In der konfliktreichen Kaschmir-Region finden aktuell erneut Proteste statt. Diesmal demonstrieren Menschen im von Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs gegen die starke Inflation und die hohen Strom- und Weizenpreise.
Die Region Kaschmir liegt in im Himalaya-Gebirge und ist unter anderem durch den fortwährenden Konflikt um sie bekannt. Dieser begann im Jahr 1947 mit der Teilung des indischen Subkontinents in die Staaten Indien und Pakistan. Dabei sollte die Region Kaschmir einem der beiden Staaten zugeteilt werden. Zunächst wurde Kaschmir 1947 Teil Indiens, worauf der erste indisch-pakistanische Krieg ausbrach, der 1949 mit der ungefähren Halbierung Kaschmirs endete, womit dieses unter den beiden Staaten aufgeteilt wurde.
Weitere militärische Konflikte in der Region seitdem sorgten dafür, dass das Gebiet heute unter indischer, pakistanischer und chinesischer Kontrolle aufgeteilt ist. Der Konflikt um die ursprüngliche Teilung Kaschmirs besteht dabei weiterhin.
Indien erhebt Anspruch auf die gesamte Kaschmirregion, also auch auf diejenigen Teile, die heute von Pakistan und China kontrolliert werden, während Pakistan und China zusätzlich auf Regionen Anspruch erheben, die von Indien kontrolliert werden. Die Region ist also auch heute noch stark umstritten, und der Konflikt spitzt sich seit einigen Jahren wieder zu.
Aktuelle Konflikte in der Region
Bis zum Jahr 2019 verfügte der indisch kontrollierte Teil der Region Jammu und Kaschmir über ein gewisses rechtliches Maß an Autonomie gegenüber dem Rest von Indien. Dieser Sonderstatus wurde dann im August 2019 von der hindu-nationalistischen Regierung Indiens aufgehoben. Beispielsweise hatten bis dahin nur Menschen aus Kaschmir die Möglichkeit, im Himalaya-Tal Land zu besitzen und sich dort anzusiedeln. Durch die Unterordnung Kaschmirs unter die indische Zentralregierung ist das nun nicht mehr der Fall.
Die muslimische Bevölkerung des Gebiets befürchtet, dass dadurch der Hinduismus in der Region Überhand nehmen soll. Die Region Jammu und Kaschmir ist die einzige mehrheitlich muslimische im sonst größtenteils hinduistischen Indien. Um während der Umsetzung der Änderung Proteste zu verhindern, wurde 2019 indisches Militär in die Region geschickt, und die Internet- und Telefonverbindungen der Bewohner:innen wurden für mehrere Monate weitestgehend abgestellt.
Indien hat 2019 das Internet mehr als 100 Mal abgeschaltet – um Proteste zu unterbinden
Auch die Beziehung zwischen Indien und Pakistan verschlechterte sich durch die Aufhebung des Sonderstatus‘ des indisch kontrollierten Teils weiter.
Lage in Pakistan
Pakistan befindet sich seit längerem in einer schweren Wirtschaftskrise. Im Sommer des Jahres 2022 stand das Land praktisch am Rande des Staatsbankrotts. Die Inflation schoss dramatisch in die Höhe und lag im Mai 2023 bei 38 Prozent. Für die ohnehin schon arme Bevölkerung vor Ort hat das katastrophale Auswirkungen, sie kann sich selbst eine Grundversorgung an Lebensmitteln und Strom nicht mehr leisten. Die Kaschmir-Region ist aufgrund ihres Status‘ als Konfliktgebiet wirtschaftlich besonders betroffen.
Und so kam es in der letzten Woche zu Massenprotesten gegen die schlechte Versorgung der Bevölkerung in den von Pakistan kontrollierten Gebieten der Kaschmirregion. Die Proteste, die als Streik einer Aktivistengruppe begonnen hatten, entwickelten sich schnell zu einer Massenbewegung, die sich auch gewaltsame Auseinandersetzungen mit der dortigen Polizei liefert. Die Massenproteste dauerten mehrere Tage an.
Die Bevölkerung dort lebt mit Frustration und Wut über die Inflation, die hohe Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden schlechten Lebensumstände. Aber auch die politische Unzufriedenheit darüber, dass Pakistan Bewegungen unterdrückt, die für die Unabhängigkeit der Kaschmirregion einstehen wollen, spielen eine Rolle bei der Situation in der Region. Bei den Protesten wurden den Angaben zufolge ein Polizeibeamter getötet und mindestens 90 Menschen verletzt. Menschen vor Ort sprachen von den größten Protesten, die sie im von Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs je gesehen haben.
Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif hat als Reaktion auf die Proteste einen Zuschuss im Wert von 86,25 Millionen Dollar für die Region Kaschmir freigegeben. Was genau damit gemacht werden soll, wurde bisher aber nicht näher ausgeführt. So oder so wird dies kaum etwas an der Lage der Menschen in Kaschmir ändern, und es ist wahrscheinlich, dass die politischen und auch militärischen Unruhen und Konflikte in der Region weitergehen werden.