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Sonntag, September 8, 2024
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    3 Monate nach Irans Angriff auf Israel: Welche Rolle spielen Jordanien und Saudi-Arabien?

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    Vor drei Monaten verursachten die Luftschläge Irans auf Israel einen Schock im Kampf um die regionale Hegemonie in Westasien. Besonders auffällig: Jordanien und Saudi-Arabien kamen Israel dabei zur Hilfe. Welche Rolle spielen sie in der Region? – Ein Kommentar von Ghassan Al Nashmi.

    Am Abend des 13. April 2024 gingen Meldungen ein, dass der Iran einen Großangriff auf Israel fliege. Während die Nachrichtensender noch über die verschiedenen Szenarien eines Kriegs rätselten, flogen hunderte Drohnen über Irak, Jordanien und Syrien Richtung Israel. Kurz vor Ankunft der Drohnen rund zwei Stunden später wurden außerdem Raketen verschiedener Typen gestartet, die zeitgleich in den israelischen Luftraum eindringen sollten.

    Fast alle Drohnen wurden bereits über Jordanien und Syrien abgefangen, während nur ballistische Raketen ihr Ziel in Israel erreichten und auf denjenigen Militärbasen einschlugen, von denen das Bombardement der iranischen Botschaft ausgegangen war. Das bisherige Tabu bestand seit einigen Jahrzehnten in der Unantastbarkeit israelischer territorialer Integrität. Mit Israel rivalisierende Staaten der Region unterstützten zwar nicht-staatliche Akteure wie etwa die Hisbollah, aber griffen nie mittels ihrer eigenen Armee Ziele auf israelischem Staatsgebiet an.

    Dass der Iran nun diesen Schritt wagte, führte zu einer Situation, die wenige für möglich gehalten hatten – einige arabische Staaten unterstützten Israel offensiv, fingen iranische Drohnen ab und gaben den Luftraum frei für israelische und amerikanische Abfangmanöver. Zwei Staaten stehen hier besonders im Rampenlicht: Jordanien und Saudi-Arabien.

    Jordanisches Königshaus an der Seite der USA (und Israels)

    Als relativ kleines und armes Land liegt Jordanien in der direkten „Schusslinie“ zwischen Iran und Israel. Obwohl mehr als 50 Prozent der jordanischen Bevölkerung aus Palästina stammt, erfährt der palästinensische Widerstand nur wenig Rückendeckung vom haschemitischen Königshaus.

    Entscheidend für die Außenpolitik des Landes ist die Bindung an den Westen: Militärbasen für die USA und Großbritannien und finanzielle Unterstützung bieten dem kleinen Land, das von Kriegen im Irak, Syrien und Palästina umringt ist, Stabilität. Im Gegenzug opfert es seine außenpolitische Souveränität, was die innere Stabilität immer wieder in Frage stellt. Schon der Vorgänger von König Abdullah II, König Hussein, entschied sich für ökonomische Abhängigkeit und führte einen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung im eigenen Land.

    Saudis bemühen sich um Unabhängigkeit

    Die Westbindung Jordaniens unterscheidet sich etwas von der Saudi-Arabiens: Wenn auch beide einen Brückenkopf des westlichen Imperialismus bilden, so steht Saudi-Arabien etwas unabhängiger da. Durch Ölexporte ist es dem Saudischen Königshaus gelungen, seine Interessen abzusichern und nach und nach Beziehungen zu anderen Großmächten zu stärken, wie z.B. China. Gleichzeitig verringerte sich die Partnerschaft zu den USA, da sie selbst zum Energieexporteur wurden.

    So spielt Saudi-Arabien momentan den vorgeblichen Friedensstifter der Region: Normalisierung mit Israel, Annäherung zum Iran, keinen weiteren Krieg mit der jemenitischen De-facto-Regierung der Houthis. Um diese Farce aufrechtzuerhalten, bedient sich der Staat zudem harter Repressionen gegenüber derjenigen eigenen Bevölkerung, welche die Kollaboration mit Zionist:innen ablehnt, wie Proteste zeigen.

