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Sonntag, September 15, 2024
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    Nach dem Anschlag in Solingen: Grüne wollen „Zeitenwende im Innern”

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    Zahlreiche Politiker:innen auf Landes- und Bundesebene nehmen derzeit den Anschlag in Solingen zum Anlass, weitgehende Forderungen im Bereich der Inneren Sicherheit aufzustellen. Um “Terrorismus, Messer-Gewalt und ungewollte Migration” zu bekämpfen, sollen Gesetze verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausgeweitet werden. Die Grünen schlagen zur besseren Umsetzung einen Schulterschluss aller bürgerlichen Parteien vor.­

    „Es ist an der Zeit, den Menschen in unserem Land ein neues Sicherheitsversprechen zu machen” – mit diesen Worten leiteten Irene Mihalic und Konstantin von Notz ihre Forderungen nach einem Maßnahmenpaket ein. Beide sind Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglieder des Innenausschusses – Mihalic ist außerdem innenpolitische Sprecherin und von Notz Vize-Fraktionsvorsitzender. In einem achtseitigen Positionspapier sprechen sich beide unter anderem für ein Sondervermögen in Sachen Innere Sicherheit aus, als Gegenstück zum 2022 – im Zuge der von Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende” – geschaffenen Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro.

    Mit dem Slogan „Zeitenwende im Innern” profilieren sich die Grünen-Politiker:innen in den zuletzt nach dem Anschlag in Solingen stark zugespitzten Debatten um den Ausbau der inneren Sicherheit, die derzeit von allen bürgerlichen und faschistischen Parteien geführt werden: Mehr Online-Überwachung, mehr Verbote von verfassungsfeindlichen Organisationen, mehr Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen, mehr Geld und mehr Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz – das Programm der Grünen für eine Reformierung der deutschen Sicherheitsarchitektur ist die konsequente Fortführung des Ausbaus der Repression in Deutschland während der letzten Jahre.

    Klares Feindbild

    Um dieses Ziel zu erreichen, machen die beiden Grünen-Abgeordneten auch ganz klar, vor welchen vermeintlichen Feinden sie die BRD schützen wollen: In der Einleitung ist zwar kurz am Rande die Rede von Rechtsterrorismus und Reichsbürgern, doch bei der Vorstellung ihrer Vorschläge werden dann immer wieder der Islamismus und Migrant:innen als Hauptbedrohung herausgestellt.

    Dabei kann man selbst im Verfassungsschutzbericht nachlesen, dass der mit Abstand größte Teil politisch motivierter Kriminalität eben nicht religiöser sondern rechter Ideologie zuzuschreiben ist. Ihm zufolge konnten 2023 bei „politisch motivierter Kriminalität” fast viermal so viele Straftaten der Kategorie „rechts” zugeordnet werden wie den Kategorien „religiöse Ideologie” und „ausländische Ideologie” zusammengenommen. Auch bei „extremistisch motivierten Straftaten” liegt dieses Verhältnis bei mehr als drei zu eins – und das, ohne genauer aufzuschlüsseln, wie viele Straftaten dieser Kategorien tatsächlich dem radikalen Islamismus zuzuweisen sind.

    Verfassungsschutzbericht 2023 – der Feind steht links

    Dennoch entscheiden sich Mihalic und von Notz, vor allem Migrant:innen und Muslime in den Fokus zu rücken. Das spiegelt sich auch in den geforderten Maßnahmen wider: Sie fordern vermehrte und schnellere Abschiebungen, auch die Grenzkontrollen wollen sie ausweiten.

    „Ergebnisoffen prüfen”

    Die Forderungen der beiden Bundestagsabgeordneten gehen aber noch weit darüber hinaus: Neben dem bereits erwähnten Sondervermögen will man außerdem „ergebnisoffen prüfen”, ob Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste neue Befugnisse erhalten sollen und ob man ihr Personal aufstocken soll. Außerdem soll ihrer Meinung nach die gesamte föderale Sicherheitsarchitektur ein Update bekommen. Dafür möchte man sogar so weit gehen, „Innere Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu definieren”.

    Dafür machen die Grünen auch vor der digitalen Welt nicht halt. Mihalic und von Notz schlagen hier vor, die Hürden für eine verdeckte Ermittlung in den Social Media-Netzwerken zu senken.

    Die Aufrüstung im Innern läuft bereits

    Die Sicherheitsexpert:innen der Grünen fordern darüber hinaus eine stärkere Vernetzung und Koordination der bereits laufenden Sicherheitsmaßnahmen und werfen im Zuge dessen den bisherigen Regierungsverantwortlichen vor, keine Vereinheitlichung der verschiedenen Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen von Land bis EU und unter den verschiedenen Sicherheitsbehörden erreicht zu haben.

    Tatsächlich wurden zuletzt immer wieder zahlreiche Einzelmaßnahmen umgesetzt, so zum Beispiel die Einführung neuer Methoden in der Chat-Kontrolle, der Ausbau einzelner Polizeieinheiten – z.B. die Spezialtrupps der Beweis- und Festnahmeeinheiten, die immer wieder auch gegen Demonstrationen und politische Proteste eingesetzt werden – oder der Ausbau der Befugnisse des BKA bei Hausdurchsuchungen.

    Nicht die Messer töten

    Der Anschlag von Solingen wird dabei von Politiker:innen auch gezielt dazu genutzt, neue Regeln gegen größere migrantische Bevölkerungsgruppen durchzusetzen. So fordert NRW-Innenminister Herbert Reul derzeit zum Beispiel, im Kampf gegen Messergewalt auffällig gewordenen Personen mit „charakterlicher Eignung” auf dem „ kleinem Dienstweg” den Führerschein zu entziehen, um so eine abschreckendere „Wirkung” zu erzielen.

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