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Samstag, April 27, 2024
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    Wirtschaftskrise: Krisenkosten in Deutschland bei halber Billion Euro

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    Der deutsche Kapitalismus befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Wirtschaftsforscher:innen haben die Krisenkosten zwischen 2020 und 2023 jetzt auf über eine halbe Billion Euro beziffert. Eine Erholung ist noch lange nicht in Sicht.

    Erst eine Überproduktionskrise, dann die Corona-Pandemie, gefolgt von unterbrochenen Lieferketten, dem Energiecrash nach Ausbruch des Ukrainekriegs — und jetzt der nächsten Überproduktionskrise: Der deutsche Kapitalismus kommt seit 2018 nicht mehr wirklich aus dem Krisenmodus heraus. Die Industrieproduktion liegt immer noch deutlich unter ihrem letzten Höhepunkt im November 2017. Und die Prognosen für das laufende Jahr sehen schon wieder düster aus.

    Kosten von Pandemie und Energiekrise

    Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat jetzt errechnet, wie groß der wirtschaftliche Schaden durch die Dauerkrise ausfällt. Demnach seien der deutschen Wirtschaft insgesamt 545 Milliarden Euro verloren gegangen. Die Zahlen beziehen sich allerdings nur auf den Zeitraum von 2020 bis 2023 und berücksichtigen dabei lediglich die Effekte durch besondere Ereignisse wie die Pandemie und den Ukraine-Krieg. Die IW-Ökonom:innen haben nämlich modelliert, wie die konjunkturelle Entwicklung ohne die äußeren Störungen verlaufen wäre, also z.B. ohne die Schließungen von Geschäften während der Pandemie und ohne die Folgen der Energiekrise von 2022. Die Effekte der „normalen“ Überproduktion von Waren – wie z.B. der zyklische Rückgang der Industrieproduktion – sind also außen vor gelassen. Das Ergebnis ist „preisbereinigt”, das heißt, nicht durch die Inflation nach oben verzerrt.

    Die Zahl von 545 Milliarden Euro kann nur eine grobe Idee von den Krisenkosten in Deutschland geben und würde bei weitem übertroffen, wenn auch der normale kapitalistische Gang der Wirtschaft einberechnet würde. Die Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben infolge der staatlichen Subventionen für Unternehmen und die anhaltenden Teuerungen kann durch die beschriebene Modellrechnung ohnehin nicht beziffert werden.

    Wirtschaftskrise: Commerzbank rechnet mit weiterem Jahr Rezession

    Kriseneffekte ähnlich stark wie nach 2008

    Etwas aussagekräftiger wird die Zahl von 500 Milliarden Euro jedoch, wenn man sie ins Verhältnis zur Wertschöpfung im selben Zeitraum setzt und dann mit früheren Krisen vergleicht. Hier ergibt sich aus der IW-Rechnung, dass Pandemie und Krieg zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 4 Prozent geführt haben. Dieser Wert liegt leicht unterhalb der Verluste während der Weltwirtschaftskrise ab 2008, als die Wirtschaftsleistung um 4,5 Prozent zurückging. Die Kosten der damaligen Krise werden auf 445 Milliarden Euro beziffert, wobei sich die Zahl ebenfalls auf einen vierjährigen Zeitraum bezieht.

    Kein Ende der Krise in Sicht

    Eine Erholung der deutschen Wirtschaft ist aktuell noch nicht in Sicht, die neue Krise ist vielmehr im vollen Gange. Inzwischen geht selbst die Bundesregierung — die ein politisches Interesse an optimistischen Prognosen hat — nur von einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr aus. Die Commerzbank und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnen sogar mit einem erneuten Minus. Im vergangenen Jahr hatte sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent verringert.

    Diese schlechten Prognosen werden durch neue Zahlen aus der Chemieindustrie untermauert. Die Branche gilt als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung, weil sie viele Grundstoffe für die Industrie herstellt und damit als erste höhere Auftragseingänge verbucht, wenn die Produktion nach einer Krise wieder hochfährt. Dies passiert im Moment jedoch noch nicht, wie die Geschäftszahlen von deutschen Branchengrößen wie BASF zeigen. Aktuell steige die Nachfrage nach Industriegütern bei den internationalen Endkunden des Konzerns nur langsam an.

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    Deutsche Konzerne wollen massiv Stellen streichen

    Für viele Beschäftigte bedeutet die Krise aktuell, dass ihre Jobs bedroht sind. Zahlreiche deutsche Unternehmen bauen nämlich trotz Arbeitskräftemangel tausende Arbeitsplätze ab: Darunter der Softwarekonzern SAP mit 8.000 Stellen und der Autozulieferer Continental mit über 7.000 Jobs. Auch VW, die Autozulieferfirmen ZF und Bosch sowie Bayer wollen Stellen abbauen. Die Chemieindustrie war im vergangenen Jahr eine der ersten Branchen, die große Sparprogramme angekündigt hat.

    Würde man tatsächlich alle entstehenden Kosten infolge der Wirtschaftskrise zusammenrechnen — wozu auch ausbleibende Löhne infolge von Stellenabbau und Kurzarbeit zählen würden — käme wohl noch eine deutlich höhere Zahl als 500 Milliarden Euro heraus.

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