    Jordanien bleibt weiterhin Vorposten

    Drei Monate nach den Ereignissen des 13. April lassen sich zudem weitere Entwicklungen erkennen, die sich mit vorherigen Tendenzen decken: Jordanien ließ am 11. Juni die Journalistin Heba Abu Taha zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilen. Ermöglicht wurde dies durch das neue Cybercrime-Gesetz, das gegen Kritik und die Verunglimpfung des Königshauses und das Stiften von Unfrieden in sozialen Medien vorgeht. Heba Abu Taha hatte zuvor einen Artikel in der libanesischen Ennasher veröffentlicht, der auf die Handelsroute ausgehend von den Emiraten durch Jordanien nach Israel aufmerksam machte und so Jordanien in Verruf brachte.

    Neben diesem und weiteren Angriffen auf die Informationsfreiheit innerhalb Jordaniens geht der Staat verstärkt gegen Schmuggler vor: Am 15. Mai berichtete Reuters über die Festnahme von Schwarzhändlern, die im Rahmen iranischer Operationen „C4-” und Kleinwaffen über die syrische Grenze nach Jordanien bringen sollten, um dort die Muslimbruderschaft zu unterstützen – einerseits für den Einsatz in Gaza durch die Hamas, andererseits, um Ziele in Jordanien ins Visier zu nehmen.

    Saudi-Arabien droht G7

    Saudi-Arabien fährt hingegen den Kurs der Diversifizierung weiter und verurteilt jene, die Blockbildung und Polarisierung vorziehen. Am 9. Juli veröffentliche das amerikanische Nachrichtenportal Bloomberg einen Artikel über eine Drohung Saudi-Arabiens an die G7. Durch erhöhte finanzielle Belastung bei der Unterstützung der ukrainischen Regierung im Krieg gegen Russland erwogen die Staaten der G7 die Beschlagnahme von russischem Vermögen im Wert von ca. 300 Mrd. bzw. Kriegskredite, die durch dieses Vermögen abgesichert werden.

    Saudi-Arabien reagierte darauf mit der Drohung, dass alle Staatsanleihen im Besitz Saudi-Arabiens verkauft würden, falls eine solche Beschlagnahmung stattfinden sollte. Diese Ablehnung westlicher Politik ist nur möglich durch eine zunehmende strategische Unabhängigkeit, welche das Interesse des eigenen Staates an erste Stelle stellt.

    So schützt sich Saudi-Arabien selbst, indem es einer zukünftigen Beschlagnahme des eigenen Vermögens bereits entgegentritt und öffnet gleichzeitig der kooperativen Beziehung zu Russland weiter die Türen. Als neues Mitglied der BRICS könnte dies ein Wink mit dem Zaunpfahl darstellen, um die Zusammenarbeit zu stärken.

    Wie ist das Verhalten einzuschätzen?

    Das Vorgehen Jordaniens und Saudi-Arabiens gegenüber den Angriffen auf Israel wirft noch immer Fragen auf. Sehr wahrscheinlich liegt der Kern der Unterordnung dieser Länder im Kampf der Königshäuser um Erhaltung (und Ausbau) ihrer eigenen (begrenzten) Machtposition. Während Jordanien die Abhängigkeit widerstandslos in Kauf nimmt, setzt Saudi-Arabien auf stetiges Wirtschaftswachstum, um eines Tages selbst die Zügel in der Hand zu halten.

    Iran vs. Israel: Keine gerechte Seite

    Einige Fragen sind noch offen: Ist die Normalisierung zwischen den arabischen Staaten und Israel so weit fortgeschritten, dass eine militärische Allianz in Frage käme? Oder bestimmt der amerikanische Imperialismus durch seine militärische Hoheit in allen drei Ländern unangefochten deren außenpolitische Ausrichtung gegen den Iran? Zumindest lässt die Vergangenheit den Schluss zu, dass die Königshäuser sich mit der zerfallenden liberalen Weltordnung arrangieren können, während die eigene Bevölkerung darunter leidet.

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