wurden zusammengestrichen. 380 Millionen Euro muss das Verkehrsministerium beitragen, 200 Millionen das Bildungsministerium.

    12,7 Milliarden soll der Klima- und Transformationsfonds einsparen: Die Programmausgaben des Sondertopfs für Klimaschutz werden um 12,7 Milliarden Euro reduziert. Unter anderem würden Subventionsprogramme abgeschafft, wo sich Produkte im Markt etabliert hätten, hieß es pauschal. Am Wochenende hatte das Wirtschaftsministerium bereits das Ende des Umweltbonus für Elektroautos verkündet. Außerdem fällt ein 5,5 Milliarden Euro schwerer Zuschuss zur Absenkung der Netzentgelte beim Stromnetz weg.

    1,4 Milliarden in Plastikabgabe durch Unternehmen (bzw. Konsument:innen) statt der Regierung: Bisher zahlte die Bundesregierung eine Plastikabgabe an die EU, künftig sollen das die Hersteller selbst übernehmen. Das soll Zusatzeinnahmen von 1,4 Milliarden Euro bringen.

    600 Millionen weniger Bundeszuschuss für die Rente: Die Gesetzliche Rentenversicherung erhält 600 Millionen Euro weniger vom Bund. Zugleich soll ein Rentenniveau von 48% bis zum Jahr 2039 garantiert werden. Das Rentenniveau sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat.

    1,5 Milliarden muss die Arbeitsagentur zurückzahlen: Die Bundesagentur für Arbeit soll 1,5 Milliarden Euro an den Bund zurückzahlen, die während der Corona-Krise als Zuschuss flossen.

    520 Millionen durch Umschichtung bei Waffenkäufen: Die Bundeswehr kauft Waffen nach, die aus den eigenen Beständen an die Ukraine abgegeben wurden. Dies wird nun nicht mehr aus dem Bundeshaushalt finanziert, sondern aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr. Im Haushalt entstehen so 520 Millionen Euro weniger Ausgaben.

    250 Millionen Euro beim Bürgergeld gekürzt: sie sollen laut Finanzministerium beim Bürgergeld dadurch entstehen, dass Bonuszahlungen für Weiterbildungen wegfallen und Sanktionen für „Totalverweigerer“ wieder eingesetzt werden

    500 Millionen Euro durch „Job-Turbo“ gegenüber Geflüchteten: d.h. über die schnellere Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt, inklusive Sanktionen bei Pflichtverletzungen.

    650 Millionen Euro aus höheren Ticketsteuern beim Fliegen: Auch die Luftverkehrsabgabe für Flugtickets soll erhöht werden. Außerdem soll ein Absenkungsmechanismus abgeschafft werden, der greift, wenn die Einnahmen aus dem Emissionshandel für den Luftverkehr steigen. Das zusammen soll im nächsten Jahr bis zu 650 Millionen Euro bringen.

    350 Millionen Euro kürzt der Bund den Ländern: Bei den Regionalisierungsmitteln wird gekürzt, die Bundesländer müssen den Schienenverkehr selbst erhalten.

    5,5 Milliarden Euro Einsparungen aus Zinsen und Rücklagen: Man geht perspektivisch von 2,3 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben aus. Außerdem greift der Bund rund 3,2 Milliarden Euro tiefer als geplant in eine Rücklage, die während der Flüchtlingskrise angehäuft wurde.

    Offener Betrag durch die Erhöhung einer Art „Klimasteuer“: Der CO₂-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit zum Jahreswechsel wird auf 45 Euro pro Tonne CO₂ angehoben.

    Einsparungsplan höchst unsicher und umstritten

    Diese Einsparungen zusammen ergäben 26,33 Milliarden Euro zuzüglich der letztgenannten Beträge aus der „Klimasteuer“. Angenommen, diese würde die fehlenden 3,67 Milliarden Euro generieren, dann wäre das 30 Milliarden Euro-Milliardenloch gestopft. Doch vieles auf dieser Liste ist reine Spekulation und nicht sicher. Deshalb will die Bundesregierung prüfen, ob sie auch 2024 die Schuldenbremse aussetzen kann. Dabei geht es zuerst um 2,7 Milliarden Euro an Fluthilfen für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal.

    Die Ampelkoalition will auch mit der Union sprechen, ob diese eine Aussetzung mittragen oder erneut klagen würde. Auch später im Jahr könnte die Schuldenbremse noch ausgesetzt werden – beispielsweise für den Fall, dass die Situation in der Ukraine dies erfordert.

    Ziel der Regierungsparteien ist es, den Haushalt 2024 Ende Januar im Bundestag zu beschließen. Am 2. Februar könnte der Bundesrat nachziehen. Bis dahin gilt die vorläufige Haushaltsführung. Mehrere hochrangige Politiker:innen aus den Oppositionsparteien sowie den Regierungsparteien selbst haben bereits öffentlich erklärt, dass sie nicht hinter den Kürzungen stehen. Es deutet sich an, dass die anhaltende Regierungskrise bis ins Jahr 2024 anhält.

    Klar ist aber schon jetzt, dass die Kosten und Kürzungen am härtesten wieder einmal die Arbeiter:innenklasse treffen werden.

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