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Sonntag, April 28, 2024
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    Rechte Verlage auf der Leipziger Buchmesse: Pseudo-Diversität zugunsten faschistischer Literatur

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    Am Donnerstag startete die diesjährige Leipziger Buchmesse. Zahlreiche Verlage, Medienschaffende, Autor:innen und Publizierende gaben über vier Tage hinweg Lesungen zu ihren neuen Werken, veranstalteten Workshops und ermöglichten persönliche Dialoge. Doch auch in diesem Jahr überschattete die Präsenz rechter Akteure das Messegeschehen in Leipzig. – Ein Kommentar von Arthur Jorn.

    Die Organisator:innen der Messe rechtfertigen die Anwesenheit rechter Akteur:innen unter dem Deckmantel der “Meinungsvielfalt” und machen so die rechte Gefahr salonfähig.

    „Wo, wo, wo wart ihr Silvester“, hallte es 2017 durch die Halle 4 der Frankfurter Buchmesse, als sich Verleger Götz Kubitschek gemeinsam mit seiner neonazistischen Entourage einer Gruppe von Antifaschist:innen gegenüber sah, die seine Lesung störten. Anwesende Polizeikräfte schafften es – zum Unmut der Rechten – nicht, die unübersichtliche Lage zu beruhigen. Gemeinsam mit seiner Frau Ellen Kositza wollte Kubitschek das damals neu erschienene Buch „Leben unter Linken“ von Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld vorstellen, wozu auch AfD-Politiker und Proto-Faschist Björn Höcke extra angereist war.

    Als bereits nach kurzer Zeit jedoch zahlreiche Protestierende die Lesung unterbrachen und antirassistische Schilder präsentierten, war es schnell vorbei mit der rechten Harmonie. Stattdessen entwickelte sich eine handfeste Auseinandersetzung, die auch noch Wochen nach der Messe die Schlagzeilen der etablierten Medien füllte.

    Szenen wie diese sind inzwischen keine Seltenheit mehr, sondern häufen sich mit dem Erstarken der neuen Rechten. Diese vertritt zu weiten Teilen einen akademischen und pseudo-wissenschaftlichen Ansatz, mit dem sie es schafft, bis tief in der gesellschaftliche „Mitte“ vorzudringen.

    Rechte Verlage als Teil der „Meinungsvielfalt“ auf den Buchmessen

    Die Präsenz des völkischen Verlegers Götz Kubitschek und seinem Antaios-Verlag 2017 war bei Weitem nicht der einzig fragwürdige Auftritt von rechtsextremen Strukturen auf den Buchmessen Deutschlands. So waren beispielsweise auch die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit, das verschwurbelte und rechts-esoterische Compact-Magazin mit Chefredakteur Jürgen Elsässer oder auch der rechtspopulistische Manuscriptum-Verlag  bereits auf zahlreichen (Buch-)Messen vertreten.

    Gerechtfertigt werden diese fragwürdigen Auftritte oftmals durch das vorgebliche Existenzrecht pluralistischer politischer Meinungen und den Wunsch der Organisator:innen, diese auch umfangreich repräsentieren zu wollen. So erklärte beispielsweise der damalige Direktor der Leipziger Buchmesse 2018, Oliver Zille, dass man unter keinen Umständen eine „Zensur“ vornehmen wolle.

    Daraus wollten die Verantwortlichen der Messe nun gelernt haben: Einmal mehr gibt sich die Messe demokratie-stärkend, transparent und weltoffen. Besonders im Kontext des aktuellen Rechtsrucks versuchen die Organisator:innen durchaus spürbar, Vorfälle wie den Eklat auf der Frankfurter Buchmesse 2017 zu vermeiden. Und doch wurde wieder einzelnen rechten Akteur:innen die Möglichkeit geboten, auf der Leipziger Buchmesse vertreten zu sein.

    Dazu zählt auch der rechts-esoterische und verschwörungsideologische Ahriman-Verlag. Dieser publiziert bereits seit den 1980er Jahren zahlreiche Veröffentlichungen mit teils rassistischen oder antisemitischen, teils aber auch völlig kruden und absurden Inhalten – darunter beispielsweise auch die „Werke“ des deutschen Rechtspopulisten Fritz Erik Hoevels. Bereits seit geraumer Zeit etabliert sich Hoevels zunehmend in völkischen und rechtsextremen Kreisen, wobei er als Gründer des sogenannten „Bunds gegen Anpassung“ regelmäßig mit faschistischen Ideologien sympathisiert und gegen Geflüchtete hetzt. Sich selbst versteht Hoevels als Marxist, wobei er seine eigene politische Identität fragwürdig begründet und insgesamt extrem rechte Standpunkte vertritt, die marxistischen Idealen im Kern widersprechen.

    Von Antaios bis zur Sezession – die Medien der Neuen Rechten

    Wie der Ahriman-Verlag, der Hoevels pseudo-marxistischen Standpunkt teilt und am Sonntag eine Lesung auf der Buchmesse zum Thema „Geburtenkontrolle” organisiert hat, sind auch andere Verlage als Verkörperung der Neuen Rechten und deren rassistischer und verworrener Ideologie häufig auf literarischen Messen vertreten.

    So war mit Götz Kubitschek der Antaios-Gründer und Lieblingsfaschist von Alexander Gauland bereits mehrfach auf Buchmessen vertreten. Dort inszeniert er sich meist als akademische Elite und Speerspitze einer „patriotischen“ Neuen Rechten. Holocaust-Relativierung, Queer-Feindlichkeit, Misogynie (Frauenfeindlichkeit) und völkischer Nationalismus gehören dabei genauso zum Repertoire des Verlagseigentümers, wie ein fragiles Männlichkeitsbild, eine stumpfe Islam-Phobie und natürlich auch etwas Antisemitismus.

    So kommt es auch nicht von ungefähr, dass sich Kubitschek, der neben seinem Verlag auch die Online-Zeitschrift Sezession im Netz gegründet hat, mit Holocaust-Leugnern solidarisiert oder Bücher des AfD-Mitglieds Alexander Gauland verlegt. Stets mit Hang zum Sozialdarwinismus versteht sich Kubitschek als intellektuelle Festung einer pseudo-patriotischen Bewegung. So organisiert er regelmäßig „Akademien“ auf seinem Grundstück im Süden Sachsen-Anhalts und wirbt regelmäßig mit „Bildungsveranstaltungen”.

    Doch egal, ob nun der Ahriman-Verlag auf der Buchmesse auftritt und mit einem pseudo-marxistischen Ansatz gezielte Falschinformationen und Halbwissen verbreitet, oder ob Götz Kubitschek völkische Ideologien und nationalistische Narrative verbreitet – die Organisator:innen der Buchmesse scheinen die Gefahr, die von derartigen rechten Akteur:innen ausgeht, nicht begriffen zu haben. Denn nicht eine vorgebliche Zensur bedroht die demokratischen Grundlagen in Deutschland, sondern das Salonfähig-Machen von extrem rechter und völkischer Ideologie.

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