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Donnerstag, September 5, 2024
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    Haushalt 2025: So will sich die Regierung durchwurschteln – und die Reichen verschonen

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    Die Bundesregierung hat sich darauf geeinigt, wofür sie im kommenden Jahr Geld ausgeben will. Die politischen Prioritäten werden deutlich: den Druck erhöhen auf Arbeitslose, Finanzspritzen für das Unternehmertum und die Aufrüstung vorantreiben. Für das Jahr 2028 sieht sie dunkle Wolken aufziehen. Wie ist die Einigung insgesamt zu bewerten und wie geht es weiter? – Eine Einschätzung von Tim Losowsky.

    Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Haushaltsentwurf 2025 beschlossen. Darin wird vorgeschlagen, wie viel Geld auf Bundesebene kommendes Jahr in etwa ausgegeben werden soll – und wofür. Der Haushalt ist einer der politisch wichtigsten Beschlüsse der Regierung überhaupt, denn wohin das Geld fließt, dort werden politische Vorhaben auch umgesetzt. Der Bundeshaushalt umfasst etwa 30 Prozent aller staatlichen Ausgaben überhaupt, der Rest entfällt auf die Sozialversicherungen, sowie auf die Haushalte der Länder und Kommunen.

    Die grundsätzliche Einigung hatten Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits vor zwei Wochen verkündet. Nun sind die Details bekannt geworden.

    Vor welcher Ausgangslage standen die Politiker in ihren Beratungen?

    • Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin unter dem Vorkrisen-Niveau von 2018. Seitdem ist etwa die Industrieproduktion stark gesunken und hat sich nach dem verschärften Einbruch 2020 nicht mehr erholt. Lag der Index im Mai 2018 noch bei 110 Punkten, liegt er mittlerweile nur noch bei 94 Punkten. Selbst das weniger aussagekräftige Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt unter Vorkrisen-Niveau. Das deutsche Kapital beklagt dies und forderte kräftige Finanzspritzen.
    • Die Weltlage spitzt sich derweil weiter zu: die Eskalationsspirale zwischen der NATO und Russland im Kampf um die Kontrolle der Ukraine dreht sich weiter; die USA und China bereiten sich weiterhin kräftig auf einen direkten Krieg vor; und in Westasien ist die Entwicklung des Gaza-Kriegs zu einem Flächenbrand weiterhin nicht ausgeschlossen.
    • Im Innern verzeichnen die Faschist:innen einen starken Aufstieg, während die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung auf Rekordniveau liegt. Vor allem liegt aber die CDU in Umfragen wieder weit vorn.

    Welches Vorgehen hat die Regierung nun gewählt, um mit der Situation umzugehen?

    Sie hat sich im wesentlichen für ein „weiter so“ entschieden. Während medial vorab viel über einen „Sparhaushalt“ geschrieben wurde, fallen die Einsparungen tatsächlich moderat aus. So werden im Entwicklungsministerium (minus 937 Millionen Euro), dem Außenministerium (minus 836 Millionen Euro) und Wirtschaftsministerium (minus 833 Millionen Euro) jeweils etwas unter einer Milliarde Euro gekürzt. Alle anderen Ministerien bleiben auf ähnlichem Niveau oder erhalten sogar mehr, wie z.B. das Arbeitsministerium (plus 3,6 Milliarden Euro), das Verkehrsministerium (plus 2,5 Milliarden Euro) und das Verteidigungsministerium (plus 1,3 Milliarden Euro).

    Laut dem „Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025“ sind insgesamt Ausgaben in Höhe von 480,6 Milliarden Euro geplant. 43,8 Milliarden davon sollen auf Kredit finanziert werden. Damit liegt man insgesamt etwa auf dem Niveau des Haushalts für 2024.

    Was sind die wichtigsten politischen Tendenzen des Bundeshaushalts?

    Der Haushalt zeigt einige klare politische Entscheidungen auf:

    1. Bevölkerung befrieden, bei Arbeitslosen und Migrant:innen kürzen

    Das Niveau der staatlichen Absicherung zur Besänftigung der Bevölkerung wird im wesentlichen beibehalten. So gibt es etwa leichte Erhöhungen beim Kindersofortzuschlag, Kindergeld und Kinderfreibetrag – aber im wesentlichen nur eine Anpassung an die Inflation. So war das Kindergeld Anfang 2024 überhaupt nicht erhöht worden.

