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Dienstag, September 10, 2024
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    Olympia in Deutschland? Nein, danke!

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    Während in Paris die Olympischen Spiele zu Ende gehen, bringt die deutsche Bundesregierung eine Olympia-Bewerbung Deutschlands für 2040 voran. Warum Olympia in Deutschland eine schlechte Idee wäre. – Ein Kommentar von Benjamin Schwartz.

    Am Sonntag, 11.8., endet die Olympiade 2024 in Paris. Rund eine Woche zuvor bekundete die Bundesregierung, eine Bewerbung des „Deutschen Olympischen Sportbunds” (DOSB) für die Spiele im Jahr 2040 zu unterstützen. Diese sollen im Zeichen des 50. Jubiläums der Deutschen Einheit stehen und in verschiedenen Großstädten Deutschlands stattfinden.

    Unterzeichnet haben die Vereinbarung auch fünf Großstädte und zwei Bundesländer. Kein einziges „neues“ Bundesland und lediglich eine Stadt aus der ehemaligen DDR, Leipzig, haben sie unterschrieben. Wenngleich das Konzept noch in den kommenden Monaten erarbeitet wird, ist wohl davon auszugehen, dass in den Städten und Bundesländern, die unterzeichnet haben, der große Teil der olympischen Ereignisse stattfinden würde. Das ist womöglich eine unbeabsichtigt ehrliche Beschreibung, wie die Wiedervereinigung verlaufen ist und bis heute wirkt.

    Olympia gegen die Bevölkerung

    Neben Leipzig gehören Hamburg, München und Bayern zu den Mitunterzeichnern der Bekundung. Das ist, mit Verlaub, eine Frechheit, denn es ist erst rund zehn Jahre her, dass bei einem Bürger:innen-Entscheid in München, in Garmisch-Partenkirchen, im Landkreis Traunstein und im Berchtesgardener Land teils mit bis zu 60 Prozent eine gemeinsame Bewerbung für die Winterolympiade 2022 abgelehnt wurde. Die Hamburger:innen entschieden sich rund zwei Jahre später ebenfalls gegen eine Bewerbung der Hansestadt für die Sommerolympiade 2024.

    In Stellung gebracht hatte sich neben Hamburg auch Berlin für die deutsche Bewerbung 2024. Der DOSB hatte sich jedoch aus Angst vor einem bereits laufenden Bürger:innen-Begehren in Berlin dann gegen die Hauptstadt entschieden.

    Es ist zu konstatieren, dass kaum jemand Olympia vor der eigenen Haustür haben möchte. In Hamburg beispielsweise stimmten insbesondere die innerstädtischen Stadtteile, also die potentiell Hauptbetroffenen, gegen die Bewerbung. Denn ein solch großes Sport-Event bringt erhebliche Einschränkungen mit sich.

    Wie die EM, nur schlimmer

    Die Fußball-Europameisterschaft 2024 war für viele Bewohner:innen deutscher Städte vor allem eines: unangenehm. Bis spät in die Nächte hinein zogen betrunkene Fans durch die Straßen. Es kam wiederholt zu Gewalt.

    Gleichzeitig wurde die Polizei hochgerüstet, während Grundrechte temporär ausgesetzt wurden. Insbesondere obdachlose Menschen hatten unter den Repressionen zu leiden. Da Olympische Spiele ein noch viel größeres Publikum anziehen, nehmen Stärkung der Polizei und Verdrängung in noch stärkerem Maße zu, wie Paris beweist.

    EM 2024: Ein Fest des Kommerzes und der Überwachung

    Nicht zuletzt ist das Ziel eines Austragungsorts immer auch die Profilierung in dem internationalen Wettkampf als Wirtschaftsstandort. Die Folge sind steigende Mieten und damit eine frei von offener Gewalt stattfindende Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten immer weiter aus den inneren Stadtbereichen.

    Teuer und dreckig

    Wie jedes Großprojekt werden Olympische Spiele am Ende immer deutlich teurer als anfangs angenommen. Es gibt wenig Grund zur Annahme, dass das in Zukunft anders laufen sollte. Am Ende entpuppten sich die Spiele schon häufiger als Schuldenfalle für Städte.

    Dabei ist wohl jeder und jedem mittlerweile bekannt, dass das „Internationale Olympische Komitee” (IOC) kein unbeschriebenes Blatt ist, und regelmäßig werden ehemalige Medaillengewinner:innen des Dopings überführt. Olympia hat einen großen Teil seines Glanzes mittlerweile eingebüßt.

    Die Olympischen Spiele 2040 in Deutschland sollen ganz besonders nachhaltig sein. Wie könnte es auch anders sein? Schon die Pläne Hamburgs warben mit der immensen Nachhaltigkeit – trotz des Baus mehrerer neuer Sportstätten, inklusive eines Olympiastadions. Inwieweit das drohende Olympia 2040 in Deutschland nachhaltig sein wird, lässt sich erst nach Veröffentlichung der konkreten Pläne sagen. Skepsis ist bei diesem Schlagwort in jedem Fall angemessen.

    Infrastrukturprojekte vor Olympia

    Vor fast jeder Olympiade investieren die Städte in große Infrastrukturprojekte. München erhielt so bis 1972 seine U-Bahn, und Paris arbeitete seit mehreren Jahren intensiv an der besseren Anbindung der Banlieus, der Pariser Vorstädte. Das ist zweifelsohne ein positiver Effekt von Olympia – allerdings waren diese Infrastrukturprojekte dringend notwendig und wurden erst aus Sorge vor internationaler Blamage mit dem angemessenen Ehrgeiz umgesetzt.

    Viele deutsche Städte könnten einen Ausbau des Schienennahverkers vertragen, also mehr Straßenbahnen, S-Bahnen etc. Es ist zu befürchten, dass ein Zusammenhang zwischen Olympia und gutem Nahverkehr hergestellt wird, um mehr Menschen von den Plänen zu überzeugen. Doch: was in Vorbereitung auf Olympia möglich ist, ist auch ohne Olympia möglich.

    Deutschland sollte sich nicht für Olympia 2040 bewerben. Stattdessen sollten das Geld und die Ressourcen ohne weitere Inszenierung in die marode und ungenügende Infrastruktur gesteckt werden, so dass sich das Leben der Leute verbessert, statt sie mit einem solchen Sport-Event zu belästigen – oder ruhig zu stellen.

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