Etwa ein halbes Jahr ist der Putsch gegen den pro-westlichen Präsidenten Mohamed Bazoum her. Seitdem hat die nigrische Interimsregierung alle Streitkräfte und Diplomat:innen der Neokolonialmacht Frankreich aus dem Land verwiesen. Dasselbe Schicksal trifft nun die ca. 1.100 Soldat:innen des US-Militärs. Zudem werden Pläne für eine eigene Währung geschmiedet.
Niger steht seit den anti-westlichen Putschen der letzten Jahre in Westafrika und der Sahelzone im medialen Rampenlicht. Auch die Abschaffung des „Law-2015/36”, das Migration und Transport im Norden des Landes aufs Schärfste kriminalisierte, und der Austritt aus der ECOWAS gemeinsam mit Mali und Burkina Faso sorgten für Aufmerksamkeit. In beiden Fällen hat sich die nigrische Militärregierung dazu entschieden, dem Westen den Rücken zu kehren.
Niger: Lage scheint sich zu beruhigen, doch die Zukunft bleibt ungewiss
Der Westen muss das Land verlassen
Seit der Kolonialzeit sind Truppen des französischen Militärs in Niger stationiert. Der Putsch in Niger, der von großen Teilen der Bevölkerung getragen wurde, hat auch dazu geführt, dass sich Nigr:innen für den Abzug der Neokolonialmacht einsetzten. Ende 2023 verließen die letzten französischen Streitkräfte das Land. Der Westen verurteilt das politische Vorgehen Nigers seit dem Putsch und versucht im selben Atemzug, die eigenen Militäroperationen und Kapitalinteressen in der Region weiter durchzusetzen.
Eine der schärfsten Kritiken an der Militärregierung kommt dabei aus Washington. Die US-amerikanische Regierung unternimmt seither den Drahtseilakt, die Entwicklungen in der Region zu verurteilen und gleichzeitig die Interessen des US-Imperialismus in dem Gebiet aufrechtzuerhalten. In Niger allein sind mehrere Militärbasen sowie der amerikanische Luftwaffenstützpunkt in Agadez, insgesamt sind ca. 1.100 Soldat:innen in Niger stationiert. Von dort aus werden militärische Operationen in ganz Nord- und Westafrika koordiniert, und der Stützpunkt in Agadez dient auch für Drohneneinsätze.
Am Samstagabend verkündete der nigrische Regierungssprecher Amadou Abdramane die sofortige Beendigung der Militärkooperation mit den USA, also einen Abzug aller Soldat:innen und die Räumung aller Militärbasen. Die nigrische Administration entschied sich für diesen Schritt nach dem dreitägigen Besuch einer US-Delegation, die nicht korrekt angekündigt war und demnach gegen das diplomatische Protokoll verstoßen hatte. Damit wirft Niger die nächste westliche Großmacht aus dem Land.
Koloniale Unterdrückung durch Besatzung und Währung
Die sahelischen Staaten Mali, Niger und Burkina Faso haben alle ein massives Problem mit dschihadistischer Gewalt in ihren Ländern. Die Militäreinsätze Frankreichs und der „Ausbildungs“-Einsatz der USA haben zwar dazu beigetragen, dem Terrorismus in dem Gebiet die Stirn zu bieten. Dennoch haben sie die Ursachen des Dschihadismus in der Region verstärkt, indem sie Land- und Rohstoffkonflikte fördern, Migrationskontrolle betreiben und die Armut im Land verstärken. Die Wurzeln des Problems sind vielschichtig, aber im Zentrum steht die koloniale Unterdrückung durch Frankreich, die das Land stetig unterentwickelt belassen hat.
Die USA haben nun die Militär- und Trainingsoperationen Frankreichs bzw. der Europäischen Union genutzt, um ihre Präsenz in der Region zu etablieren. Von Niger aus werden US-amerikanische Operationen weltweit koordiniert. Besonders die geostrategische Lage Nigers hat großen Einfluss auf die Politik in Nord- und Subsahara-Afrika.
Niger versucht seit dem Putsch, die pro-westliche Politik der Vorjahre wieder rückgängig zu machen. Dieses Vorhaben läuft bisher recht erfolgreich: Frankreich, die USA und die EU wurden aus dem Land verwiesen. Die Auswirkungen der Migrationspolitik der EU sind unter Kontrolle. Niger ist nun Teil der Sahel-Allianz und hat mit Mali und Burkina Faso sogar Ende Januar 2024 den sofortigen Austritt aus der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) verkündet.
Zwei Wochen, nachdem das Trio angekündigt hatte, die ECOWAS zu verlassen, hat der Chef des nigrischen Militärregimes zudem angedeutet, dass eine gemeinsame Währung mit Burkina Faso und Mali eingeführt werden könnte, und dies als einen „Schritt aus der Kolonialisierung“ bezeichnet.
Wie viele andere ehemalige französische Kolonien in Westafrika steht Niger durch den Franc CFA (Communauté Financière Africaine) unter währungspolitischer Kontrolle Frankreichs. Vor der Einführung des Franc CFA war der Franc die Währung in den französischen Kolonien Westafrikas. Auch nach der Unabhängigkeit blieben diese Länder, darunter auch Niger, in wirtschaftlicher Abhängigkeit. 1994 wertete die „Banque de France” beispielsweise den Franc CFA ab – ganz ohne Mitsprache der afrikanischen Staaten.
Der Franc CFA wurde 1945 eingeführt und ist in zwei Varianten unterteilt: den CFA-Franc BCEAO (Banque Centrale des États de l’Afrique de l’Ouest) für Länder wie Niger, die der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) angehören, und den CFA-Franc BEAC (Banque des États de l’Afrique Centrale) für Länder in Zentralafrika. Beide Währungen sind heute an den Euro gebunden.