    Zugleich gibt es Verschärfungen für Bürgergeldempfänger:innen und Migrant:innen: So sollen 2025 tatsächlich fünf Milliarden weniger fürs Bürgergeld ausgegeben werden – das ist eine Kürzung um rund 15 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Daumenschrauben angezogen: so sollen Arbeitslose in Zukunft noch schwieriger Jobs ablehnen können, noch längerer Fahrwege auf sich nehmen, die Schwarzarbeit soll strenger kontrolliert werden, Sanktionen sollen verschärft werden, 1-Euro-Jobs vermehrt angewendet werden, und es soll eine monatliche Meldepflicht eingeführt werden.

    Sollte es der Regierung jedoch mit diesen Maßnahmen nicht gelingen, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, muss sie finanziell nachschießen, da ein Anspruch auf die Zahlungen besteht. Anders sieht es beim Verwaltungs- und Eingliederungsbudget der Jobcenter aus. Dafür sind kommendes Jahr nur 9,3 Milliarden Euro vorgesehen und damit deutlich weniger als 2024. Dies wird die Vermittlungsarbeit erschweren.

    Auch für Migrant:innen und Geflüchtete soll weniger Geld da sein. So wird das Programm „humanitäre Aufnahme und Resettlement“ massiv gekürzt, wie auch die Ausgaben für Sprachkurse für Migrant:innen von 1,1 Milliarden auf nur noch 500 Millionen Euro schrumpfen sollen.

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    3. Konjunkturpaket fürs Kapital

    Den Forderungen von Seiten der reichen Unternehmerschaft nach mehr Staatsunterstützung ist die Ampel-Regierung an einigen Stellen nachgekommen. Mit der „Wachstumsinitiative“, die Teil des Haushalts ist, sollen mit einem breiten Maßnahmenpaket im nächsten Jahr bis zu 0,6 Prozent mehr Wirtschaftswachstum generiert werden.

    Dazu sollen neben dem Druck auf Arbeitslose auch mehr „Anreize“ für Arbeiter:innen zählen, die Steuererleichterungen für Überstunden erhalten sollen. Somit wird unterschwellig die Wochenarbeitszeit „erhöht“, jedoch auf Basis vorgeblicher „Freiwilligkeit“ von Arbeiter:innen – die jedoch vor allem dann Überstunden machen, wenn der Lohn sonst nicht reicht.

    Zudem werden dutzende Milliarden für „Investitionen“ in die Hand genommen: 57 Milliarden Euro sollen es sein – ein Rekordniveau. Hinzu kommen noch einmal weitere 40 Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie Zuschüssen zur Entlastung beim Strompreis vor allem für große Konzerne.

    Bei den Investitionen soll beispielsweise etwa 9 Milliarden für die „Autobahn GmbH” zur Verfügung gestellt werden, und für die Bahn sind 15,1 Milliarden vorgesehen. Ob das für die hohe Zahl maroder Brücken, Straßen und Schienen reicht, ist jedoch fraglich. So äußerte Bahnexperte Böttger gegenüber der Zeit, dass die Bahn auch so immer noch massiv unterfinanziert sei. Für den sozialen Wohnungsbau sind 3,5 Milliarden Euro vorgesehen – angesichts der Wohnungsmisere ein sehr kleiner Ausgabenposten.

    4. Militarisierung geht weiter

    Weitere Investitionen liegen im Bereich Militarisierung: So erhalten Bundespolizei und BKA eine „Sicherheitsmilliarde“ (Lindner) mehr, ebenso wie das Verteidigungsministerium – das trotzdem bereits protestiert hat. Dabei muss bedacht werden, dass zu den rund 52 Milliarden geplanten Euro noch einmal 22 Milliarden im Jahr 2025 aus dem „Sondervermögen Bundeswehr” hinzukommen sollen – das jedoch ein Posten außerhalb des regulären Haushalts ist. Insgesamt ist also Aufrüstung weiterhin das Gebot der Stunde, gestritten wird nur, wie schnell alles gehen soll.

    Wie es im Jahr 2028 dann weitergehen soll, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist, bleibt derweil offen. So spricht der Haushaltsentwurf schon jetzt von einer Lücke von 39,9 Milliarden Euro im Jahr 2028, weil man auch dann weiterhin das „2-%-Ziel der NATO“ erreichen möchte. Ob dies dann erneut durch ein Sondervermögen, durch Kredite oder Kürzungen herein geholt werden soll, werden die zukünftigen Regierungen beantworten müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies auf Kosten von Sozialem geht, sind dabei hoch.

