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Dienstag, April 30, 2024
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    25 Jahre deutscher Krieg in Jugoslawien

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    Im März 1999 beteiligte sich Deutschland unter der ersten Bundesregierung aus SPD und den Grünen am Krieg der NATO gegen Serbien und führte damit den ersten deutschen militärischen Angriff seit 1945. 25 Jahre sind seit dieser Zeitenwende vergangen. – Ein Kommentar von Ali Najjar

    Ab den 90er-Jahren wurde die Bundesrepublik Jugoslawien von heftigen Bürgerkriegen erschüttert. Die Folge war der Zerfall des Landes in seine Teilstaaten. Im Jahre 1999 blieb vom ehemaligen Jugoslawien nur noch ein letzter Rumpf übrig, der hauptsächlich aus Serbien bestand. Neben den christlich-orthodoxen Serb:innen lebten auch muslimische albanischsprachige Kosovar:innen in der autonomen Region Kosovo im Südosten des Landes. Unter ihnen zeigten sich Unabhängigkeitsbestrebungen, die von den imperialistischen europäischen Mächten nicht unbemerkt blieben.

    Ein Krieg, der mit Lügen begann

    Ohne ein UN-Mandat beschloss die NATO unter Führung der USA, in den Krieg auf Seiten der kosovarischen Unabhängigkeitsbewegung zu intervenieren. Im Zuge dieses Beschlusses wurde eine umfassende Kriegspropaganda in den westlichen Ländern betrieben, die mit groben Verzerrungen und nachweislichen Lügen den Kriegseintritt rechtfertigen sollte. Eine Besonderheit: Erstmals sollte sich die BRD an einem Auslandseinsatz der NATO beteiligen.

    Die serbische Regierung unter Milosevic war zwar ohne Zweifel nationalistisch und chauvinistisch eingestellt und hatte schon an anderen Schauplätzen Kriegsverbrechen begangen. Im Falle des Kosovo wurde jedoch schnell klar, dass Berichte über Gräueltaten mindestens zum Teil übertrieben waren, beziehungsweise in erster Linie genutzt wurden, um die eigenen Interessen zu untermauern.

    In sehr ähnlicher Manier hat dann auch Russland seinen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 mit der Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine begründet.

    Unterwerfung des Balkans unter das deutsche Kapital

    Wenn Regierungen mächtiger Staaten von Moral zu reden beginnen und selektives Mitleid mit den geschundenen Völkern dieser Welt bekunden, ist immer Skepsis geboten. In der Rückschau ist klar zu erkennen, wie vordergründig eigene Interessen das Engagement der Bundesrepublik im Balkan motivierten. Im Verlauf der Abspaltung des Kosovo wurde das Land sukzessiv zu einem neokolonialen Protektorat und NATO-Stützpunkt, in dem auch ein ständiges Kontingent von Bundeswehrsoldat:innen stationiert ist. Ähnlich wie im Falle Bosniens wurde das Land einem quasi unbegrenzten Zugriff auf Arbeitsmärkte und Rohstoffe durch das deutsche Kapital ausgesetzt.

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    Darüber hinaus muss man zu dem Urteil kommen, dass die NATO-Bomben wohl mehr Leid, Vertreibung und Tod zur Folge hatten als dass sie Leben retteten. Niemals wird durch Bomben mächtiger Staaten Frieden gestiftet. In perfider Manier bemühten der damalige SPD-Kriegsminister Rudolf Scharping oder auch der erste Grünen-Vizekanzler Joschka Fischer sogar Vergleiche mit dem NS-Regime und dem Krieg im Kosovo. Unter dem Wahlspruch Nie wieder Auschwitz zog der deutsche Imperialismus erneut in den Krieg. Doch man sollte sich durch moralistische Vergleiche nicht den Blick für die Wirklichkeit vernebeln: So lassen sich auch heute genug Beispiele dafür finden, in denen Deutschland selbst in Verbrechen gegen andere Völker verwickelt ist. Das zeigen die Unterstützung der Türkei im Krieg gegen die Kurd:innen oder die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Israel.

    Vor 25 Jahren ist Deutschland den ersten Schritt gegangen, wieder militärisch um Einfluss in der Welt zu kämpfen. Diesen Weg setzen die deutschen Großkonzerne und die Regierung spätestens seit dem Ukraine-Krieg umso entschlossener durch. Heute wie damals sollten wir den Krokodilstränen, mit denen dieses Großmachtstreben gerechtfertigt wird, kein Vertrauen schenken und nach den wahren Beweggründen fragen.

    • Muslimischer Sozialist aus Berlin und Perspektive-Autor seit 2023. Fördert gern revolutionären Optimismus und Desillusionierung über den bürgerlichen Staat. Student der Sprachwissenschaften und Palästinenser.

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