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Freitag, September 13, 2024
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    Drohende Streiks in US-Häfen

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    Bei den Tarifverhandlungen für die Hafenarbeiter:innen der Ost- und Golfküste der USA kommt es zu Konflikten. Zurzeit droht dort der erste Streik seit über 40 Jahren. Im Jahr zuvor wurde an der Westküste ein Tarifkampf geführt.

    Welche wirtschaftlichen Schäden entstehen, wenn Hafenarbeiter:innen streiken, zeigt eine Schätzung der US-Handelskammer: Bei einem Streik an den Häfen der Westküste könnte dieser die Reedereien und Häfen 1 Milliarde Dollar pro Tag kosten. Das war die große Befürchtung der Kapitalverbände bei den letzten Arbeitskampfmaßnahmen an den Häfen der Westküste im letzten Jahr.

    2023: Streiks an der Westküste

    Die Gewerkschaft ILWU (International Longshore and Warehouse Union’s Coast Longshore Division), die hauptsächlich Hafenarbeiter:innen entlang der Westküste organisiert, hatte seit Mai 2022 über einen neuen Tarifvertrag mit der PMA (Pacific Maritime Association) verhandelt, dem Kapitalverband für Reedereien und Häfen. Das Ziel war, einen neuen 6-Jahres-Vertrag abzuschließen, der sowohl die Arbeitsbedingungen wie auch die Löhne verlässlich regelt. Auch Vereinbarungen über die Begrenzung der Automatisierung der Terminals waren ein Streitpunkt.

    Nachdem es über ein Jahr keine Einigung gab, wurde ab dem 1. Juni 2023 zu Bummelstreiks und Störaktionen aufgerufen. Diese führten zu häufigen Unterbrechungen im Hafenbetrieb – und zu einer schnellen Einigung bereits im gleichen Monat.

    Auf die überschaubaren Störaktionen, die sich nicht zu größeren Streiks ausweiten konnten, reagierte die PMA mit der Forderung an US-Präsident Biden, dass er einschreiten solle. Ein republikanischer Senator brachte sogar Vorschläge für Gesetzesänderungen ein, die in Zukunft kurzfristige Störaktionen illegalisieren und Gewerkschaften zu Strafzahlungen in doppelter Höhe des Schadens verpflichten sollten. Diese Gesetzesentwürfe konnten – wie schon bei vorangegangenen Versuchen – damals jedoch noch keine Mehrheit erreichen.

    Ostküste: Inflationsausgleich statt Roboter

    Der Tarifvertrag zwischen der ILA (International Longshoremen’s Association), die für die Interessen der Hafenarbeiter:innen der Ost- und Golfküste verhandelt, und der USMX (United States Maritime Alliance), dem Kapitalverband, läuft am 30. September aus. Auch bei diesem Vertrag handelt es sich um einen 6-Jahres-Vertrag, der die Arbeitsbedingungen und Löhne für die Hafenarbeiter:innen der ILA festlegt. Die Arbeiter:innenvertretung zählt 85.000 Mitglieder – von dem geltenden Tarifvertrag sind 14.500 Hafenarbeiter:innen in 6 großen Häfen betroffen.

    Innerhalb der 6 Jahre seit Beschluss des Tarifvertrages 2018 gab es 4 Entgelterhöhungen von jeweils 1 Dollar, bezogen auf die höchste Entgeltstufe. Nach dem hohen Anstieg der Verbraucherpreise in den USA –  bis zu 9,1 Prozent im Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat – entstand ein massiver Reallohnverlust für die Hafenarbeiter:innen. Das veranlasste die ILA, eine Lohnerhöhung von fast 80 Prozent für den nächsten 6-Jahres-Vertrag zu fordern. Auch die Automatisierung der Terminals, welche die Arbeitsplätze der Hafenarbeiter:innen deutlich bedroht, ist ein zentraler Streitpunkt.

    Eigentlich hätte es nach Vorgesprächen der Tarifpartner:innen im Frühjahr 2024 zu konkreten Tarifverhandlungen im Juni kommen sollen, aber die Vorgespräche wurden von der ILA abgesagt. Grund war die Einführung eines neuen, autonomen Abfertigungssystems im Hafen von Mobile, der wichtigsten Hafenstadt von Alabama. Es ist in der Lage, Lastwagen ohne menschliche Hilfe abzufertigen. Auch für weitere Häfen wird die Einführung eines solchen autonomen Systems vorbereitet.

    Die ILA organisierte stattdessen einen Streikaktion dagegen, denn nach geltendem Tarifvertrag ist die Einführung solcher Abfertigungssysteme nicht zulässig. Die Vereinbarung ist für die USMX verpflichtend – als Gegenleistung verpflichtet sich die ILA auf Produktivitätsgarantien, die sie erfüllen muss. Wegen des Verstoßes gegen die Vereinbarung weigert sich die ILA weiterhin, Gespräche aufzunehmen, und hat alle Termine abgesagt. Für den 4. und 5. September sind nun interne Treffen der Tarif-Delegierten der ILA angesetzt, bei denen die Forderungen überprüft werden sollen.

    Ab dem 1. Oktober wurden außerdem bereits Streikkämpfe angekündigt, sollte es vorher zu keiner Einigung kommen. Diese Streiks werden für viele jüngere Hafenarbeiter:innen an der Ostküste die ersten sein. Der letzte Streik der sozialpartnerschaftlichen ILA fand im Jahr 1977 statt.

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