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Donnerstag, September 19, 2024
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    Folgenreiche Verbote

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    Am Dienstag wurde das faschistische Monatsmagazin Compact verboten. Ein Überblick über die vage Rechtslage und welche Auswirkungen dies für linke Medien haben könnte.

    Am Dienstagmorgen ließ die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Schlag gegen die deutsche Rechte verlautbaren. Das faschistische Monatsmagazin Compact wurde mitsamt seines YouTube-Kanals Compact-TV und diversen nahestehenden Social-Media-Accounts verboten. Außerdem wurden in vier Bundesländern mehrere Wohnungen und Häuser durchsucht. Faeser begründete ihren Vorstoß wie folgt: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“. Zudem sei Compact ein „zentrales Sprachorgan der rechtsextremistischen Szene.“

    Vereinsrecht als Grundlage

    Als Fundament ihrer Verbotsstrategie zieht sie das deutsche Vereinsrecht heran. Auf dessen Grundlage wurden in der Vergangenheit schon häufig rechtsextreme Gruppierungen für aufgelöst erklärt. Dies gegen ein Medienunternehmen anzuwenden, ist hingegen neu.

    Rechtsexperten zweifeln, ob das Vereinsrecht in diesem Fall wirklich geeignet ist. Die Regulierung der Presse ist eigentliche Aufgabe der Bundesländer, weshalb die Innenministerin formell nicht das Magazin an sich verboten hat, sondern die beiden Betreiberfirmen „COMPACT-Magazin GmbH” und die „CONSPECT FILM GmbH”. Fraglich ist nun, ob Unternehmen ausschließlich aufgrund ihrer Presseerzeugnisse mit Hilfe des Vereinsrechts sanktioniert werden dürfen.

    Indymedia ereilte ähnliches Schicksal

    Ein vergleichbares Vorgehen gab es in der Vergangenheit gegen das linke Medium linksunten.indymedia: 2020 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass das Vereinsrecht nutzbar gemacht werden kann, da es auch Organisationen einschließt, die ausschließlich Pressetätigkeiten ausüben.

    Fachleute sind skeptisch, ob dieses Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde. Letztlich nahm es diee Verfassungsbeschwerde bezüglich Indymedia im Jahr 2023 gar nicht erst zur Entscheidung an. Ob es sich dieses Mal wieder um ein Urteil herumdrücken kann, bleibt abzuwarten, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Compact-Vertreter-/Verteidiger:innen bis vor das höchste Gericht ziehen werden.

    Innenministerium verbietet linkes Nachrichtenportal “linksunten.indymedia.org”

    Davon ausgehend, dass das Vereinsrecht anwendbar wäre, muss dabei nachgewiesen werden, dass die Inhalte „den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder (…) sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.” Faeser bezieht sich auf den Verstoß gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“, die – im Juristendeutsch – in einer „aggressiv-kämpferischen Form“ geschehen muss.

    Die Gerichte davon zu überzeugen, scheint eine schwierige Aufgabe zu werden. In der Verfügung gegen Compact wurden auf 79 Seiten Indizien auf eben jene aggressiv-kämpferische, gegen die Verfassung gerichtete Haltung gesammelt.

    Compact ganz rechts außen

    Dass es seit der Gründung des Magazins im Jahre 2010 ausreichend Anhaltspunkte für eine solche Ausrichtung gibt, überrascht wenig. Während andere faschistische Medien, wie z.B. Sezession die „intellektuellen Rechten“ ansprechen wollen, ist Compact arbeitsteilig eher als „Krawallblatt“ aufgestellt.

    Der Chefredakteur Jürgen Elsasser, früher bei antideutschen Medien, wie Jungle World oder Bahamas aktiv, bedient mit seiner Zeitschrift heute eine große Bandbreite an Themen: von der wilden Verschwörungstheorie bis hin zu Putin-Propaganda. 2015 ließ er verlauten, dass „Hausblatt“ der Alternative für Deutschland (AFD) zu sein. Er ist in das dichte Netz der faschistischen Bewegung eng eingebunden, etwa durch enge Beziehungen zu Götz Kubitschek, mit dem er den Think-Tank „Ein Prozent” initiierte.

    Unterschiedliche Reaktionen von der AfD

    Die AFD äußerte sich zu dem Verbot zwiegespalten: Während Björn Höcke das Vorgehen Faesers als „Anschlag auf die Pressefreiheit“ tituliert, schlug Alice Weidel zurückhaltende Töne an. Auf X spielte sie sich zwar als Verteidigerin der Presse- und Meinungsfreiheit auf, verwies danach aber auf die noch unklare Sachlage und darauf, dass die AfD das Verfahren kritisch begleiten würde.

    Klare Rückendeckung sieht anders aus und zeigt einmal mehr, wie weiterhin in der Partei miteinander gerungen wird, damit aber auch unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Die „Freien Sachsen” trommeln derweil bereits für Spontan-Aktionen.

    Mögliche Folgen auch für linke Medien

    Das Verbot sowie weitere Gerichtsverfahren dazu könnten ebenfalls für linke Medien von Bedeutung werden. Denn es ist zwar so, dass positiv gesehen eines der größten rechten Meinungsmacher-Magazine vorerst verschwindet – doch erkämpft wurde dies nicht durch eine starke antifaschistische Bewegung auf der Straße, sondern staatlicherseits durch ein ungewöhnliches Rechtskonstrukt durchgesetzt.

    So könnte linken Zeitungen in Zukunft das selbe Schicksal blühen – insbesondere dann, wenn Faesers Entscheidung bestätigt wird, würde dies ihrem Ministerium und kommenden Regierungen Tür und Tor öffnen, weitere unliebsame Medien zu verbieten. Davon betroffen könnte beispielsweise die linksgerichtete Junge Welt sein. Schon seit einigen Jahren wehrt sich die Tageszeitung dagegen, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

    Würde Faesers Vorstoß sich als erfolgreich erweisen, würde ihr das die Möglichkeit geben, die Junge Welt und weitere „Verdachtsfälle“ zu eliminieren, etwa solche, die aktiv für den Einsatz für eine sozialistische Gesellschaft werben. Somit gilt es auch aus linker Perspektive das Handeln des Innenministeriums aufmerksam zu verfolgen.

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