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Zeitung für Solidarität und Widerstand

1. Mai: Klassenkampf mit dem DGB?

Zum diesjährigen 1. Mai ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf, in ganz Deutschland auf die Straße zu gehen. Doch wie kämpferisch ist der Aufruf? – Ein Kommentar von Herbert Scholle.

„Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“ – unter diesem Motto veröffentlichte der DGB in der vergangenen Woche seinen Aufruf zum diesjährigen Arbeiter:innenkampftag am 1. Mai. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass vom Thema Arbeitskampf kaum die Rede ist. Bis auf eine kurze Erwähnung zu Beginn gelingt es dem DGB nicht einmal, ein paar leere Floskeln diesbezüglich einzubauen. Beim genaueren Hinschauen wird dann deutlich: Der DGB hat gar kein Interesse daran, tatsächlich einen konsequenten Arbeitskampf zu führen!

Solidarität – aber wem gegenüber?

„Unsere Antwort heißt Solidarität!“ lautet die erste Zwischenüberschrift des Aufrufs. Der DGB erklärt hier anscheinend, wie er sich selbst versteht, denn stolz wird berichtet, dass Menschen sich dank der Gewerkschaften „den vielen Umbrüchen unserer Zeit nicht schutzlos ausgeliefert fühlen müssen“ – im DGB kämpften ja beinahe sechs Millionen Menschen gemeinsam. Zwar ist dieser Absatz der einzige, in dem überhaupt von Arbeitskampf die Rede ist. Wogegen der DGB allerdings kämpft, bleibt völlig unklar.

Auch schreibt der DGB, dass die hohe Zahl an bestehenden und neuen Gewerkschafter:innen für „Rückenwind“ in diesem Kampf sorgen. Diesen Rückenwind zu nutzen, fällt dem DGB aber scheinbar ungeheuer schwer, schließlich haben sich seine Gewerkschaften in den vergangenen Monaten bei Tarifverhandlungen auf einen schlechten Deal nach dem anderen eingelassen. Und das, obwohl die Streikbereitschaft bei deutschen Arbeiter:innen so hoch ist wie seit langem nicht mehr.

Zuletzt wiederholt der DGB noch einmal die Überschrift, spart es sich aber zu erklären was damit gemeint ist. Solidarität gegenüber den streikenden Arbeiter:innen? – Wohl kaum, denen fällt man lieber mit Schlichtungsverfahren und Tarifen inklusive Reallohnsenkung in den Rücken. Es wird erst ein Schuh draus, wenn man die Aussage als Solidaritätsbekundung gegenüber den Großunternehmen und Kapitalverbänden versteht, denn sie sind es, die tatsächlich von den Entscheidungen der DGB-Gewerkschaften profitieren.

Der Staat soll regeln

Doch wie möchte der DGB seine vagen Ziele denn überhaupt erreichen? Ganz einfach: der Staat soll das übernehmen. Ein „aktiver Staat“ soll einer weiteren Überschrift zufolge nämlich für „mehr Sicherheit“ sorgen. Um den aktiven Staat und seine „starke Demokratie“ zu schützen, appelliert der DGB schließlich noch an die Wähler:innen, ihre Stimme nicht der AfD zu geben und stattdessen „demokratisch“ zu wählen, womit scheinbar jede Partei links von der AfD gemeint ist.

Um also zusammenzufassen: Arbeiter:innen sollen einem Staat vertrauen, der mehr als oft genug gezeigt hat, dass er nur im Interesse der Reichen und Mächtigen handelt. Arbeiter:innen sollen Parteien vertrauen, die alle vier Jahre ihre Versprechen brechen. Arbeiter:innen sollen den DGB-Gewerkschaften vertrauen, obgleich diese immer wieder eine Reallohnsenkung nach der anderen einfahren..

Unsere Antwort heißt Klassenkampf!

Wenn der DGB unser einziger Schutz gegen „die vielen Umbrüche unserer Zeit“ wäre, müssten wir vor Angst nur so zittern, doch zum Glück ist das nicht der Fall. Es bleibt klar: Für unsere Interessen können wir nur selber kämpfen. Keine bestehende deutsche Partei oder Gewerkschaft wird das für uns tun.

In einem tatsächlich kämpferischen Aufruf zum 1. Mai, der hier ein Gegenstück zu dem des DGB darstellt, zeigt die klassenkämpferische Organisation Betriebskampf, wie es richtig geht – der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Lohn, gegen die Unterdrückung des Kapitals ist nämlich keineswegs hoffnungslos: Allein in diesem Jahr konnten Arbeiter:innen ermutigende Erfolge durch konsequente Streiks und Proteste erreichen. „All diese Kämpfe zeigen uns bei all ihrer Unterschiedlichkeit: Widerstand kann sich lohnen! Und es gibt einen Tag, an dem all diese Kämpfe zusammengeführt werden: am 1. Mai.“

Lasst uns in diesem Sinne am 1. Mai gemeinsam auf die Straße gehen und für unsere Interessen einstehen. Lasst uns ein klares Zeichen setzen, dass wir uns ihre Ausbeutung nicht mehr gefallen lassen! Dafür brauchen wir weder Gewerkschaftsfunktionäre noch Parlamentsparteien.

Herbert Scholle
Herbert Scholle
Perspektive-Autor seit 2023 und -Redakteur seit 2024. Der Berliner Student schreibt besonders gern über Arbeitskämpfe und die Tricks der kapitalistischen Propaganda. Er interessiert sich außerdem für Technologie und Fußball sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

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