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    „Über die Auflösung werden wir in diesem Land reden müssen“ erklärte dazu Lindner auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Dies sei eine politische „Richtungsentscheidung“, die jetzt eingeleitet und im nächsten Jahr verhandelt werden müsse. Es benötige „Strukturreformen“ und „Wirtschaftsfreundlichkeit“. Lindner bereitet damit die Bevölkerung darauf vor, dass 2025-2028 nach der Bundestagswahl die Verteilungskämpfe so richtig losgehen sollen.

    Wo ist die „Lücke”?

    Im Vorfeld der Haushaltsberatungen war bereits vielfach über eine „Lücke“ im Haushalt gesprochen worden, die nur durch Kürzungen zu schließen sei – sie bewegte sich zwischen 25 Milliarden bis hin zu 40 Milliarden Euro. In dem Zusammenhang ist auch viel öffentlich über die „Schuldenbremse“ gestritten worden. Diese sieht vor, dass pro Jahr maximal 0,35 des Bruttoinlandprodukts an Schulden aufgenommen werden dürfen.

    Innerhalb der bürgerlichen Parteien gibt es relevante Kräfte, welche deren Abschaffung fordern – doch insbesondere die FDP will dieses Instrument beibehalten. Um dennoch die für das Kapital notwendigen Ausgaben stemmen zu können, haben nun Spezialist:innen des Finanzministeriums sich auf die Suche nach diversen Tricks gemacht und damit zumindest scheinbar die „Lücke“ ohne allzu große Kürzungen geschlossen.

    Ein Trick davon ist die „Globale Minderausgabe“ (GMA). Damit ist gemeint, dass man im Finanzministerium damit rechnet, dass nicht alles Geld, das nun eingeplant ist, am Ende von 2025 auch von den Ministerien ausgegeben worden sein wird und man somit schlussendlich wieder finanziell ausgeglichen dasteht. Damit zu kalkulieren, ist bei Haushalten üblich.

    Im jetzigen Haushalt umfasst diese GMA jedoch 17 Milliarden Euro, ein Vielfaches der bisherigen. Es gibt sogar schon Juristen, die dieses Vorgehen für verfassungswidrig halten. Lindner erklärte auf der Pressekonferenz, diese mit verschiedenen Umschichtungstricks in Richtung 9 Milliarden reduzieren zu wollen. Ein weiterer Blick in die Glaskugel ist, dass man mit 6 Milliarden Mehreinnahmen aus der „Wachstumsinitiative“ plant.

    Insgesamt pokert die Ampel also auf unsere Zukunft, anstatt Kredite aufzunehmen. Doch was,wenn die Wirtschaft sich schlechter entwickelt? Oder sich die Kriegslage verschärft? Weitere katastrophale Ereignisse eintreten? Es ist möglich, dass an dem Haushalt noch einiges angepasst werden muss, oder aber in einer Notsituation dann doch die Schuldenbremse ausgesetzt wird.

    Niemand redet über die Einnahmen

    Bemerkenswert bei der Debatte ist, dass breit über die Staatsausgaben, aber kaum über die Einnahmen gesprochen wird, die der Staat zu verteilen hätte: So nimmt der deutsche Staat beispielsweise jedes Jahr nur knapp 1 Prozent der Wirtschaftsleistung – rund 40 Milliarden Euro – an vermögensbezogenen Steuern ein. Zum Vergleich: Die USA, Frankreich oder Großbritannien haben drei- bis viermal so hohe Steuereinnahmen auf Vermögen. Wenn Deutschland private Vermögen genauso stark besteuern würde wie diese drei Länder, dann hätte er jedes Jahr 100 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen zur Verfügung.

    Deutschland ist ein Land mit besonders vielen Superreichen. Nur in China und den USA wohnen mehr Menschen, die mehr als 50 Millionen US-Dollar besitzen. Zudem wohnen in Deutschland 109 Milliardäre im Vergleich zu 34 in Frankreich.

    Während also das Kapital durchaus zur Kasse gebeten werden könnte, bleibt die mediale Debatte auf Kosten etwa beim Bürgergeld fixiert – und die Ampel macht die entsprechende Politik.

    Die Zwickmühle der Herrschenden

    Die Regierung zeigt sich erleichtert, dass sie sich auf einen Haushalt einigen konnte, der vordergründig alle zufrieden stellt: die FDP konnte die Schuldenbremse einhalten, während SPD und Grüne keine allzu starken Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse verkaufen müssen. Damit ist ein Platzen der Regierung vorerst abgewendet.

