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Montag, September 9, 2024
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    Wie die Arbeiter:innenklasse den deutschen Staat finanziert

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    Immer wieder ist von der sogenannten Umverteilung die Rede – linksliberale Politiker:innen fordern plakativ eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten. Doch dabei dürfen klassenkämpferische Kräfte nicht stehenbleiben. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

    Im Zuge der Einigung auf einen Bundeshaushaltsplan für das kommende Jahr kündigte die Ampelregierung vor kurzem Großes an: Ab 2025 soll das Kindergeld um 5 Euro steigen. Die Bundesregierung ließ dazu verlauten, dass der Haushaltsentwurf für 2025 wichtige Impulse für Stabilität und Sicherheit setze und Entlastungen für die Bürger:innen bereit hielte. Doch was sind 5 Euro Kindergeld mehr in Zeiten von anhaltender Inflation und hohen Lebensmittelpreisen?

    Vermögenssteuer, um Arbeiter:innen zu entlasten!?

    Tatsächlich wäre es eine Entlastung für die Arbeiter:innenklasse, wenn die Superreichen konsequenter besteuert werden würden. Das Ergebnis einer Studie, die von Oxfam Deutschland und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit im April herausgegeben wurde, zeigt jedoch genau das Gegenteil: Milliardäre zahlen, anteilig an ihrem Einkommen gemessen, weniger Steuern als beispielsweise Familien aus der Mittelschicht.

    Die Untersuchung belegt, dass die Superreichen weit weniger als die gesetzlich vorgesehenen Höchstsätze bezahlen, während Menschen mit deutlich weniger Einkommen teilweise einen deutlich höheren Anteil Steuer bezahlen. Milliardär:innen haben einen durchschnittlichen Abgabensatz von 26 Prozent, Multimillionär:innen zahlen 29 Prozent. Laut der Studie zahlt im Gegensatz dazu ein Single mit einem Einkommen von 4.000 Euro brutto im Monat bereits 35 Prozent, eine Familie aus dem Mittelstand käme damit sogar auf satte 43 Prozent Abgabenlast.

    Superreiche Kapitalist:innen zahlen kaum Steuern

    Die Gründe dafür sind die diversen Sonderregelungen und Steuerprivilegien für Kapitalist:innen und alle anderen Menschen mit hohen Einkommen. Beispielsweise sind in Deutschland die Sozialabgaben gedeckelt und steigen ab einem Einkommen von 62.100 Euro monatlich aufwärts nicht mehr an. Milliardär:innen und Multimillionär:innen beziehen ihr Geld außerdem meistens nicht mehr aus einer Lohnarbeit, sondern aus Kapitalanlagen und Unternehmensgewinnen. Dafür wiederum wird pauschal nur eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent fällig.

    Doch selbst die Steuern, die gezahlt werden, fließen meist über Umwege wieder an die Unternehmen zurück. Beispiele dafür sind die gigantischen Subventionen und Geldgeschenke wie zuletzt für Chip-Fabriken. Mit dem Instrument der „Hermesbürgschaften” wälzen internationale Konzerne ihre Risiken bei der Eroberung neuer Märkte einfach auf den deutschen Staat ab. Dasselbe gilt etwa für die Übernahme von Haftungsrisiken bei Milliardenprojekten wie z.B. der Atomengergie – kein Unternehmen würde jemals die Versicherungen zahlen, die notwendig sind, um einen möglichen Atomunfall zu versichern. Der deutsche Staat springt hier ein und verteilt damit faktisch um – und zwar von unten nach oben.

    Den Forderungen nach einer Umverteilung von oben nach unten kommt der deutsche Staat also nur mit Alibi-Maßnahmen wie der der Mini-Kindergelderhöhung nach oder durch Prämien für Mehrarbeit, wie es in der ebenfalls jüngst vorgestellten „Wachstumsinitiative” heißt.

    Arbeiter:innen erwirtschaften den Reichtum der Gesellschaft

    Als Gegenargument von bürgerlicher Seite gegen eine höhere Vermögenssteuer und eine echte Umverteilung von oben nach unten werden nicht selten Statistiken ins Feld geführt, die beweisen sollen, dass die Reichsten in Deutschland auch mit Abstand am meisten zu den Steuereinnahmen und somit auch zum Bundeshaushalt beitragen, der sich zum Großteil über Steuern finanziert.

    Die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte zum Beispiel 2020 eine Statistik, die zeigen soll, dass vor allem das einkommensstärkste Zehntel der Gesellschaft überdurchschnittlich viel Einkommenssteuer bezahlt. Man könnte nun auf die Idee kommen, sich zu fragen: Warum sollen diejenigen, die so viel zum Bundeshaushalt beitragen, noch mehr bezahlen?

    Warum Steuern allein keine Gerechtigkeit schaffen

    Was in derartigen Statistiken nicht auftaucht, ist jedoch die Antwort auf die Frage, wo wem der Reichtum der Superreichen eigentlich erwirtschaftet wurde. Den Grund für den Wohlstand der Milliardär:innen und Millionär:innen erkennen vor allem wir klassenkämpferischen Arbeiter:innen: Es ist die Arbeiter:innenklasse, die mit ihrer Arbeitskraft den gesamten Fortschritt und den gesamten Reichtum unserer Gesellschaft erst erschafft.

    Nicht die Kapitalist:innen erarbeiten die Profite, sondern die Arbeiter:innen, die von ihnen ausgebeutet werden. Erkennen wir das, sind alle Statistiken und Rechnungen eigentlich hinfällig – eine echte Umverteilung von oben nach unten wird es mit den Kapitalist:innen an der Macht nicht geben. Die Umverteilung, die wir uns wünschen, erkämpfen wir uns am Besten, indem wir die Kapitalist:innen zum Teufel jagen.

    • Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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