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Montag, Mai 20, 2024
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    TikTok-Trend unter jungen Frauen: Einem Bären oder einem Mann im Wald begegnen?

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    Seit kurzem geht ein neues TikTok-Format viral, bei dem junge Frauen beantworten, ob sie lieber einem Bären oder einem fremden Mann allein im Wald begegnen würden. Die mehrheitliche Antwort: Lieber einem Bären. Viele Männer zeigen sich daraufhin in Reaction-Videos schockiert und werfen den Frauen Unwissenheit vor. – Ein Kommentar von Livia Haas

    „Würdest du allein im Wald lieber einem Mann oder einem Bären begegnen?“ – diese Frage trendet in dieser Form im englischsprachigen TikTok bereits seit Frühlingsbeginn. Viele Frauen müssen nicht lange überlegen, die meisten wirken auch nicht schockiert, in der Antwort sind sie sich zumeist einig: „dem Bären“.

    Auch im deutschsprachigen Raum verbreitet sich der Trend schnell. In den TikTok-Videos begründen viele Frauen das Bevorzugen eines Bären damit, dass sie davon ausgehen, dass ein Mann versuchen würde, sie zu vergewaltigen oder zu töten. Letztlich laufen viele Antworten darauf hinaus, dass Männer Dinge mit dem Körper einer Frau machen würden, die ein Bär schlicht und ergreifend nicht tun könnte.

    Sexualisierte Gewalt und die Rolle der Justiz

    Hinzu kommt außerdem die geäußerte Begründung, dass den Frauen nach einem Übergriff wohl eher geglaubt werden würde, wenn es sich bei dem Angreifer um einen Bären und nicht einen Mann handeln würde. Nicht verwunderlich: denn selbst, wenn es eine Betroffene trotz aller bürokratischen und psychischen Hürden schafft, sexualisierte Gewalt vor Gericht anzuzeigen, so kommt es nur in den seltensten Fällen zu einer Verurteilung. In jüngster Zeit nimmt die Zahl der Anzeigen sogar zu, die der Verurteilungen hingegen ab.

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    In den Reaction-Videos zeigen sich viele Männer auf die Antworten der Frauen wütend und führen Statistiken von tödlichen Bärenangriffen als Begründung an. Die jungen Frauen entgegnen jedoch mit Vergewaltigungsstatistiken und anderen empirischen Belegen zur tatsächlichen Gewalt gegen Frauen.

    Das Problem sitzt tiefer

    Es erstaunt nicht, dass viele Männer die Ergebnisse dieses Trends nicht nachvollziehen können, während unter den meisten Frauen Einigkeit herrscht. Denn Frauen sind diejenigen, die von Kindheit an im Patriarchat sozialisiert wurden und dementsprechend darauf trainiert sind, Männer als potenzielle Gefahr zu sehen.

    In Anbetracht aktueller Zahlen zu Gewalt an Frauen scheint dieser erste Impuls nachvollziehbar: So zeigt die erst kürzliche veröffentlichte Kriminalstatistik in Deutschland aus dem Jahr 2023, dass von knapp 40.000 erfassten Straftaten „gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ 92 Prozent der Opfer Frauen sind. Darunter zählen laut Statistik auch alle Straftaten, die unter den §177 des Strafgesetzbuches gefasst werden. Dieser Paragraf schließt sexuelle Nötigung, sexuellen Übergriff und Vergewaltigung ein. Von den davon betroffenen Frauen waren fast 50 Prozent unter 21 Jahren.

    Als Frauen gemeinsam organisieren!

    Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass besonders junge Frauen die Begegnung mit einem Bären vorziehen würden. Dabei gilt es zur Kenntnis zu nehmen, dass in vielen Fällen sexualisierter Gewalt die Täter meist aus dem privaten Umfeld der Familien stammen und eben keine fremden Männer sind.

    Die Dynamik der Reaktionen auf den Trend zeigt ein weiteres Symptom des Patriarchats: Augenscheinlich fällt es vielen Männern schwer nachzuvollziehen, dass die Angst von Frauen vor fremden Männern so groß ist. Deutlich wird hier die Notwendigkeit, dass sich Frauen jeden Alters gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt und patriarchale Auswüchse organisieren und ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie beeinträchtigend sich die einzelnen Erscheinungsformen des Patriarchats auf das Sicherheitsgefühl und den Alltag vieler Frauen auswirken.

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