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Samstag, April 27, 2024
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    Warum Steuern allein keine Gerechtigkeit schaffen

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    Die Forderung nach Steuererhöhungen wird in linken und sozialdemokratischen Kreisen gerne als Kernbaustein gegen soziale Ungerechtigkeit betrachtet. Tatsächlich sind diesem Mittel aber enge Grenzen gesetzt. – Ein Kommentar von Benjamin Schwartz

    Die Discounterkette Penny verkaufte vor wenigen Wochen neun Produkte zu den “tatsächlichen” Preisen. Der “tatsächliche” Preis setzte sich aus dem vorherigen Preis plus den Kosten zusammen, die bei der Produktion und Transport durch Umweltschäden entstehen sollen. Daraufhin entbrannte eine Diskussion, wie man diese Aktion bewerten soll.

    Der Bauernverband kritisierte, dass diese Aktion nicht die wahren Preise zeigen würde. Denn Discounter zahlen für Lebensmittel häufig so wenig, dass es vielen Landwirt:innen kaum zum Überleben reicht. Neben der ökologischen bräuchte es ihnen zufolge also auch eine soziale Preiserhöhung.

    Von links kam der Einwand, dass besonders Arbeiter:innen unter den Preiserhöhungen leiden würden. Die Einführung einer weitgreifenden Umweltsteuer – wie von Penny simuliert – würde die Lebenshaltungskosten gewaltig erhöhen. Dabei steigt die Zahl der Armutsbetroffenen in Deutschland seit Jahren. Dieses Mittel würde also die Kosten für die Klimakrise auf uns Arbeiter:innen verlagern.

    Um die wirklichen Verursacher:innen zur Kasse zu bitten, werden oft Steuererhöhungen für Reiche und die Industrie gefordert. Die restliche Bevölkerung soll mithilfe von Steuersenkungen entlastet werden. Dazu sollen die Sozialausgaben und der Mindestlohn erhöht werden. Dadurch käme es zu einem positiven Effekt – aber wahre Gerechtigkeit würde sich nicht einstellen.

    Die Grenzen von Steuern

    Die Steuererhöhungen für Reiche und die Industrie haben nämlich Grenzen: Unternehmer:innen müssen bei Investitionen abwägen, wie hoch das Risiko von Misserfolg und wie hoch der mögliche Gewinn wäre. Welche:r Kapitalist:in würde viel Geld in die Hand nehmen und ein Unternehmen gründen oder ausbauen, wenn höchstens geringe Einnahmen in Aussicht stehen? Das wäre gegen die eigenen wirtschaftlichen Interessen.

    Ein wahrhaft sozialer Kapitalismus könnte also nicht lange überleben, weil schon bald die wirtschaftlichen Investitionen ausblieben. Der Kapitalismus kann nicht ohne die Ausbeutung der Arbeiter:innen überleben. Dementsprechend kann es soziale Gerechtigkeit im Kapitalismus ebenfalls nicht geben. Jegliche ernsthaften Ansätze können sie verhindern, weil sie die Gesellschaft wirtschaftlich und politisch beherrschen.

    Die einzig mögliche Lösung ist, dass die Arbeiter:innen selbst die Kontrolle über Wirtschaft und Politik übernehmen. Das Ziel der Arbeiter:innen ist nämlich nicht Gewinn, sondern die Bedürfnisbefriedigung der Gesellschaft. Befreit von dem Kapitalismus und seiner kapitalistischen Logik ist Produktion ohne soziale Ungerechtigkeit möglich. Das klingt aber leichter, als es tatsächlich ist: Um die Wirtschaft grundlegend umgestalten zu können, müssen die Arbeiter:innen selbst die politische Macht besitzen.

    Bestimmte Steuern können das Leben der Arbeiter:innen im Kapitalismus sicherlich verbessern. Es ist richtig, dafür zu kämpfen, dass für Krisen und Umweltkatastrophen die Kapitalis:innen zur Kasse gebeten werden. Die Lösung für wahre soziale Gerechtigkeit liegt jedoch außerhalb des Kapitalismus.

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