    Zugleich ist festzustellen: Der Haushalt wird den wirklichen Herausforderungen des deutschen Imperialismus nicht gerecht. Gerade von Kapital-Seite werden eine noch massivere Aufrüstung, noch stärkere Angriffe auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse (bspw. durch die Einführung der Rente mit 69 oder höherer Wochenarbeitszeit) und eine massive Investitionsbewegung gefordert. So kritisierte etwa der Bund Deutscher Industrieller , der Haushalt sei „unter dem Strich zu wenig, um Wachstumskräfte nachhaltig zu stärken.“ Auch das kapitalnahe Institut der deutschen Wirtschaft zeigt sich unzufrieden.

    Tatsächlich ist die Lösung jedoch nicht einfach. So müsste man für größere Ausgaben die Schuldenbremse reformieren – und dafür eine 2/3-Mehrheit finden. Doch selbst ein weiterer massiver Anstieg an Schulden führt zu Problemen.

    • Innerhalb der EU pocht Deutschland ständig auf die Einhaltung von Schuldenquoten – auch um andere Länder in Austeritätspolitiken zu drängen, die vor allem dem deutschen Kapital zugute kommen, da dieses sich dann in den herunter gewirtschafteten Ländern ausbreiten kann. Wenn Deutschland hier als Steuersünder voranginge, würde dieses Vorgehen untergraben.
    • Zudem müssen ja tatsächlich Zinsen auf Kredite gezahlt werden, was wiederum die staatliche Flexibilität einschränkt.
    • Zuletzt äußerte Lindner etwa, dass auch „fiskalische Stabilität selbst ein Faktor der Sicherheitspolitik ist“. Mit anderen Worten: nur mit einer starken Ökonomie und nicht zu extremer Überschuldung kann auch ein Land militärisch lange bestehen. Dies kann man etwa bei Russland beobachten, dessen Staatsverschuldung zu Beginn der Ukraine-Invasion gerade einmal 15 Prozent des BIP betrug (zum Vergleich: Deutschland: 60 Prozent, Frankreich: 110 Prozent).

    Mit dieser Zwickmühle werden sich die Herrschenden auch in den kommenden Jahren herumschlagen. Aus Sicht der Arbeiter:innen ist die Forderung nach Auflösung der Schuldenbremse – wie es etwa von DGB und Linkspartei heißt – auch keine Lösung. Denn letztendlich besteht ja das Hauptproblem darin, dass der gesamte Staatshaushalt eben aus den Taschen der Arbeiter:innen finanziert wird und das Kapital demgegenüber kaum einen Beitrag leistet. Ob wir dann auch noch die Zinsen auf die aufgenommenen Schulden zahlen, macht dann gesellschaftlich keinen großen Unterschied mehr. Stattdessen müssen wir uns dafür einsetzen, dass das Kapital mehr zahlt: bei unseren Löhnen, bei Vermögensabgaben, etc.

    Wie geht es weiter?

    Nach der grundsätzlichen Einigung vor zwei Wochen und dem jetzigen Kabinettsbeschluss geht das Parlament nun erst einmal in die Sommerpause. Anschließend wird in den nächsten Monaten über Details verhandelt, und im Parlament wird der Haushalt noch verändert werden. Zudem müssen bestimmte Finanzierungen noch geprüft werden. Die Bundesregierung will verhindern, dass ihre Finanztricks wieder vor Gericht scheitern.

    Erst im November kommt es dann zur „Nacht der langen Messer“, wo in einer Marathon-Sitzung der Regierung der Sack zugemacht wird und anschließend der Haushalt beschlossen wird. Bis dahin kann also noch viel passieren.

    Die jetzt beschlossenen Kürzungen und Schikanen gegen Arbeitslose und Migrant:innen müssen öffentlich skandalisiert werden, ebenso wie die massive Aufrüstung. Eine Massenbewegung dürfte der aktuelle Haushalt jedoch nicht auslösen. Doch das Durchwuschteln der Regierung wird nicht auf ewig funktionieren können, dafür sind die Bedingungen zu dynamisch. Bleiben wir also aufmerksam und rüsten wir uns für die kommenden Angriffe. Die FDP trommelt bereits für die Attacke auf den 8-Stunden-Tag und das Streikrecht.

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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