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Montag, April 29, 2024
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    EU führt neokolonialen Machtkampf um Mauretanien

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    Die EU und Spanien investieren zusammen über 500 Millionen Euro in Mauretanien, um die Regierung zur weiteren Aufrüstung des Grenzschutzes und zum Rohstoff-Ausverkauf zu bewegen. Dabei verlor das europäische Kapital zuletzt an Einfluss in der Region. – Ein Kommentar von Johann Khaldun.

    Am vergangenen Donnerstag, dem 8. Februar, haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez Nouakchott, die Hauptstadt Mauretaniens in Westafrika besucht. Anlass war die steigende Zahl an flüchtenden Menschen und sogenannte „Entwicklungshilfe“.

    Spanien sicherte dem Land 300 Millionen Euro zu, die EU-Kommission weitere 210 Millionen. Mit diesem Kapital sollen der Grenzschutz ausgebaut und Menschenschmuggler bekämpft werden. Von der Leyen hat zusätzliche 22 Millionen Euro für ein neues Anti-Terror-Bataillon angekündigt, das die Grenze zum Nachbarstaat Mali, aus dem die EU zuletzt verdrängt wurde, patrouillieren soll.

    Neben diesen Grenzschutzmaßnahmen wurde auch in die Produktion und die notwendige Infrastruktur für den Export von „grünem“ Wasserstoff für die Europäischen Staaten investiert.

    Worum geht es wirklich?

    Mauretanien zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Es verfügt über kaum Industrie und hält sich ökonomisch durch den Export von Eisenerz, Erdgas und Fischereiprodukten über Wasser. Es handelt sich also um ein abhängiges Land, um eine Neokolonie, die dem Einfluss verschiedener imperialistischer Staaten ausgesetzt ist. Während zuletzt der Einfluss Russlands in der Region stieg, hat sie besonders für das europäische Kapital eine besondere Bedeutung.

    Über Mauretanien fliehen 83% der Geflüchteten-Boote nach Spanien. Die EU ist seit langer Zeit darum bemüht, die Sahel-Region insgesamt als Grenzregion zur Abwehr von flüchtenden Menschen auszubauen. Dies ist doppelt motiviert: zum einen muss das Kapital die Kontrolle darüber behalten, wer in die imperialistischen Kernländer migrieren darf. Zum anderen werden dringend qualifizierte Fachkräfte benötigt, die bislang vor allem aus anderen Regionen wie Südamerika geholt werden, sowie unqualifizierte Arbeiter:innen, die bevorzugt aus Osteuropa geworben werden.

    So bietet speziell die Sahel-Zone eine Möglichkeit, schon frühzeitig Flüchtende abzufangen, bevor sie in den Ländern am Mittelmeer ankommen, wo ihre oft gewaltsame Internierung und Rückführung die Aufmerksamkeit auch der bürgerlichen Medien stärker erreicht. Daher verspricht sich Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin zur EU-Wahl, dass Mauretanien das „Vorbild für eine Zusammenarbeit zwischen (…) Nordwestafrika und der Europäischen Union“ werden kann.

    Außerdem spielt der „grüne“ Wasserstoff aus der Region für den europäischen und speziell den deutschen Imperialismus eine zunehmend wichtige Rolle. Mit ihm soll die energiepolitische Abhängigkeit sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von Russland aufgebrochen werden. Damit stünde das europäische Kapital fester auf ‘eigenen’ Beinen, anstatt sich zwischen den anderen Imperialisten diplomatisch extrem vorsichtig bewegen zu müssen.

    Kein Aufatmen für die Menschen in Mauretanien

    Während sich die barbarische Grenzpolitik der EU mittlerweile also kaum mehr verhüllt, wird bei den neokolonialen Wirtschaftsverbindungen noch immer von Entwicklungshilfe bzw. -Zusammenarbeit gesprochen. Tatsächlich aber werden nur genau jene ökonomischen Strukturen gefördert, die das Land in der Abhängigkeit halten und Europa mehr Unabhängigkeit gegenüber seinen imperialen Konkurrenten verschaffen sollen.

    Für die Menschen in Mauretanien fällt dabei nichts ab. Die Gründe für die Armut des Landes, die Ursachen, die so viele Menschen in der Region zur Flucht zwingen, werden nicht bekämpft, sondern damit sogar verstärkt. Das Kapital interessiert sich für die Menschen nur als potentielle Objekte der Ausbeutung, als potentiell ungewollte Flüchtende und als mögliche Soldat:innen, mit denen man andere Menschen aus Europa fernhalten kann.

    Mauretanien wird also auch nach dieser Entwicklungszusammenarbeit weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde zählen. Die Menschen in Mauretanien könnten sich nur durch Selbstermächtigung aus dieser Lage befreien. Das hieße: Befreiung von der eigenen Regierung, die sie an das imperialistische Kapital ausverkauft, ebenso wie Befreiung von imperialistischer Einflussnahme und Ausbeutung.

    • Perspektive-Autor seit 2023. Philosoph deutsch-algerischer Abstammung mit Fokus auf Arbeiter:innengeschichte und deutschem Idealismus. Vom Abstrakten zum Konkreten auf dem Weg der Vermittlung.

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