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Samstag, Oktober 5, 2024
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    Warum uns ein Pokern mit unseren Rentenbeiträgen nicht vor Altersarmut schützen kann

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    Das Rentenpaket II soll das Rentenniveau auch für zukünftige Generationen sichern. Wichtige Stellschrauben in diesem System werden jedoch nicht bewegt, stattdessen soll nun mit unserer Rente spekuliert werden. – Ein Kommentar von Janosch Weiß.

    Vergangenen Freitag, am 27. September, hat das Kabinett der Bundesregierung das sogenannte „Rentenpaket II” beschlossen. Das Paket umfasst ein Bündel von Maßnahmen, die das Rentenniveau auch für zukünftige Generationen in Deutschland sichern sollen. Es gilt nicht nur in der Ampel-Regierung als umstritten: Kritik kommt dabei vor allem aus der Ecke von FDP und Arbeitgeberverbänden, die den Wirtschaftsstandort Deutschland als gefährdet betrachten. Solange jedoch einige Privilegierte noch immer nicht zur Kasse gebeten werden, werden die getroffenen Entscheidungen uns als Arbeiter:innenklasse keine Entlastung bringen.

    Altersarmut und der demographische Wandel

    Politischer Auslöser für die Entscheidungen bei der Rente ist der Fakt, dass Altersarmut schon jetzt nicht nur ein Randphänomen unserer Gesellschaft ist: Menschen, die ihr ganzes Leben von Kapitalist:innen ausgebeutet wurden, bekommen nach dem Eintritt in die Rente nicht ausreichend Unterstützung, um ihr restliches Leben würdevoll und ohne das Sammeln von Pfandflaschen zu verbringen.

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    Dies bricht offensichtlich mit dem kapitalistischen Versprechen, dass harte Arbeit sich auszahlen würde. Erschwerend kommt dazu, dass in den nächsten Jahren die geburtenstarke sogenannte „Baby Boomer-Generation“ das Rentenalter erreichen und damit nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen wird. Die nachkommenden Generationen weisen im Vergleich ein Geburtendefizit auf.

    An diese Problematik knüpft das Paket an: Gesetzlich soll das Rentenniveau bis zum 01. Juli 2039 bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis zwischen Durchschnittseinkommen und Durchschnittsrente. Um diese Sicherung zu erreichen, werden die Rentenbeiträge, die bis 2027 bei 18,6 Prozent liegen, danach auf 22,3 Prozent – also fast ein Viertel des Bruttolohns – erhöht. Darüber hinaus soll mit dem sogenannten „Generationenkapital” Geld am Aktienmarkt angelegt werden, das ab dem Jahre 2036 Auszahlungen von etwa 10 Milliarden Euro zusätzlich einbringen soll.

    Mehr arbeiten und die Umverteilung von jung nach alt?

    Kritisch zu diesen Maßnahmen äußert sich die marktliberale FDP, die höhere Abgaben für jüngere Generationen ablehnt: Der Reichtum werde von jung nach alt umverteilt. Die Partei dagegen verspricht das Einfrieren der Beitragsbemessungsgrenzen für Verdiener:innen ab 8.000 Euro monatlichem Einkommen. Dabei ist gerade dies ein Grundproblem der gesetzlichen Vorsorge, das nicht berührt wurde: der Reichtum wird nicht von jung nach alt, sondern von unten nach oben umverteilt. Als Selbstständige ohne Anstellungsverhältnis sind es gerade Kapitalist:innen, die keinen Beitrag zur Rentensicherung leisten, da sie von ihrem Gewinn durch die Ausbeutung nichts in die Rentenkasse einzahlen. Der FDP zur Seite steht der Arbeitgeberverband BDA, der um die Attraktivität von Deutschland als Wirtschaftsstandort fürchtet.

    Andere kapitalistische Thinktanks fordern eine Kopplung des Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung: Jedes gewonnene Lebensjahr solle zu einem Drittel Rente sein und zu zwei Dritteln aus der Lebensarbeitszeit gespeist werden. Daneben sollen „Anreize“ für längeres Arbeiten geschaffen werden.

    Es ist wichtig, schon jetzt diesen beschönigenden Begriff als Farce zu entlarven: der „Anreiz” für längeres Arbeiten wird hauptsächlich die drohende Altersarmut sein und keine intrinsischen Motive. Es wird Zeit, endlich diejenigen zur Kasse zu bitten, die schon jetzt bei jeder Erhöhung des Renteneintrittsalters mehr Profite einstreichen: Die Kapitalist:innen, die nun sogar von jeder gewonnen Lebenserwartung größtmöglich profitieren wollen.

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    Rente auf dem Aktienmarkt?

    Aus Sicht der Arbeiter:innen zu kritisieren ist auch das Generationenkapital: Es macht die Rente abhängig von Wirtschaftskrisen, die im kapitalistischen System periodisch auftreten. Tritt eine solche Krise auf, sieht es nämlich mit Ausschüttungen durch angelegtes Kapital am Aktienmarkt schlecht aus. Die Altersvorsorge an eine so fragile und schwankende Einkommensquelle zu binden, würde für Arbeiter:innen genau nicht die Sicherheit ihrer Renten bedeuten, sondern dass ständige Bangen um die jeweiligen Marktbedingungen.

    Zusammenfassend ist zu sagen, dass auch das Rentenpaket II der Bundesregierung bei Altersarmut nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Solange die Kapitalist:innen die durch den demographischen Wandel steigenden Kosten nicht mittragen werden, wird es keine gerechte Verteilung der Kosten geben. Als Arbeiter:innenklasse ist es unsere Aufgabe, sich geschlossen gegen deren Forderungen nach Mehrarbeit für uns zu stellen.

    • Autor bei Perspektive seit 2022. Jurist. Beschäftigt sich mit (Un-)Recht im deutschen Staat und deutscher Wirtschaft. Schreibt aus dem Rhein-Main-Gebiet.

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