Im sächsischen Espenhain streiken die Kolleg:innen von SRW Metalfloat seit über 100 Tagen für die Einführung eines Tarifvertrags. Die Geschäftsführung in China zeigt sich verhandlungsunwillig. Viele deutsche Politker:innen und Gewerkschafter:innen statten derweil Besuche ab und stellen sich hinter den Streik.
Crimmitschau und Espenhain sind nur 42 km voneinander entfernt. Außer dieser räumlichen Nähe verbindet diese beiden sächsischen Städte noch etwas anderes: Sie reihen sich ein in den Kreis langdauernder Arbeitsniederlegungen nicht nur in der Region, sondern im gesamten Bundesgebiet. Der Streik zog sich über fünf Monate also 153 Tage, die Arbeiter:innen von Espenhain waren am 15.02.24 den 100. Tag im Ausstand. Vor über einhundert Jahren ging es in der Tuchindustrie um den 10-Stunden-Tag und 10 Prozent mehr Lohn. Wofür kämpfen die 180 Kolleg:innen heute?
Die Belegschaft des Recyclingbetriebes SRW Metalfloat streikt seit dem 8. November 2023 für die erstmalige Einführung eines Tarifvertrages. Der Betrieb ist also bis jetzt, was für ostdeutsche Betriebe nicht unüblich ist, ohne Tarifvertrag. Damit werden Entlohnung und Arbeitsbedingungen einseitig von den verantwortlichen Kapitalist:innen diktiert. Aktuell beträgt der Stundenlohn für die Arbeit am Sortierband 13,60 Euro die Stunde, mit der Einführung eines Tarifvertrages würde sich dieser um acht Prozent erhöhen. Die Arbeitszeit betrüge nur noch 38 Wochenstunden und das Urlaubs- und Weihnachtsgeld würde auf 1.500 Euro steigen.
Ein baldiges Ende des Arbeitskampfes ist derzeit nicht in Sicht. Die SRW Metalfloat GmbH ist ein Tochterunternehmen der Scholz Recycling GmbH. Der chinesische Geschäftsführer des Mutterunternehmens, Yongming Qin, hat Thomas Müller, dem lokalen Geschäftsführer in Espenhain, nach Angaben der IG Metall im August 2023 das Recht entzogen, Tarifverhandlungen zu führen. Darüber hinaus lehnt die zentrale Unternehmensleitung in China den Abschluss eines Tarifvertrages prinzipiell ab.
Der Besuch der bürgerlichen Prominenz
Dieser Streik ist nicht nur bemerkenswert wegen seiner Dauer und der Verhandlungsverweigerung der chinesischen Geschäftsführung. Besonders sticht hervor, dass gerade dieser Streik breite prominente Unterstützung erfährt. Von der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken über die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bis zur IG Metall-Vorsitzenden Christiane Benner: Alle waren sie vor Ort, um sich mit den Arbeiter:innen zu solidarisieren. Auch viele andere lokale und regionale Vertreter:innen aus Parteien und Gewerkschaften ließen es sich nicht nehmen, den Streikenden einen öffentlichkeitswirksamen Besuch abzustatten.
Einige der erwähnten prominenten Besucher:innen, die heute uneingeschränkt hinter dem Streik der Kolleg:innen in Espenhain stehen, fielen in der Vergangenheit nicht immer durch ihre unerschütterliche Solidarität mit den Arbeitskämpfen der Arbeiter:innenklasse in anderen Wirtschaftszweigen auf. Dazu zwei Beispiele.
Als im Jahr 2014 die GDL-Mitglieder bundesweit streikten, stellte die damalige SPD-Generalsekretärin Fahimi fest, dass dies angeblich unsolidarisch sei und die Gewerkschaft jedes Maß verliere. Damit stellte sie sich auf Seite des Unternehmens und nicht auf die der Arbeiter:innen, was vielleicht einige von einer führenden Repräsentantin der Sozialdemokratie erwartet hätten.
2023 rief die GDL erneut zur Arbeitsniederlegung auf und die Kolleg:innen folgten diesem Aufruf. Dieses Mal schlug sich mit Benner wiederum eine Gewerkschafterin auf die Seite des Kapitals, indem sie öffentlich verkündete, dass sich die GDL als Spalter betätige und der Streik unsolidarisch sei.
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Unterschiedliche finanzielle Folgen und ein chinesischer Eigentümer – den Streikenden ist es gleich
Die GDL-Streiks verursachten für die Kaptalist:innen in der Bundesrepublik einen Schaden in Milliardenhöhe. Espenhain hat geringe finanzielle Folgen für ein Unternehmen, dessen Mutterkonzern zudem noch in China sitzt. Dies könnte eine mögliche Erklärung für die unterschiedliche Wertung der Arbeitskämpfe durch Fahimi und Benner darstellen.
Ungeachtet der öffentlichen Aufmerksamkeit, die dieser Arbeitskampf genießt, lassen sich die Espenhainer Kolleg:innen nicht von ihrem Weg abbringen. Der Streikleiter Michael Hecker stellte fest, dass man nicht streike, um Rekorde zu brechen. Jedoch seien alle fest entschlossen, den Streik für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen weiter fortzusetzen.